Hoch lebe der Hardrock! Der Hardrock ist tot!!
Zweifellos: Im melodischen bis harten Rockbereich findet heute kaum Innovation mehr statt. Das Genre existiert, ist gegenüber anderen Spielarten in den Hintergrund getreten, hat aber dennoch seine Anhänger, die fleißig die Veröffentlichungen abgreifen, genießen, hoch loben und sich gar nichts anderes wünschen, als nur noch mehr davon.
Oft sind es die „alten Hasen“ die die Flagge hochhalten und das Genre retten, wie Michael Bormann, der einstige Sänger von Jaded Heart, der dieses Jahr nicht nur ein Soloalbum veröffentlicht, sondern auch auf den neuen Platten von Zeno und RAIN mitmusiziert hat. Das aktuelle RAIN Album trägt den Titel „Stronger“ und erscheint dieser Tage über MTM Music. Auf diesem übernimmt Michael Bormann nicht nur den Gesang, sondern auch die Keyboard- und Bassarbeit. Im Gegensatz zum Rain-Debüt „House Of Dreams“ (2002) entstand der Zweitling in Bormanns eigenen Studios in Duisburg, wo sich aus einer Auftragsarbeit richtiges Bandfeeling und gemeinsames Songwriting entwickelte. „Stronger“ ist deshalb mehr den ein Album einer richtigen Band.
Darauf zu finden: Elf neue Nummern, die nicht nur erstaunlich catchy, melodisch und eingängig sind, sondern vor allem eins bieten: Einen Parforceritt durch die gesamte Stilbreite der melodischen Rockmusik! Das fängt bei den beiden stampfenden, hardrockigen Eröffnungsnummern „Do You Like It“ und „Insobriety“ an, kreuzt bei „Crazy“ und „I’d Die For You“ nicht nur einmal vor allem gesanglich sanftere Bon Jovi, um dann mit „Flesh & Blood“ oder „The Other Side“ wieder gute alte Mitsing-Hymnen für den Hörer bereit zu halten. Genauso wie „Love Is By Your Side“ sollte „The Other Side“ dabei auch Kuschelrock-kompatibel sein. Tempomäßig bewegt sich das Material eher im balladesken und Midtempo-Bereich, was jedoch auf aufgrund der tollen Gesangsmelodien rein gar nicht stört. Michael Bormann zeigt einmal mehr, dass er zu besseren deutschen Rocksängern gehört – ihm steht hartes wie gefühlvolles Material gleichermaßen, dabei wirkt seine Stimme jederzeit unanstrengend und nimmt den Hörer an die Hand. Auf „Stronger“ sind schon eine ganze Menge toller, warmer, harmonischer Passagen vorhanden, die jedoch keineswegs altbacken oder öde rüberkommen, wie bei so vielen der heutigen Melodic Rock-Releases.
Seine norwegische Begleitmannschaft an den beiden Klampfen und dem Schlagzeug gibt sich äußerst solide und stellt ihr Können ganz klar in den Dienst der Songs – es gibt nette Soli hier und da, doch also zuviel darf man hier nicht erwarten. Dennoch klingt „Stronger“ vor allem in der ersten Hälfte recht modern, was der Band meiner Ansicht nach in der heutigen Hardrock-Welt durchaus hoch anzurechnen ist. Gegen Ende geht der Platte etwas die Luft aus, es fehlt vielleicht an der ein oder anderen rockigeren Nummer im hinteren Drittel. Dennoch bleibt unter dem Strich ein gelungenes Melodic Rock-Scheibchen, das die Vorlieben eines jeden Melodic Rock-Fans gut bedienen sollte. Ich persönlich hätte mir gern etwas mehr Mut auf instrumentaler Seite gewünscht, wie es z.B. The Sign auf Alben wie „Signs Of Life“ gut hinbekommen haben. Aber das mag vielleicht einfach nur der Wunsch eines Progfans sein, der auch gern mal Melodic Rock hört! Macht Laune!
Wertung: 7 / 10