Fällt der Name NOSTRADAMEUS gibt es drei verschiedene mögliche Reaktionen: „Meinst du nicht Nostradamus?“, „Was fürn Keks?“ oder „Ach, das ist doch diese schwedische Power Metal-Band!“ Letztere Reaktion war leider seltener der Fall, als ich mir dies gewünscht hätte, denn NOSTRADAMEUS machen durchaus hörenswerte Musik – allerdings haben sie damit hier in Deutschland offensichtlich noch kein allzu breites Publikum erreicht. Daher war der Fall klar: Hier ist Aufklärung nötig! NOSTRADAMEUS existieren seit 1998 und haben bis dato vier Volllängenalben veröffentlicht. „The Prophet of Evil“ war das zweite Album der fünf Schweden und bietet Power Metal erster Güte, verteilt auf 53 Minuten.
Ein Blick in das Booklet hinter dem stimmigen Cover offenbart, dass die Scheibe eine Geschichte erzählt. Kurzer Abriss: König, der ein weit entferntes Land regiert, wird von bösem Berater vergiftet, Berater lässt den Prinzen in den Kerker werfen, Prinz befreit sich und rüstet zum Kampf gegen den falschen Ratgeber. So weit, so gut, sonderlich originell ist das nicht, doch es wird recht ansprechend umgesetzt, ohne mehr Klischees als nötig zu bedienen, und auch auf solche Stilmittel wie mittelalterliche Einsprengsel wird verzichtet, ebenso fast völlig auf den Einsatz eines Keyboards, was das Album vor möglicher „Verkitschung“ durch künstliche Streicherensembles und solche Sachen rettet. So bleiben also nur die „klassischen“ Instrumente – doch die bieten einiges!
Wie schon gesagt, wird hier Power Metal gespielt, und zwar in wirklich guter Weise. So ziemlich alle Songs bieten simple bis raffinierte ein- oder zweistimmige Gitarrenmelodien, fesche Gitarrensoli, Double Bass-Läufe, „Ohoho“-Chöre („Gathering Resistance“) und weitere Elemente, die den Instrumentalfetischisten zu Glücksgefühlen verhelfen. Dazu gesellt sich die zwar nicht wirklich dunkle, aber sehr angenehm situierte Stimme von Freddy Persson, die keinerlei Merkmale von Eunuchengesang (nicht falsch verstehen, Eunuchengesang kann auch fein sein, aber etwas Abwechslung ist toll!) aufweist und so zu keiner Zeit auf die Nerven zu gehen droht.
Neben den meist recht ähnlichen, aber sehr soliden Liedern und einem gelungenen Europe-Cover („Scream of Anger“) finden sich drei Besonderheiten. Zum ersten wäre da das Intro, das bedrohlich düster daherkommt und eine kleine Erzählpassage bringt… hm, ich weiß nicht, ich musste irgendwie schmunzeln. Zum zweiten steckt hinter „Requiem (I will honour thy name)“ eine tolle, gefühlsgeladene, aber (für meine Ohren) erstaunlich kitschfreie Ballade.
Die dritte Überraschung hat es gewaltig in sich: „The Final Battle“ (durch diesen Song als Gitarrentabulatur wurde ich auf die Band aufmerksam, nur nebenbei) ist ein fast zwölfminütiges Power Metal-Epos, das nach einem ruhigen Intro mächtig loslegt. Alle Stärken kommen hier nochmal zum Vorschein: Die tollen Gitarrenmelodien und -riffs, starke Gesangslinien, Soli, bei denen einem die Zunge raushängt und eine gesunde Portion Dramatik. Jessas, so macht das Spaß!
Insgesamt ist „The Prophet of Evil“ also eine verdammt starke Scheibe, die ich jedem Fan von Bands wie Edguy, Mystic Prophecy oder auch Falconer ans Ohr legen kann. Hört einfach mal rein, es lohnt sich!
Wertung: 8.5 / 10