Jeder hat bestimmt schon einmal von diesen Klischees gehört, die es zuhauf über verschiedene Länder auf der Welt gibt: Da werden die Briten zu hinterhältigen Krämerseelen, die Russen zu wodkavernichtenden Mongolenhorden und die Deutschen zu vorschriftshörigen Sauerkrautessern (in jedem Geschichtsschulbuch nachzulesen). Dass aber Musik ganz deutlich einem Land zugeordnet werden kann, ist doch ziemlich selten, da die Grenzen hier sehr fließend sind und man schon genug Probleme damit hat, die Musik einer bestimmten Kategorie zuzuordnen.
Als ich nun kürzlich zum ersten Mal bei GENTLEMAN’S PISTOLS reinhörte, dachte ich mir schon beim ersten Lied: Verdammt, das klingt einfach nur britisch! Und tatsächlich hatte mein Gefühl/Gehör mich nicht getäuscht: Die Pistolen sind vier junge Herren aus dem englischen Leeds und sehen auf den Fotos, auf denen sie sich zeigen aus, als wären sie so irgendwann um 1970 (zusammen mit Austin Powers) in die Zeitmaschine oder die Kälteschlafkammer gestiegen und letztes Jahr wieder daraus hervorgekommen und hätten spontan entschlossen, die Welt mit arschtretender Rockmusik ihrer Heimatepoche zu beglücken.
Und wie ich schon sagte, die Musik ist wirklich britisch. Ich bin nicht ganz sicher, was genau diesen eigentlich doch sehr subjektiven Eindruck hervorruft; möglicherweise ist es der Gesang, der mich irgendwie ein bisschen an die Ramones erinnert – vielleicht sind es aber auch die abgehackten, vor Blues und Groove nur so überlaufenden Gitarrenriffs und -soli, die in bester Retro-Manier aus den Lautsprechern kommen. Es wird hier von den vier Insulanern einfach Musik gemacht, die perfekt in die frühen Siebziger passen würde, aber auch heute noch heftig Arsch tritt und schlicht Spaß macht. Bei Liedern wie „Out of the Eye“, „Mistress Mistrust“ oder „Vivid Wonder“ fangen meine Füße fast von selbst an, sich im Takt zu bewegen. Wäre ich dessen fähig, würde ich dazu wohl ziemlich cool abtanzen, so aber halte ich meine Füße vorsorglich in die Luft, damit ich nicht wie dieser Kerl ende.
Einige Lieder zünden nicht ganz so gut wie die eben genannten, aber doch erfreulich viele sind solide bis gut gelungen. Zu bemängeln gibt es lediglich diverse Missklänge, die hier und da in der Musik auftreten, und die mit einer halben Stunde wirklich verdammt knapp bemessene Spielzeit des Albums – aber letztendlich kann ich damit auch gut leben, denn diese halbe Stunde macht viel Freude. Empfehlen kann ich die GENTLEMAN’S PISTOLS jedem, der britischen Rock mag – und damit meine ich nicht den Weichspülkram von Coldplay.
Wertung: 7 / 10