Review Kaipa – Mindrevolutions

Flower Kings-Chefdenker Roine Stolt spielt, so scheint es zumindest, heutzutage auf jeder zweiten Progressive Rock-Platte mit. Denn neben seiner Stammband gibt bzw. gab es auch noch Transatlantic, The Tangent, Karmakanic, Soloalben und eben KAIPA. Bei solch einer Veröffentlichungsflut könnten schon einmal Zweifel an der Qualität der Werke aufkommen. Im Falle von Roine Stolt sind diese aber völlig unbegründet, wenn man von dem Fakt absieht, dass alle Platten einen recht ähnlichen Grundsound haben, was jedoch nur auf sein äußerst charakteristisches, weiches Slidegitarrenspiel zurückzuführen ist.

KAIPA ist nicht nur ein weiteres Nebenprojekt, sondern eigentlich der Ursprung Stolts. Hier begann er in den 70er Jahren als Gitarrist, ehe die Band Anfang der 80er zerbrach und er sich vorübergehend dem Pop zuwandte. Im Jahre 2002 kam es dann zu einer Auferstehung der Band mit dem Album „Notes From The Past“, wobei jedoch nur Stolt und Keyboarder Lundin von der Originalbesetzung dabei sind. Flower Kings-Kollege Jonas Reingold bedient den Bass, Patrik Lundström von Ritual übernimmt die Vocals. Bereits 2003 folgte mit „Keyholder“ der nächste Streich. Nun liegt „Mindrevolutions“, das dritte Werk der „neuen“ KAIPA, auf den Ladentischen.

Charakteristisch für die Musik von KAIPA ist insbesondere der Einfluss des schwedischen Folk und die große Melodiösität des Materials. In den 80 Minuten von „Mindrevolutions“ findet man kaum eine Passage, die gewollt schräg oder verquer rüberkommt. Symphonischer Progrock dient hier eindeutig als Grundgerüst, ohne besonders kopflastig zu wirken. Zuckersüße Melodien, teilweise auch im Duett von den beiden Gesangsstimmen vorgetragen, projizieren eine „Schöne-Welt-Stimmung“, ebenso übertrieben fröhlich, wie auch nachdenklich, aber immer episch und mit einer seltsam friedlichen Ausstrahlung. Wärme wird bei KAIPA ganz groß geschrieben. Das Material stammt übrigens, mit Ausnahme mancher Songtexte, aus der Feder von Keyboarder Lundin, erst durch die Interpretation von Stolt kann man Ähnlichkeiten mit den Flower Kings ausmachen. Andererseits hat die frühere Musik von KAIPA sicherlich einen großen Einfluss auf das Songwriting von Stolt gehabt, welches wir nun bei den Flower Kings hören.

Gerade die erwähnten zuckersüßen Melodien könnten es dabei einigen Hörern erschweren, mit den Songs klarzukommen. Der Kitschfaktor durchbricht fast das Skalenende. Ein Vergleich von „Mindrevolutions“ mit früheren Alben der zweiten KAIPA-Inkarnation kann insbesondere bei den ersten Hördurchgängen eher negativ ausfallen. Das neue Album konzentriert sich nämlich vornehmlich auf ein homogenes Gesamtbild, einzelne Songs wollen erst entdeckt und erarbeitet werden und lassen sich nicht sofort erschließen. Denn neben den schönen Gesangsparts gibt es eine Unmenge an Instrumentalparts, die teils improvisiert sind und recht hohe Ansprüche an den Hörer stellen. Dies fällt insbesondere beim 25-minütigen Titeltrack auf. Kürzere Songs wie „Electric Leaves“ und „Flowing Free“ lassen sich da schon schneller erfassen. Insbesondere Letzteres halte ich für ein wunderschönes, zeitloses Kleinod, welches wiedereinmal beweist, dass gute Musik oder Progressive Rock nicht zwingend Longtracks benötigt.

Am Ende der langen Reise hat man tatsächlich eine Art „Mindrevolution“ durchgemacht. So gewinnt das Album nach einigen Hördurchgängen deutlich, was hier schließlich zu 2,5 Punkten mehr führt, als anfänglich gedacht.
Wer Retroprog voller Hingabe und Wärme mag, muss hier unbedingt zugreifen. Metalfans sollten vielleicht wissen, dass es lediglich 20 Sekunden lang hardrockiges Riffing gibt und das Songmaterial hauptsächlich aus Midtemposongs besteht.

Wertung: 8.5 / 10

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