THE PINEAPPLE THIEF fristen, zumindest aus Sicht des Metal-Hörers, ein Schattendasein hinter ungleich erfolgreicheren Bands ähnlichen Genres wie Anathema, Blackfield oder Porcupine Tree. „All The Wars“ zeigt, dass dies zwar einerseits ungerecht, andererseits aber dennoch irgendwie plausibel ist.
Denn der Nachfolger des 2011er Albums „Someone Here Is Missing“ ist an sich durchaus ein ansprechendes Album. Dass der Prog-Faktor, der gerne für die Band in Anspruch genommen wird, nicht wirklich vorhanden ist, erweist sich dabei als wohltuend: Geradlinige Nummern garantieren Eingängigkeit, man klingt natürlich und eben nicht überambitioniert. Wichtigste Komponente für die Erzeugung des melancholischen, aber fast durchweg entspannten Sounds auf „All The Wars“ sind neben der unkomplizierten Stimme Bruce Soords vor allem Streicher, die der Musik Tragweite verschaffen. Gerade die ruhigeren Nummern wie „All The Wars“ oder „One More Step Away“ gewinnen durch die zarten Melodien an Tiefe und Bedeutung.
Macht diese Gangart glücklicherweise den Großteil des Albums aus, stehen daneben – leider – auch einige Rocker a la „Give It Back“, die weitgehend mit simplen Gitarrenriffs auskommen. Eben dieser Song zeigt exemplarisch, warum diese Gangart den Briten nicht gut zu Gesicht steht: Die E-Gitarren sind selten einmal für sich wirklich überzeugend, zumeist klingen sie viel eher plump und gewollt hart, womit die ruhigen, bedeutungsschwangeren Momente voriger Songs wieder relativiert werden. „Give It Back“ wird folgerichtig auch erst groß, als gegen Ende wieder Streicher hinzugenommen werden und der Song dadurch atmosphärisch an Fahrt aufnimmt. THE PINEAPPLE THIEF packen den Hörer nur dann wirklich, wenn das Soundgewand sich weitgehend auf Akustikgitarre, eben die genannten Streicher und hintergründige, füllende Effekte beschränkt. Wenn „All The Wars“ gleichzeitig schlicht und detailreich ist und die Komponenten spielerisch ineinander fließen, macht es wirklich Spaß und dringt in sphärische, träumerische Dimensionen vor, ohne aufgesetzt zu wirken. Versucht es aber, irgendeine Form von Aggression oder Härte zu vermitteln, verfehlt es den angestrebten Effekt vollkommen und reißt den Hörer lediglich aus der angenehm schwelgenden Atmosphäre.
Ein Album, das definitiv besser wäre, wenn man sich einige Nummern gespart hätte. Dass dies auch ohne Probleme funktioniert hätte und dennoch genug Facettenreichtum vorhanden gewesen wäre, zeigt der großartige Neunminüter „Reaching Out“, der sich von unheilvollen, intimen Momenten zu einem dramatischen Finale steigert, ohne dabei auch nur einmal in diesem Sinne hart zu werden. Hier beweisen THE PINEAPPLE THIEF große Songwriter-Fähigkeit, mit dem so natürlichen (und wiederum gerade nicht verspielt-progressiven, sondern sehr kompakten) Spannungsbogen, der hier geschlagen wird, braucht man sich vor keinen Genre-Kollegen verstecken.
Leider ist aber eben auch Ausschuss-Ware vorhanden auf „All The Wars“, weshalb es schlussendlich auch im direkten Vergleich mit den aktuellen Alben der eingangs genannten Referenz-Bands nicht ganz mithalten kann. Dennoch haben THE PINEAPPLE THIEF hier einige wirklich starke Nummern mit genialen Momenten geschrieben, die für Fans der Richtung in jedem Fall hörenswert sind. Man darf hoffen, dass die Band auf dem nächsten Album die richtigen Konsequenzen zieht.
Wertung: 7 / 10