Im Jahre 2006 wechselten MUSTASCH von EMI zu Regain Records und begannen gleich darauf mit der Arbeit am Nachfolger der „Parasite“-Mini-CD – das Resultat der einjährigen Produktionszeit ist dieses Album hier: „Latest Version of the Truth“, 50 Minuten Rockmusik in 11 Liedern.
Ich bin mir nach wie vor nicht ganz sicher, wie ich MUSTASCH einordnen soll, denke jedoch, dass Stoner Rock eine angemessene Schublade ist. Recht dreckige Gitarrenriffs dominieren die meisten Lieder, Gyllenhammars Gesang ist überwiegend rau und weniger auf Melodik als viel mehr auf Kraft ausgelegt, was vielen Songs jedoch gut zu Gesicht steht. Dazu gesellen sich in einigen Liedern Streicher, die das sonst leider recht einförmige Gesamtbild deutlich auflockern und den Songs, in denen sie eingesetzt werden, eine eigene, coole Note verleihen. Das Intermezzo „Scyphozoa“ kommt gar nur mit diesen Streichern und einer akustischen Gitarre aus.
Und wo ich gerade schon bei „Scyphozoa“ (dabei handelt es sich übrigens um Schirmquallen, recht wabbelige Gesellen) bin: Dieses Zwischenstück stellt für mich einen Wendepunkt auf „Latest Version of the Truth“ dar. Vor diesem Titel sind die Songs allesamt (mit Ausnahme des wirklich gut abgehenden „Double Nature“) recht durchwachsen; so richtig will hier nichts zusammenpassen. Doch nach „Scyphozoa“ werden die Songs auf einmal geradezu genial! Zunächst einmal ist das Intermezzo selbst schon erstklassig. So richtig geht’s dann geht mit dem langsam gehaltenen, funky klingenden „Spreading the Worst“ los, es setzt sich im mit akustischen Gitarren versehenen, gut rockenden „Bring me everyone“ fort und endet sinnvollerweise im nahezu epischen „The End“, das mit teilweise ganz merkwürdig verzerrtem Gesang, einem völlig verrückten Mittelteil, fast schon ein wenig an Swing erinnerndem Gesang und dann auch noch mit Chören aufwartet – das ist wirklich ganz, ganz groß. Und jetzt ist mir auch eingefallen, woran MUSTASCH mich erinnern: An die Spiritual Beggars!
Leider trifft die Bezeichnung „zweischneidiges Schwert“ auf dieses Album absolut zu. Bis zur Halbzeit gibt es nicht viel Herrlichkeit, lediglich „Double Nature“ weiß hier als einiges taugender Abrocker zu gefallen. Wie jedoch eben schon gesagt, steigert sich die Scheibe ab „Scyphozoa“ ganz gewaltig; das manifestiert sich hauptsächlich im nun emotionaleren Gesang von Ralf Gyllenhammar und im gesteigerten Einsatz der Streicher, auch jedoch im Songwriting generell, da die Songs hier einfach überlegter klingen. Hälfte 1 versäuert mir das Album leider ein wenig und zieht auch die Punktzahl runter; da Hälfte 2 aber einfach nur ordentlich knallt, schneidet „Latest Version of the Truth“ doch noch recht gut ab. Wer die Spiritual Beggars mag, sollte hier auf jeden Fall ein Ohr riskieren.
Wertung: 6.5 / 10