Als die Band Cynic 1993 ihr Debüt und bis jetzt einziges Album “Focus” veröffentlichte, ahnte niemand, dass die Platte einmal Kultstatus haben wird. Warum ich diese Band im Zusammenhang mit Aeon Spoke anspreche? Jeder der sich mit den Amerikanern beschäftigt hat, wird schon beim Lesen der Besetzung von AEON SPOKE große Augen bekommen haben. Paul Masvidal und Sean Reinert waren an „Focus“ beteiligt, Chris Kringel war zwar kurz bei Cynic, hatte aber nichts mit dem Kultalbum zu tun. Wer sich jetzt aber auf ein Progressive Death Metal/Fusion Album freut, den muss ich leider enttäuschen. Mit AEON SPOKE sind die Jungs auf die ruhigere Schiene übergegangen und spielen melancholischen Art-Rock, der nicht selten an Bands wie Coldplay oder Blackfield erinnert. Und jedem, dem diese Richtung zusagt, kann ich mit Freude mitteilen, dass die Jungs auch auf dieser Ebene sehr gute Arbeit leisten.
Noch eine kurze Anmerkung zum Album: AEON SPOKE haben in ihrer Heimat und England ihr Debüt „Above the Burried Cry“ bereits 2005 veröffentlicht. Das nun in Rest-Europa erscheinende „Aeon Spoke“ enthält drei neue und 7 Songs des Debüts.
Wenn ich sage, der Opener „Cavalry of Woe“ gibt die Marschrichtung des ganzen Albums vor, kann das ruhig wörtlich genommen werden, schließlich beginnt das Album mit den Marschgeräuschen einer Kavallerie. Der Song klingt voll und Paul Masvidal einfühlsame Vocals nehmen einen gefangen. Ab und zu arbeitet die Band mit leicht elektronisch verzerrtem Gesang, was aber auch die einzige Parallele zu Cynic ist und hier auch nicht so überzogen eingesetzt wurde. Nach dem ersten neuen Song, folgt mit „No Answers“ ein Song, der bereits auf „Above the Burried Cry“ enthalten war. Bei diesem Lied und bei „Sand And Foam“, dem zweiten Neuling, fällt einem die sehr gute, aber nie aufdringliche Schlagzeugarbeit des Sean Reinert das erste Mal bewusst auf, die Qualität bleibt das ganze Album über auf diesem hohen Niveau.
Hört man den Einstieg von „Nothing“ muss man unweigerlich an Coldplay denken. Ähnlich wie die Briten bauen auch AEON SPOKE eine warme, melancholische Atmosphäre auf, im Gegensatz zu Coldplay klingt der Sound auf „Aeon Spoke“ aber voller und teilweise sogar emotionaler und ist garniert mit einigen technischen Spielereien. Mit „The Fisher Tale“ folgt der dritte und letzte der „europäischen“ Songs, der mit einer gesprochenen Passage beginnt und sich Zeit nimmt, Stimmung aufzubauen. In der Mitte der Platte dürfte jedem klar werden, dass hier keine Partymusik vorliegt. Die Songs sind ruhig, gefühlvoll und wirken sehr persönlich. Auch wissen die Amerikaner durchwegs zu überraschen. So endet „Emmanuel“ mit einer Passage, die klingt als sei sie über ein altes Telefon gesprochen worden, was sogar etwas beklemmend wirkt. Auch Pianofetischisten dürften ihre Freude an dem Album haben. Wurde es bis jetzt hauptsächlich zur Untermalung eingesetzt, spielt es bei „Grace“ die Hauptrolle. Mittlerweile hat man zwei Drittel des Albums durch und man fragt sich, wo die Zeit hingekommen ist. Aber es fehlt ja noch ein richtig hartnäckiger Ohrwurm: Dafür sorgt der Refrain von „Pablo At the Park“. Hier ist auch noch mal Paul Masvidals Gesang hervor zu heben, der die Frage aufwirft, warum er diesen bei Cynic dermaßen verfremden musste? Fast schade darum. Die abschließenden Stücke „Yellowman“ und „Silence“ enttäuschen ebenfalls nicht. Beide sind noch mal richtig schön verträumt und bieten jeweils wieder eigene soundtechnische Aspekte, die es für die Hörer zu entdecken gilt.
Gut, dass das Album noch in der etwas kälteren und finsteren Zeit des Jahres erschienen ist, in der man es sich mit dem Album in der warmen Stube bei einem Gläschen Wein gemütlich machen kann, um auf das triste Wetter draußen zu blicken. Die Jungs strahlen mit „Aeon Spoke“ sehr viel Gefühl aus, jeder Song weiß auf seine eigene Art zu gefallen. Viel Negatives gibt es nicht zu berichten: Der ein oder andere mag anmerken, dass 10 Tracks mit einer Spielzeit von 3 bis 5 Minuten vielleicht etwas wenig sind, doch diese knapp 40 Minuten vergehen wie im Flug.
Wertung: 8 / 10