Man kann mich ja nur noch schwer überraschen, aber als ich las, dass Trent Reznor, seines Zeichens Mastermind und irdische Identität der überragenden Nine Inch Nails, das dritte Album des Poetry-Slam-Künstlers, Schauspielers, Rappers und Musikers SAUL WILLIAMS produziert und dieses dann auch noch rein über das Internet unters Volk gebracht wird, wahlweise gegen 5 Dollar oder für lau, war ich schon erst einmal baff. Am 01.11.2007 war es dann so weit. Die Mail mit dem vorher angeforderten Download-Link flatterte in mein virtuelles Postfach und ich konnte mit dem Herunterladen beginnen. Bezahlt man, hat man die Wahl zwischen drei Versionen: MP3 192kbps, MP3 320kbps und das verlustfreie Format FLAC. Ohne Geld bekommt man immerhin die 192er Version. Und das ohne jegliche Einschränkungen.
Liegt das komplette Album dann im MP3-Player, darf man sich zuerst am Titel des Albums, einer Referenz an David Bowies Glanzwerk von 1972, erfreuen und dann gespannt den ersten Track, „Black History Month“ starten. Dieser lässt sich noch klar dem HipHop zuordnen, wenn auch meilenweit weg von Gangsta-Rap, Goldketten und Bitches. Außerdem fällt dem geneigten Hörer sofort auf, dass Reznor hier seine Finger ganz tief drin hat. Dieser Eindruck bestätigt sich im Verlauf der insgesamt 15 Songs auf diesem Album noch deutlich. Teilweise könnte man meinen, Reznor habe hier eher ein neues NIN-Album geschnürt, als eine Rap-Scheibe.
Williams selber trägt seinen Teil dazu bei, indem er sich, immer äußerst gekonnt und intelligent, mal ein wenig selbstironisch, mal todernst durch Reznors industrielle Walls of Sound rappt, singt und flüstert, zwischendrin mit Verstärkung des Meisters selbst oder anderen. Und noch einmal werde ich beim Hören überrascht, denn „Sunday Bloody Sunday“ hat nicht nur den gleichen Titel wie der U2-Song, sondern ist ein waschechter Coversong desselbigen. Hier fällt mir auch zum ersten Mal auf, wie gut Williams singt. Gefällt mir wesentlich besser als seine Rap-Stimme. Doch auch die weiß er äußerst geschickt einzusetzen, wenn es passend ist.
Die einzelnen Songs bieten über die gesamte Spielzeit viel Abwechslung. Nichts wiederholt sich. Vom sehr stark nach NIN tönenden „Convict Colony“ über das schon vorab geleakte Break, das mit einem Industrial-Rap Wechsel spielt, den Reggae(!)-Song „Scared Money“ und das minimalinstrumentalisierte, wunderschöne „No One Ever Does“ ist alles dabei. Diese Variablität, dieses Können mit seiner Stimme, hätte ich Saul Williams gar nicht zugetraut. Er überzeugt mit diesem, seinem dritten, Album in Zusammenarbeit mit Reznor auf ganzer Linie. Auch wer sonst eher weniger mit HipHop oder Industrial anfangen kann, sollte mal ein Ohr riskieren, denn besonders die Texte heben das Album zusätzlich noch ein Stück höher.
Stachen schon Williams ersten beiden Alben aus der homogenen Masse der HipHop-Veröffentlichungen heraus, haben er und Reznor hier etwas bisher unvergleichbares und neues geschaffen. Eine Fusion auf allerhöchstem musikalischen wie auch lyrischem Niveau. Um dieses Kunstwerk zu verstehen, um darin einzutauchen, muss man sich von Konventionen lösen können. All das gibt es dann auch noch in guter Qualität für umme, so dass man nicht einmal einen Fehlkauf machen kann. Glückwunsch. Experiment gelungen.
Wertung: 9.5 / 10