Promobeipackzettel lesen sich ja ganz gerne recht pompös. Da deffiniert man schon mal das ein oder andere Genre neu, hin und wieder ist ein Album denen entsprechend schon mal vor der Veröffentlichung Kult und Meilensteine und Meisterwerke trifft man, wenn man denen glauben darf, sowieso alle Nase lang. Die 1996 gegründeten Israelis von DISTORTED sind mit ihrer zweiten CD „Voices From Within“ da doch etwas bodenständiger geblieben. Die wollen nur „in der kompletten weiblichen Metal Szene einen erfrischenden Trend“ erschaffen. Und das tun sie laut eigener Aussage, indem sie „die brutale Seite des Metals mit orientalischer Musik veredeln“. Klingt irgendwie nach Orphaned Land, wenn ihr mich fragt. Nur halt mit Frau vorne drauf, versteht sich.
„Frau vorne drauf“ ist ein gutes Stichwort, denn das Cover hat ’ne Frau vorne drauf. Etwas zombiefiziert und mit verbundenen Augen krallt die gute sich eine Lautsprecherröhre. Schaut irgendwie gar nicht so orientalisch aus, wie der Text uns weis machen will, aber das ist ja nicht der Abend aller Tage, also Scheibe in die Anlage, auf Play gedrückt und der Dinge geharrt, die da kommen mögen. Eine Gitarre. Ah, fein, der Mann an den sechs Saiten weiß, wie man damit umzugehen hat. Dann noch eine. Drums und Bass dazu, dann setzt der Gesang von Frontfrau Miri Milman (der mich teilweise Latent an die Kollegen von Madder Mortem erinnert) ein. Klingt alles absolut rund. Aber irgendwie nicht orientalisch…
DISTORTED spielen schlicht und ergreifend Gothic Metal. Und zwar gar nicht mal schlechten. Der größte Unterschied zu anderen Bands mag wohl darin liegen, dass bei DISTORTED der Name Programm ist: Das Soundbild wird von den beiden (meist verzerrten) Gitarren bestimmt. Keyboards gibt’s gar nicht (wow, ich wusste gar nicht, dass es Gothic-Bands gibt, die drauf verzichten), dafür die ein oder andere etwas heftigere Double-Bass-Attacke. Trotzdem wird wohl niemand in die Versuchung kommen, das Ganze mit Death Metal zu verwechseln. Da gibt es zwar in Hinsicht auf die männlichen Vocals Anleihen, aber ansonsten nicht wirklich. Und die orientalischen Einflüsse finden sich auch nur mit der Lupe in der ein oder anderen Gesangslinie. Ansonsten merkt man dem Ding zu keiner Sekunde an, dass es aus dem mittleren Osten kommt.
Das kann man der Scheibe aber leider sowohl als Stärke als auch als Schwäche ankreiden. Ein wenig mehr orientalisches Flair hätte da schon was rausreißen können, wenn man einfach mal ein paar Keyboards aufgefahren und ein paar mittelöstliche Folk-Melodien à la Orphaned Land reingepackt hätte, dann hätte das dem Ganzen noch eine wesentlich individuellere Note verliehen. Allerdings vermeiden DISTORTED damit die Gefahr, „dudelig“ zu werden (Orphaned Land sind toll, aber manchmal kann ich’s mir einfach nicht anhören). Das Songwriting ist straight, kraftvoll, eingängig, teilweise etwas ideenlos, aber trotzdem sehr rund.
Die Technische Seite der Silberscheibe hat leider auch ein paar kleinere Macken. Zwar sind die Musiker alle hervorragend und Sängerin Miri klingt auch fantastisch, aber zum einen ist der männliche Widerpart Raffy Mor teilweise etwas schwachbrüstig ausgefallen, zum anderen ist die Abmischung nicht ganz perfekt gelungen. Die Drums klingen toll und sind druckvoll, der Bass gehört zur eher wummernden Spezies, die Rhythm-Gitarre sägt ordentlich, aber leider ist die Lead-Gitarre von Zeit zu Zeit einen Tacken zu weit hinten im Soundbild gelandet. Was aber gut gefällt und fasziniert ist die Vielzahl an Gesangsspuren, die über das (sehr volle) Soundgewand gelegt wurden. Miris Parts sind fast immer mehrstimmig eingesungen und ergänzen sich auch gut mit denen von Raffy, wobei ich es mir aber schwer vorstelle, das Ganze Live gut umzusetzen. Aber naja, auf der Platte macht das auf jeden Fall einen äußerst guten Eindruck.
Noch was zur Gästeliste: Die liest sich recht eindrucksvoll, denn immerhin sind mitunter Musiker von Therion und Draconian dabei… Besonders hervorgetan haben die sich in meinen Ohren jetzt allerdings nicht. Um ehrlich zu sein: Ich weiß gar nicht, wo und was die nu auf der Scheibe machen, da auch jegliche Information dazu, in welchem Track die auftreten, fehlt. Seltsam.
Kommen wir zu den berühmt berüchtigten Schlussworten: DISTORTED sind bei weitem nicht so innovativ, wie sie (bzw. der Promozettel) sich gerne präsentieren würden. Ihr sehr gitarrenorientierter Gothic Metal weiß gut zu gefallen, vor allem dank der starken Produktion und der guten Sängerin. „In der kompletten weiblichen Metal Szene“ werden sie aber wohl kaum „einen erfrischenden Trend“ begründen. Trotzdem: Sehr gutes zweites Album.
Wertung: 8 / 10