„The Beauty Of Contrast“ heißt das Debüalbum der Marburger SINEW. Und ziemlich schnell wird klar: Dieser Titel beschreibt auch die Musik der vier Jungs mehr als gelungen. SINEW (zu deutsch: die Sehne) spielen einen Mix aus dem Besten des Alternative- und des Progressive Rock, die Band bezeichnet ihre Musik selbst als „Cinemascopic Alternative Rock“. Nicht unpassend, wie 52 Minuten und 12 Tracks später klar wird.
Bereits der eindrucksvolle, sechsminütige Opener „The Allegory Of The Cave“ verdeutlicht, wie hier der Hase läuft: Nach einem kurzen epischen Eröffnungspart fragt uns eine sympathische Frauenstimme: „Have you ever tried to explain colours to a blind?“ – und dann geht die Achterbahnfahrt der Gefühle und Sounds los. Was direkt im Anschluss folgt, klingt ganz eindeutig wie songdienlichere, härtere Dredg der „El Cielo“-Phase. Der Einfluss dieser Combo auf die Marburger ist nicht von der Hand zu weisen, doch das heißt noch lange nichts Schlechtes. Die mitreißenden Gesangsmelodien werden von Sänger Sascha Junker voller Hingabe vorgetragen, der Refrain ist schlichtweg großartig. Der Mittelteil greift den Beginn des Songs wieder auf und trägt verhalten progressive Züge. Es kommt aufgrund eines Percussioneffekts kurzzeitig Tool-Atmosphäre auf. Und dann lernen wir die andere Seite der Band kennen: Die Gitarre, die Trommeln und das Schlagzeug pushen sich gegenseitig in die Höhe, ein paar doomige Gitarrenriffs treffen auf sphärische Keys und Sänger Sascha Junker wird plötzlich zum Emo-Hardcore-Shouter. Doch diese Rolle steht ihm erstaunlich gut und sein Einsatz passt auch hervorragend zum instrumentalen Unterbau.
Das nachfolgende „Eidolon“ ist etwas melodischer und grundsätzlich alternativer, wieder sticht der tolle Chorus hervor. Auch hier darf Sascha im späteren Verlauf kurz beherzt growlen – die Gegensätze machen den Reiz aus! „One Drop“ ist zwei Spuren härter, während „Dystopia“ mit treibend-vertrackten Riffs aufwartet und dann ein weiteres wichtiges Element der Band präsentiert:
Sprachsamples. Ab diesem Zeitpunkt kommen sie regelmäßig auf der Scheibe vor und tragen massiv zur cinematischen Atmosphäre bei. Die Lyrics beschäftigen sich übrigens keineswegs mit abgegriffenen Mädchen-Jungen-Geschichten. Sie widmen sich der menschlichen Seele, der Welt in der wir leben, unserer Abhängigkeit von selbst auferlegten Regeln und unserem Übermaß an Rationalität.
Mit „Boiling Water At 70°C“ hat die Band auch ein zweiminütiges Instrumentalintermezzi untergebracht, eine andächtige Ruhepause, bevor es aufwühlend weitergeht. Das nächste Highlight ist „Pre-Vision“, von dem beim Hörer vorallem der Leitspruch „the dream in your head is not your own“ hängenbleibt. Sehr geil! „Sin Nada De Nada“ besteht im Prinzip nur aus einem aufreibenden Sprachsample und sich immer weiter aufschaukelnden Gitarrenriffs. Gradios, was mit so einfachen Mitteln hier für eine epische Gänsehautatmosphäre erzeugt wird. „Contrast“ ist wohl soetwas wie der Titeltrack der Scheibe und präsentiert noch mal äußerst gelungen die Stärken von SINEW auf nur 5 ½ Minuten, hier gibt es sogar weibliche Backgroundvocals. „You´re just a huge amount of zeros“, lautet hier die eindeutige Message, bevor das Lied mit der Zeile „All I try is to stay human, in contrast to you“ beendet wird. Mit verspieltem Schlagzeug und coolem Bass beginnt „Lost/Found“, eine ziemlich endzeitlich klingende Nummer, die das Album nachdenklich beendet.
Alle Freunde von Bands wie Dredg sollten „The Beauty Of Contrast“ definitiv ein Ohr – oder am besten gleich beide – leihen. Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Wenn ihr mit leichten Emocore-Ansätzen klarkommt, wird’s euch noch besser gefallen. Auf der ganzen Platte gibt es übrigens nicht ein einziges Solo – kaum zu glauben aber wahr: Man vermisst diese Solospots auch nicht! Die Songs der Band sind auch so schon spannend, feingliedrig, dicht und packend genug. Gerne möglichst schnell mehr davon!
Wertung: 9 / 10