„Eine Frontfrau?“, werden sich manche nun denken und HIDDEN TIMBRE unweigerlich in das Gothic/Symphonic Metal-Fach abschieben. Doch weit gefehlt. Die fünf Deutschen mit Anja Bräutigam als Sängerin spielen Progressive Metal, der jedoch von Sparten wie Artrock bis hin zu Pop beeinflusst wird. Nach der EP “Leave” von 2005 erscheint nun das selbstbetitelte Debütalbum der Band aus Gera. Nach den vollmundigen Behauptungen auf dem Promozettel („ein intellektueller Mittelfinger für Materialismus und Schnelllebigkeit“ oder „[…] ihre neue Lieblingsband wird ihre Herzen im Sturm erobern!“) bin ich auf den Sound der Band wirklich gespannt.
Das Album startet danach auch sehr gut. Die Gitarrenarbeit ist interessant und treibend, leider ist das Schlagzeug sehr in den Hintergrund gedrängt und zu leise. Bräutigams Gesang ist hier sehr variabel und schwenkt zwischen melodischen Passagen, rau klingenden Abschnitten und Sprechgesang hin und her. Kurz wird gefrickelt, bevor die Gitarren wieder eine klare Linie einnehmen. Sehr guter Einstand, so darf es gerne weitergehen. Das Prädikat „Progressive Metal“ hat die Band auf alle Fälle verdient, denn auch der nächste Song schlägt in dieselbe Kerbe wie der erste, könnte jedoch etwas mehr Abwechslung vertragen. Die Hookline von „At The Crossroads“ kann sich aber wirklich hören lassen und auch das Grundriff von „End of Days“, das außerordentlich hart ausgefallen ist, kommt mit einem ähnlichen Aufbau daher. Gegen Ende dieses Songs erwartet uns die metallischste Phase des ganzen Albums.
Mit „Tell Me“ präsentieren uns die Deutschen eine Ballade, die die Stimme von Anja in den anspruchsvollen Popbereich abdriften lässt. Schöner Song, aber nicht wirklich von Belangen. Dafür hat das folgende „Time To Sleep“ einen sehr interessanten, deformiert klingenden Einstieg. Auch Bräutigams Gesang wurde leicht verzerrt und passt sich dabei sehr gut in die erzeugte, leicht unruhige und angespannte Atmosphäre. Abermals versuchen die Deutsche ihre Instrumentalpassagen mit allerlei Breaks interessant zu halten, was bei den ersten beiden Songs noch gut gelungen ist, wirkt mittlerweile ausgelutscht, dennoch sind diese Abschnitt auf einem hohen technischen Niveau. „My World Is Bigger“ geht nun endlich mal andere Wege. Der Song beginnt nicht mit schnellen, harten Riffs, die sich im Laufe des Songs immer wieder wiederholen, sondern startet ruhig und atmosphärisch. In der zweiten Hälfte nimmt der Song nach einem Break gekonnt an Dramatik und Geschwindigkeit zu und endet in einem ausladenden Wirbelsturm aus Instrumenten und Gesang. „Be Winded“ beeindruckt mich danach durchwegs, sei es das knallharte Riffing beim Intro oder das feine, wenn auch zu leise Drumming bis hin zum variablen und gleichzeitig eingängigen Gesang von Anja. Die Geschwindigkeit wird angezogen und der Song wird wirklich mitreißend, spannend und virtuos mit gregorianisch klingenden Chören beendet.
Abgeschlossen wird das Album mit dem Song DOOM (In Großbuchstaben! Das muss wirklich großes Unheil sein.). Der Song wirkt dann auch durchgehend sehr melancholisch und ruhig. Die Frontfrau wird hier das einzige Mal von einem männlichen Kollegen unterstützt, der aber nicht wirklich in den Vorschein tritt. Die Instrumentalabteilung zeigt noch mal was sie kann, wir hören kurze Sprachsamples, die Unheil verkünden und schließlich wird das Album von Bräutigams ruhiger Stimme beendet.
Mit „Hidden Timbre“ haben HIDDEN TIMBRE ein sehr interessantes, durchweg überzeugendes Debüt abgeliefert, das mich auf die zukünftigen Releases der Band warten lässt. Auszumerzen wären dabei vor allem der lasch klingenden Schlagzeugsound, der leider nicht den Druck rüberbringt, den er durch die Komposition ausstrahlen könnte. Auch würde dem Album mehr Abwechslung gut tun, die zwar innerhalb aber nicht unter den einzelnen Songs gegeben ist. Außerdem sollte sich die Band jemand anderen suchen, der ihre Promozettel schreibt, denn da wurde der Mund eindeutig zu voll genommen. Alles in allem aber ein gutes Debüt der Deutschen, das ich allen Freunden des komplizierteren Female Fronted Metals empfehlen kann.
Wertung: 7 / 10