Die fünf Finnen von CHARON haben in den letzten Jahren einen derben Stilwandel vollzogen. Hatten sie noch als eine Band angefangen, die deutlich im Death Metal verwurzelt war, klang bereits ihr zweites Album „Tearstained“ eher nach Melodic Metal. Mittlerweile scheint das Quintett seinen Sound endlich gefunden zu haben und ist mit „Songs For The Sinners“ im Gothic Metal angekommen.
Leider scheinen sie sich hierbei die Weichspül-Rocker von HIM zumindest teilweise zum Vorbild genommen zu haben. Zumindest die beiden Tracks „Gray“ und „Rust“ legen dies Nahe. Das seichte Riffing, die Drum, die sich im Hintergrund hält, die Breaks und sogar die Gesanglinien von J-P. Das klingt doch alles arg nach den Popsternchen. Grauenvoll!
Überraschnderweise geht aber einer dieser Tracks, nämlich „Rust“ ohne Unterbrechung in eines der besten Lieder des Albums über: „House Of The Silent“ ist eine wunderschöne Ballade. Das Cello-Spiel von Marko Manninen und das Duett zwischen J-P, der hier beweist, was er wirklich auf dem Kasten hat, und Backround-Sängerin Jenny Heinonen sorgen gemeinsam mit der süßlichen Melodieführung für Gänsehaut. Zugegeben: Das ist schon sehr nahe am Kitsch, aber irgendwie transportiert dieses Lied auf der anderen Seite Emotionen pur.
Ihre besten Momente haben CHARON sowieso, wenn sie experimentieren. So taucht zum Beispiel in „Bullet“ nicht nur erneut das Cello auf, sondern auch eine Hammond Orgel kommt hier zum Einsatz und lässt den Hörer in seligen Hard Rock Zeiten schwelgen, um ihn gleich darauf mit mächtigen Riffs wieder ins hier und jetzt zurück zu holen.
Überhaupt scheint das mächtige und tiefe Riffing eine Spezialität der beiden Gitarristen Lauri Tuohimaa und Pasi Sipilä zu sein. Denn viele der Tracks, ich will hier einmal nur den Opener „Colder“ und das anschließende „Deep Water“ nennen, leben von der Dynamik, die aus dem Unterschied zwischen den ruhigen Strophen und den krachenden Refrains mit ihrem Riffing erzeugt wird.
Die erste Single vom kommenden Album ist dann schließlich „Ride On Tears“, eine fast schon fröhliche Up-Tempo-Nummer, die leider zwischendurch auch mal wieder an HIM erinnert. Lediglich der Einsatz von Backround-Sängerin Jenny und die tolle Melodieführung bewahren diesen Titel vor der triefenden Süßlichkeit, welche die genannte Referenzband so schlecht macht.
Die restlichen Titel „Rain“, „Air“ und „She Hates“ bieten eher durchschnittlichen Gothic Metal mit den bekannten Elemente: flächendeckende Riffs, eher gemäßigtere Gangart und süßliche Melodien. Jedoch sorgen CHARON immer wieder für kleine Einsprengsel, wie den erneuten Hammond-Einsatz in „Rain“, die dafür sorgen, dass dem Höhrer nicht langweilig wird. Der Backround-Gesang, der in der Kombination mit J-Ps eher tiefen Stimme richtig geil kommt, tut sein Übriges.
Aber was bleibt am Ende? Eine Gothic Metal Band, die arg aufpassen muss, dass sie nicht wie bekannte Bands klingt und in Pop-Gewässer abdriftet. Dabei sind auch durchaus, ich würde sagen sogar überwiegend, gute Momente auf der Scheibe vorhanden. Und über die Qualität des gesanglichen Wechselspieles habe ich mich ja schon ausgelassen. Vielleicht sollten die Fünf überlegen, ihre Band um Jenny zu erweitern. Denn dank ihr und einiger interessanter Experimente klingen CHARON so gut. Ganz zu schweigen von der amtlichen Produktion. Aber was will man aus den ehrwürdigen Finnvox Studios auch anderes erwarten? Es bleibt ein doch recht kruzweiliges Stück Gothic Metal, das zwar nicht immer frei von Klischees ist, aber doch eine grosse Qualität und noch mehr Potential erkennen lässt. Eine Sieben!
Wertung: 7 / 10