TRIST ist so eine Band, die zwar schon länger beachtliche Reputationen aufweisen kann, jedoch bis zuletzt eher unbekannt war. Das Debüt „Tiefenrausch“ ist zwar in adäquatem Kreise bekannt, doch fast scheint es so, als hätte Benjamin König aka Aran aka Tristan erst mit der Ankündigung von „Hin-Fort“ eine noch größere Menge in seinen Bann gezogen. Nunja, Mutmaßungen. Die Aufmachung der zwei CDs enthaltenen Digi ist wirklich gelungen, aber wen wundert dies schon, Benjamin König ist ja schon durch so manches, visuelles Werk aufgefallen. Die beiden Teilstücke des Albums wurden fast gleich aufgemacht, „Hin“ ziert ein Herz, welches von Amors Pfeil durchbohrt worden ist, „Fort“ ist ein Gehirn aufgedruckt.
Eine Stunde lauscht man einem langen Lied, anfangs sogar reiner Ambientmusik, das Herz trifft insofern also schon mal zu, als dass der Hörer es hier mit Gefühlsmusik zu tun hat. Rauschen erfüllt die Szenerie, man hat das Gefühl, als wäre jemand just entschwunden. Fast kann man sich glaubhaft machen, wie die Vorhänge noch im Wind wehen, als wäre man nur ein klein wenig zu spät eingetroffen. Doch man gibt sich nicht sofort auf die Suche, vielmehr konfrontiert man sich mit der oberflächlichen Stille. Man verharrt und lauscht…Geräusche, die man normalerweise kaum beachtet und vernachlässigt, ziehen einen immer mehr in den Bann. Das eigene Gemüt wird plötzlich und doch auch ganz langsam aufbrausender, bis es wieder abflacht. Nach gut einer Viertelstunde bewegt sich die Chose dann in Black Metal-Gefilde, welches aus der ganzen Mystik der vorangegangenen Minuten profitiert und sich selbst verklärt präsentiert. Vordergründig scheppert das Schlagzeug leicht verwaschen, eine maschinell aufgebaute Anonymität wird erzeugt. Hintergründig kann man zugleich ganz schwach und zart eine Melodie ausmachen, die sich hinter dem Schlagzeugwall fast schon versteckt. So als würde sie Schutz hinter diesem monotonen Gepolter suchen. Immer mehr drückt sich die Gitarre nach vorne und wird dabei von einer krächzenden Stimme unterstützt, die sich wie ein Schatten auf die Musik legt und den Hörer schaudern lässt. Nach insgesamt 36 Minuten erfolgt der nächste Schnitt auf „Hin“, der Black Metal-Teil zieht sich immer mehr zurück, wie ein Unwetter nach und nach an Kraft verliert und man lediglich die Nachwirkungen noch spürt, aber weiß, dass diese bald ebenso ad acta gelegt werden. Für einige Minuten spricht nun eine englische Erzählerstimme, welche aber im bereits bekannten Black Metal mündet. An diesem werden auch nur noch Marginalien abgeändert, was die Atmosphäre aber freilich beeinflusst und in diesem Fall intensiviert. Nach fast einer Zeitstunde ist alles vorbei, rauschende Leere bleibt zurück und mit ihr die Erinnerung an das soeben vorübergegangene Schauspiel. 60 Minuten lang lauscht man also purer Monotonie, welche aber so gut kreiert worden ist, dass diese Zeit quasi an einem vorüberrauscht.
Die zweite CD, welche zwar auch eine knappe Stunde Spielzeit beträgt, dafür aber in verschiedene Parts gesplittet ist, wurde mit reinem Dark Ambient angefüllt. Wie aus dem dunklen Nichts ertönt eine Stimme aus einem nicht sichtbaren Lautsprecher, kündigt Großes, Finstres an. Schon bald darauf zählt eine Frau völlig eingeschüchtert und an der Grenze eines Nervenzusammenbruchs, hier und da zerreißen morbide Töne das sonstige Rauschen. Am Ende vernimmt man lediglich Angst- und Panikschreie der Frau, ein sardonisches, monströses Etwas wurde kurz zuvor akustisch losgelassen. „Schlaflos“ hingegen lässt die Gedanken treiben, lässt sie in die Ferne schweifen. Zu Beginn fühlt man sich an einsame, menschenleere und doch faszinierende Wüsten erinnert. Einladend und trügerisch zugleich, wenn man denn so möchte. „Nachtflug“ ist zu Beginn rasant, arbeitet mit schnellen Szenewechseln und verfällt dann doch wieder in das monotone, anziehende Treibsandgebilde, welchem die Musik ähnelt. Das Titelstück erscheint dann wahrhaftig wie ein Abschied, voller Melancholie betritt das Klavier die Fläche, hintergründig erschallen obskure Schrei respektive menschliche Laute. Gen Ende lauscht man Meereswellen, die die Erinnerungen oder das, was übrig bleibt, fortschwemmen und dem Protagonisten so wie auch dem Auditorium scheinbar alle negativen Erinnerungen rauben. Tja, das Gehirn…“Fort“ ist ein Angriff auf die Nerven, nutzt das Fühlen eines Menschen eiskalt aus und spielt damit zu eigenem Gunsten.
„Hin-Fort“ verlangt vor allem eines von dem Hörer und zwar, dass dieser sich knapp zwei Stunden lang uneingeschränkt dem Album hingibt. TRISTs zweites Werk wohnt viel Magie inne, doch jene benötigt Aufmerksamkeit. Es ist schier unmöglich, objektiv zu evaluieren, da jeder ganz besonders hier anders reagieren wird und Ambient zudem ein Musikgenre ist, wo sich Herausragendes von Mittelmäßigem für ungeübte Ohren nur wenig unterscheiden wird. Dennoch: Das Blut gefriert einem, man ist ständig gespannt, was kommen mag und vernimmt Klänge, die gelinde gesagt schocken können. Explizit „Fort“ ist ein Auf und Ab in Sachen Bannen des Hörers, es ist wie ein atemberaubender Horror-Soundtrack.
Keine Wertung