Schon mit dem 2004er-Debüt „Wound Creations“ konnten mich die finnischen Technik Death/Thrash Metaller mehr als nur überzeugen. Der Stil war stets sehr eigenwillig gehalten, eine unvergleichbare Combo aus melodischen und technischen Riffs gepaart mit Brutalität und Eingängigkeit. Was AMORAL jedoch auf „Decrowning“ abliefern, spreng diesen Ramen noch einmal um ein Stück. Ich hätte kaum gedacht, dass innerhalb eines Jahres erneut ein Album zustande kommt, das den Erstling erreicht, sogar derartig toppt. Insgesamt ist es schon sehr beendruckend, mit welchem Material die Finnen zu Beginn schon eingestiegen sind. Amoral haben erneut ein unkonventionelles Death Metal Album geschaffen, das im Vergleich zum Vorgänger aber, besonders bei der Gitarrenarbeit, noch ausgereifter wirkt, was teilweise kaum vorstellbar ist. Auf der anderen Seite wurde die Brutalität öfter gegen eingängige Melodiebögen ausgetauscht, was dem Gesamteindruck aber nichts abtut. Im Gegenteil, im Gesamten wirkt die Platte noch frischer und eigenständiger.
„Showdown“ legt unmittelbar mit einem melodischen death-thrashigen Killerriff und mehr als nur passendem Drumming los, auch das technische Element kommt nicht zu kurz. Schon innerhalb der ersten paar Minuten herrscht rege Abwechslung, was natürlich eine Anfangseuphorie auslöst, welche jedoch nicht droht, abzuglimmen. Leider, und da sind wir auch schon beim ersten Kritikpunkt, ist der Gesang nicht mehr ganz so gut produziert wie auf „Wound Creations“, das Gegröle kommt also nicht mehr derartig gut zur Geltung, insgesamt ist das aber kaum als Kritikpunkt zu sehen, denn Amoral machen dieses Manko mit großartigem Riffing und Melodien wett. Angst vor einem Absturz muss man nicht haben, im Gegenteil, denn „Lacrimal Gland“ schlägt wieder genau in die Kerbe, wo es hinschlagen sollte. Jedes einzelne Element der Songs zu erwähnen wäre Wahnsinn, da der Fünfer durchgehend eine – meiner Meinung nach – in dieser Form nie dagewesene Mischung erzeugt. Ich wage nichtmal, mich auf einen durchgehenden Stil festzulegen, denn hier ist das Beste aus Death, Thrash und Melodic Death Metal vertreten, was aber wohl kaum ausreicht um die Musikrichtung Amorals zu beschreiben. Der Titelsong weiß ebenfalls als Thrash- und mit Blastbeats unterlegte Deathattacke, vereint mit klaren Gitarrenpassagen zu überzeugen. Schon hier frage ich mich, was man denn noch arg viel besser machen kann.
„Tiebreaker“ ist die Antwort. Lange habe ich keinen derartig genialen, melodischen, technischen, brutalen und eingängigen Song gehört. Dieser Titel fällt wohl in meine persönliche Auswahl der Songs des Jahres. Was man hier auf die Ohren bekommt ist mehr als nur gut, wohl eher genial und wer hier noch an der instrumentaltechnischen Kompetenz des Fünfers zweifelt, den kann ich wirklich nicht verstehen. Und auch weiterhin muss man keine Furcht hegen, es könnte sich irgendetwas wiederholen, Amoral prügeln sich im höchsten Stile weiter durch. Zu nennen sei einmal nur der Groove in „Denial 101“, die teils sogar düstere und melancholische Atmosphäre in „Control Cancer“ oder das – leider sehr kurze – Instrumental „Warp“, das die klare Melodie aus dem Titeltrack auf eine superbe Weise fortsetzt, bevor der Rausschmeißer „Bleeder“ ein letztes Mal zeigt, wie diese Musik zu klingen hat.
Amoral haben für mich einen neuen Musikstil geschaffen. Ich habe noch nie zuvor bei einer Band eine so große Intensität entdecken können. Nachdem bewiesen wurde, dass sich Amoral nicht auf den Lorbeeren eines sehr guten Albums ausruhen, traue ich ihnen bezüglich des nächsten Albums alles zu. Bis auf den Gesang, der leider ein kleines bisschen unterproduziert wirkt, kann man nicht mehr viel besser machen, was wohl auch Skepsis hervorrufen kann. Dass Amoral anfangen, sich selbst zu kopieren, wie es bei vielen Bands, die einige exzellente Alben am Stück veröffentlichen, der Fall ist und war, zweifle ich – wie schon erwähnt – stärkst an. Moderner Death Metal auf allerhöchstem Niveau. So helft mir … Wo zur Hölle ist hier der Haken?
Wertung: 9.5 / 10