Review Helloween – Gambling With The Devil

Nicht leicht ist es im Jahre 2007 für die Hamburger Urgesteine von HELLOWEEN. Zum einen befinden sich in der eigenen Diskografie mittlerweile so viele hochklassige Scheiben, die zu toppen natürlich eine gewaltige Aufgabe ist. Die Fans sind nach wie vor gespalten, seit Andi Deris vor nunmehr dreizehn Jahren den Posten am Mikrofon übernahm, und dennoch stieß das jüngste Wagnis, den „Keeper“-Scheiben einen dritten Teil zu verpassen, auf überwiegend gute Kritiken.
Als Wagnis präsentiert sich auch das jüngste Langeisen der Kürbisköpfe, aber eher konzeptionell als musikalisch. „Gambling With The Devil“ bietet wenig stilistische Überraschungen, zeigt Helloween aber von ihrer stärksten Seite.

Nach einem kurzen Intro, in dem Saxon-Boss Biff seine Stimme beisteuert, hat man aber bereits eine Überraschung auf den Ohren: „Kill It“ ist eine der härtesten Nummern, die man je von Helloween vernahm. Abgesehen von der Bridge kann von „Happy Metal“ keine Rede mehr sein. Und auch wenn es mit „The Saints“ melodischer weiter geht – der Song erinnert stellenweise stark an „Laudate Dominum“ – so merkt man spätestens bei der Halbballade „As Long As I Fall“ („If I Could Fly“ lässt grüßen), dass man insgesamt wieder die ernsthaftere Richtung eingeschlagen hat. Das doublebass-lastige „Paint A New World“ ist wieder ein ganz schön heftiges Stück, und „Final Fortune“ fällt mit Keyboardbegleitung abermals recht melancholisch und nachdenklich aus.

Kernstück der CD ist nach eigenen Angaben der Band das Dreigespann „The Bells Of The 7 Hells“, „Fallen To Pieces“ und „I.M.E.“, welches annähernd nahtlos ineinander übergeht. Dadurch mag man wieder die Idee haben, einen Helloween’schen Longtrack serviert zu bekommen, wobei sich die Songs stimmungsmäßig jedoch gravierend voneinander unterscheiden. Kurz zusammengefasst: Nr. 1 ist recht düster und groovig angelegt, Nr. 2 dramatisch-ausladend und Nr. 3 regt wiederum zum Mitsingen an. Auch wenn stets ein eingängiger Chorus vorhanden ist, zeichnen sich die Songs alle durch innere Abwechslung und einen beinahe progressiven Anstrich aus. Allenfalls in Richtung Spaßmusik wie noch auf der „Rabbit Don’t Come Easy“ geht noch das anschließende, sehr hoffnungsvolle „Can Do It“, hier hört man schon fast Gospel-Einflüsse heraus. Bei „Dreambound“ liefert Deris im Refrain eine gänsehautverdächtige Leistung ab (die Fähigkeiten der weiteren Bandmitglieder werden über die ganze CD hinweg in ausladenden Instrumentalpassagen unter Beweis gestellt) und es ist trotz seines hohen Tempos und der Melodik weit davon entfernt, ein plattes Partylied zu sein. Und auch das abschließende „Heaven Tells No Lies“ spricht offensichtlich – Texte liegen mir leider nicht vor – eher Herz und Kopf an als bloß den Körper.

Mit Blick auf den bandeigenen Backkatalog lässt sich „Gambling With The Devil“ am ehesten, wie bereits kurz erwähnt, mit dem 2000er „The Dark Ride“ vergleichen, denn von gelegentlichen Einsprengseln abgesehen ist die Grundstimmung untypisch melancholisch gehalten. Doch gerade darin liegt ja seit Beginn der Bandgeschichte AUCH eine der Stärken von Helloween, oder wer würde Hits wie „I Want Out“ als fröhlich bezeichnen?
„GWTD“ jedenfalls kann in seiner Form voll überzeugen, denn über die gesamte Spielzeit von fast einer Stunde ist einfach kein Ausfall oder schwacher Song zu finden. Dabei zeigen die Hamburger sich ausgesprochen facettenreich, nennenswerte Ähnlichkeiten untereinander kann man bei den Stücken der CD kaum heraushören. Allenfalls ist zu kritisieren, dass „The Saints“ und „As Long As I Fall“ wie irgendwie schonmal von Helloween gehört klingen. Dass man bei dem mittlerweile zwölften Studioalbum auch mal sich selbst kopiert, lässt sich allerdings verschmerzen.

Ein weiteres Kunststück ist Helloween damit gelungen: Obwohl man sich deutlich vom Happy Metal distanziert hat, leidet die Eingängigkeit und der Ohrwurmfaktor der Lieder nicht darunter, so dass man auch wieder mit schwerem Live-Abräumen zu rechnen hat. Die Lieder kommen zwar nicht fröhlich, aber eben auch nicht traurig-derpressiv daher. Dabei sollte man auch nicht unter den Tisch fallen lassen, dass insbesondere der fordernde Mittelteil ein aufmerksames Ohr und mehrere Hördurchgänge verlangt. Das gesamte Album bietet deutlich mehr, als man beim ersten Lauschen vermuten dürfte. Einen Über-Track oder Höhepunkt aus den elf Liedern auszuwählen, fällt nicht leicht, denn letzten Endes ist jeder einzelne auf seine Weise ein Spitzensong.

Mit „Gambling With The Devil“ klingen Helloween so erwachsen wie nie zuvor, und trotz des gehobenen Anspruchs macht es einfach Freude der CD zu lauschen. Die Gratwanderung zwischen Melancholie und Power, zwischen Komplexität und Geradlinigkeit gelingt hier wie auf keinem der bisherigen Alben. Ein großer Daumen hoch, das Glücksspiel ist gewonnen!

Wertung: 9.5 / 10

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