Es gibt Bands, bei welchen man sich wirklich, und das muss man einfach so sagen, fragen muss, warum man sie eigentlich hört. Was soll einem eine Band bieten können, die seit 15 Jahren Lärmbelästigung praktiziert? Diese Frage beantworten ROTTEN SOUND 2008 noch genauso, wie sie es auch schon 1993 getan haben: So eine Band bietet Grindcore auf höchstem Niveau, die, was die Konstanz an guten Veröffentlichungen in diesem Sektor angeht, ihresgleichen sucht. Und auch „Cycles“ holzt in guter alter Manier, jedoch in nicht ganz so alter Besetzung: Drummer Sami Latva hat hier seinen ersten Full-Length-Auftritt, ganz neu ist er aber doch nicht, 2006 konnte man ihn schon auf der „Consume To Contaminate“-EP prügeln hören. Die Erwartungen an dieses Album sind glasklar, von ROTTEN SOUND will man eine halbe Stunde die Rübe abmontiert bekommen, mehr nicht. Ebenso glasklar ist, dass man das auch bekommt, an dieser Überzeugung kann auch das erschreckend blutleere (aber erfrischend andere) Cover nichts ändern.
Was soll man zu dieser Platte groß sagen? „“The Effects“ nimmt sich genau 50 Sekunden Zeit um Fahrt aufzunehmen, ab da wird 33 Minuten drauflosgemetzelt, dass kein Gras mehr wächst.“ Aber nein, ganz so einfach kann man es sich nicht mehr machen, ROTTEN SOUND können mit dieser Scheibe viel mehr, als die Beschreibung oben verrät. So findet man auf „Cycles“ keineswegs nur Überschallgerumpel. Als Beispiel sei mal „Caste System“ herangezogen: Hier wird die Geschwindigkeit wesentlich gedrosselt, Sami lässt seine Double-Bass Pedale beinahe unberührt, und siehe da: Zweieinhalb Minuten die ganz in Death Metal-Manier von genial treibendem Groove leben und dabei nicht weniger brachial wirken, als der Rest des Albums, dafür aber eine wertvolle Abwechslung einbringen. Ähnliches gilt auch für Songs wie „Blind“ (mit Solo!!!) oder „Victims“:Entweder man bleibt gleich langsamer oder man variiert den Speed sehr gelungen. Der Rausschmeißer „Trust“ geht sogar noch einen Schritt weiter und bleibt über volle vier Minuten schleppend langsam, die auch noch, nun vollends untypisch, mit einer melodischen Leadgitarre ausgestattet sind.
ROTTEN SOUND entwickeln sich also gewaltig weiter, ohne sich wirklich zu verändern, denn auch Highspeed-Geblaste ist weiterhin mehr als genug vorhanden, und von diesem ist ja bekannt, dass die Truppe um Sänger Keijo es damit quasi bis zur Perfektion getrieben hat. Das besondere an „Cycles“ ist aber, dass auch die Experimente bezüglich Geschwindigkeit wirklich gut funktionieren, wodurch sich ein im Grindcore eher selten gesehenes Gesamtprodukt ergibt: „Cycles“ ist ein Album, auf dem einzelne Songs wirklich Wiedererkennungswert haben, und es deshalb Sinn macht, sich deren Namen zu merken, während es sonst ja meist genügt, den Albennamen zu wissen, um die Musik einer ganzen CD auf einmal beschreiben zu können. Dass diese einzelnen Songs auch absolut präzise und professionell eingespielt sind und dass immer noch nicht zu knapp Nonstop gerotzt wird, versteht sich von selbst. Dazu ist die Produktion perfekt auf die Band zugeschnitten, der Spagat zwischen einer räudigen, dreckigen Grundstimmung und der klaren Hörbarkeit jeden Instrumentes gelingt.
Eine abwechslungsreiche Grindcore-Scheibe, vier hochprofessionelle Musiker, die sich Gedanken über ihr Gebolze machen und eine Produktion, die beides hörbar macht: ROTTEN SOUND werfen 2008 eine qualitativ unglaublich hochwertige Platte auf den Markt, die einen Kauf trotz kurzer 33 Minuten absolut wert ist und eine, einfach ausgedrückt, kaum zu erreichende Messlatte für die Konkurrenz setzt. Wer irgendetwas mit extremer Musik anfangen kann, bestellt sofort.
Wertung: 9.5 / 10