Stellen wir uns einmal vor… Ja nehmen wir einfach mal an, Opeth hätten ein Kind gezeugt. Einen eher unorthodoxen Bastard, dessen anderen Elternteil man nur schwerlich zuordnen kann, aber bei dem Versuch würden so Namen wie Lostprophets, Hoobastank oder aber auch Vihr (wer sie nicht kennt: experimenteller Dark Metal aus Litauen… sehr kranker Scheiß) fallen. Nehmen wir mal weiter an, das Ganze wäre in Spanien passiert. Was käme dabei heraus? Hm, ich glaube die Antwort auf diese Frage lautet: NAHEMAH („Gesundheit.“ – „Danke.“).
1997 gegründet machten die Spanier mit ihrer ersten richtigen Langrille „Chrysalis“ (davor nahmen sie angeblich noch ein Album mit dem Titel „Edens in Communion“ auf, aber nix genaues darüber weiß man nicht) im Jahre 2001 mehr schlecht als recht auf sich aufmerksam. Damals wurde noch melodisch symphonischer Black Metal gespielt. Aber auf ihrer zweiten CD „The Second Philosophy“, die sechs Jahre später das Licht der Welt erblickte, ist davon kaum noch etwas zu merken. Denn auf dem 2007er Output regiert die geballte Kraft aus Stiloffenheit und Experimentierfreudigkeit.
Wirklich in ein Genre stecken kann man NAHEMAH nicht. Klar, Papa Opeth scheint immer mal wieder durch, aber irgendwie sind die Spanier doch anders. Brachiales Death-Metal-Gebolze wechselt sich mit eher melodischen Todesstahl-Einwürfen ab und wenn’s ganz hart auf hart kommt, dann scheint Mama Hoobastank durch und Sänger Pablo verirrt sich in geradezu Radio-taugliche Sphären. Das klingt vom musikalischen her so konfus und janusköpfig wie es sich jetzt hier ließt… Aber verflucht noch mal, es funktioniert irgendwie.
NAHEMAH setzen sich selbst keine Grenzen sondern spielen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Oftmals setzen sich all diese benannten Teile innerhalb eines Songs zu einem Ganzen zusammen, nur selten gibt es einen wirklich homogenen Track. Selten heißt aber nicht nie und so ist gleich der Opener „Siamese“ wohl der Song, den man am ehesten als ein wirklich klassisches progressives Death Metal Stück ansehen kann, während das achteinhalb minütige „Subterranean Airports“ (beschrappter Titel) hingegen eine etwas härter instrumentalisierte Emo/Alternative Rock Nummer ist, die auch den Lostprophets gut zu Gesicht stünde und beinahe schon im Radio gespielt werden könnte.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es dann die Mischsongs und die zeichnen sich durch noch ganz andere merkwürdige Eigenheiten aus. So eröffnet „Nothing“ beispielsweise mit einer Frauenstimme, die komplett ohne Musik irgend etwas auf einer fremden Sprache vor sich hin brabbelt (ich glaube russisch erkannt zu haben, aber ich hab ehrlich gesagt keinen Schimmer), bei „Phoenix“ (der übrigens mein Lieblingstrack des Albums ist) werden in die Gitarrenriffs fürchterlich fies dissonante Keyboard-Attacken eingemischt und bei „Like A Butterfly In A Storm“ schrappen Segnor Palazón und Segnor Marco erst mal ein wenig mit den Plektren auf ihren Gitarrensaiten rum (was einem ganz schön einen Schauer über den Rücken laufen lassen kann, wenn man das ganze mit Kopfhörern und laut aufgedreht hört). Solche experimentellen Einfälle ziehen sich durch das ganze Album und machen NAHEMAH so interessant: Da gibt es immer wieder etwas neues zu entdecken.
Davon abgesehen ist technisch bei den Spaniern alles im grünen Bereich. Die Herren wissen mit ihren Instrumenten bestens umzugehen, schreiben recht anspruchsvolle Stücke und wissen auch, wie ein ordentliches Album von der Produktion her zu klingen hat. Allgemein sehr druckvoll und schön transparent, die gegrowlten Vocals kommen etwas ungeschliffen rüber, aber das ist wohl gut so. Sänger Pablo kann man sowieso nur lobend erwähnen. Sein Klargesang ist etwas sehr weichgespült, aber seine Growls… Mein lieber Scholli, der Mann klingt geil. Hut ab. Seine markige Stimme begleitet einen gut durch die zehn überlangen Tracks und lässt nie Langeweile aufkommen.
Womit wir auch schon bei den gefürchteten letzten Worten angelangt sind: NAHEMAH haben mit ihrem zweiten Album „The Second Philosophy“ etwas sehr beeindruckendes abgeliefert. Sie stellen damit nicht nur ihr handwerkliches Talent sondern auch ihre extreme Experimentierfreudigkeit unter Beweiß, verlieren dabei allerdings nie die musikalische Ausrichtung aus den Augen. Trotz aller Einwürfe: Das Ding ist und bleibt Death Metal. Leider mangelt es dem ganzen Album etwas an Eingängigkeit. Viel klingt auf den ersten Lauscher gleich, die Unterschiede verstecken sich im Detail. Deswegen braucht die Scheibe einiges an intensiver Einarbeitungszeit. Lohnt sich aber. Auch wenn dieser etwas extravagante Stilmix sicher nichts für jedermann ist.
Wertung: 9 / 10