Industrial Black Metal würde ich zwar als Genre anführen, aber eigentlich ist es schonfast keine Musik mehr, was AXIS OF PERDITION hier mit dieser EP bieten. „Physical Illucinations in the Sewer of Xuchilbara“ist vielmehr der Soundtrack zu einem Psycho-Thriller oder Horrofilm der Extraklasse, der noch nicht gedrehtwurde. Andrerseits erwartet einen hier eine Knüppelorgie, wie sie im Buche steht, so dass das ganze doch schon wiedermehr in Richtung Musik geht, die von einer Pechschwärze durchtränkt ist, dass man sich am liebsten unterm Sofaverstecken möchte. Eine Verzweiflung, die an Intensivität kaum größer sein könnte, zieht sich wie ein roter Faden durch die einzelnenSongs, ausgedrückt durch die Schreie, die in der Musik untergehen, von ihr verschlungen werden.
Aber beginnen wir von vorne:Knarrende Geräusche, das Aufheulen einer Sirene, fest steht gleich zu Beginneins: Dies wird kein lustiger Spaziergang durch die folgenden 30 Minuten Klangerlebnis. „Interference from the other side“stellt eine Art Einführung, ein Einstellen auf das ganze dar. Hier wird noch keine Musik geboten, dafür ein Szenariohergestellt, welches düster und bedrohlich wirkt. Da man sich alles vorstellen muss, wird der Fantasie auch keine Grenzen gesetzt.Sei es eine alte, leere Industriefabrik, eine stürmische Nacht in einem großen Schiff auf hoher See – den Ort kann mansich selbst aussuchen, in dem das Grauen vor sich geht.
Nach etwa viereinhalb Minuten ertönt dann endlich eine menschliche Stimme,die einer Frau, doch ihre Worte sind nur kurz und verheißen nichts gutes. Denn „Where the World becomes flesh“ versetzt einenin die tiefsten Abgründe eines Menschen, das Chaos übernimmt die Kontrolle, eine verzweifelte Seele schreit sichdieselbige aus dem Leib, während sich im Vordergrund wildes Geknüppel in die Gehörgänge bohrt und einem den Atem stocken lässt. FünfMinuten lang wird das Gehirn mit aller Schwärze malträtiert, die man sich vorstellen kann. Wer sich dennoch ein wenig aufdie Musik konzentriert, wird erkennen, dass es sich hier nicht nur um unkontrolliertes Gekloppe handelt, sondern auch einige“nette“ Melodien zu vernehmen sind. Jedoch geht es hierbei keinesfalls darum, dem musikalischen Treiben zu folgen, sondern ehersich sein eigenes Horror-Szenario in all seiner Grausamkeit vorzustellen, was einem angetrieben durch dieses Klangerlebnisdoch relativ leicht fallen dürfte. Denn auch im nächsten Song „Pendulum Prey – Reciprocating“ wird das Tempo nichtgedrosselt, dafür sind die Vocals jetzt besser zu hören und so von Hoffnunglosigkeit und Verzweiflung zerfressen, dass man denSchmerz grade zu mitfühlt, Wahnsinn wie emotional die Stimme in diesem Klangkosmos klingt. Zwar ist sie größtenteils verzerrt,aber die Schreie brennen sich dafür für immer in das Gedächtnis des Zuhörers ein. Sechs Minuten lang muss man sich diesen Qualenaussetzen, bevor eine männliche Stimme das ganze unterbricht und einem erneut klar macht, wie hoffnungslos die Situation ist.
„Reopening Wounds of the Transition Hospital“ leitet dann wieder mit Sirenen und dem Knarren, Klirren und Klacken vonirgendwelchen Gegenständen über zum Finale: „Heaving Salvation in the Paradise of Rust“ startet jedoch ruhig, langsam und mitdüsterer Grundhaltung, eine Stimme im Hintergrund trägt zu dieser Düsternis noch ihren Teil bei und so verstreichen die erstenvier Minuten des Songs, während man sich selber wieder ein Schreckensszenario dazu ausmalen kann, ein dunkler Ort, an demman alleine ist, ganz alleine, abgeschieden von jeglicher Realität und Menschendasein. Die nächsten zwei Minuten erzählt einjunger Mann mit verständlicher Stimme, was los ist. Zum Ende des Songs hin fangen dann wieder Sirenen an aufzuheulen und dasApokalypse-Szenario liegt nahe; so wird dann auch Noch mal losgeknüppelt, was das Zeug hält und der Schlussteil ist an Chaos undtotalem Wahnsinn kaum zu überbieten. Die Stimme, die das ganze unterstützt, klingt so, als würden ihr grade am lebendigenLeib die Organe herausgenommen, man kann sich einfach nicht vorstellen, was für einen unendlichen Schmerz sie fühlen muss. Undsomit endet auch „Physical Illucinations in the Sewer of Xuchilbara“ und lässt einen zurück mit einem Gefühl der purenHoffnungslosigkeit und des Verlorenseins.
Willensstärke ist da schon gefragt, sonst wird man sich nach dieser EPvielleicht noch was schreckliches antun.Axis of Perdition haben es wirklich geschafft emotionale Tiefgründigkeit,Chaos und brachiale Musik unter einen Hut zu bringen. Was hier abgeht, ist der schiere Wahnsinn, fesselt einen über diegesamte Spielzeit und lässt den Zuhörer eine Fantasiewelt vorstellen, in der es Worte wie Freude oder Sonnenschein nichtgibt. Stattdessen regieren hier Verzweiflung, Dunkelheit und Einsamkeit, die zusammen die perfekten Zutaten für eine Reiseins innere Ich darstellen, eine Reise, die man sein Leben lang nicht vergessen wird. Vom musikalischen Aspekt her wirdjedoch auch genügend Material dargeboten, dass sich der Kauf so oder so lohnt; gewisse Parallelen zu Anaal Nathrakh könnte manziehen, was das Tempo und die Vehemenz anbelangt, jedoch ist die Atmosphäre bei Axis of Perdition natürlich eine völlig andre.Dennoch ist es eine wahre Freude, dem hochgradigen Geknüppel zuzuhören, wenn man sich nur auf die Musikkonzentriert. Da kann schon mal ein ganzer Song lang das Gaspedal angeschlagen werden, denn im Detail erkennt man, dass das ganzenicht einfach nur auf primitives Geballere ausgelegt ist, sondern schon gewisse Strukturen vorhanden sind, welche sich immerwieder abwechseln und keinesfalls langweilig werden. Somit ist „Physical Illucinations…“ eine Kaufempfehlung für jedenaufgeschlossenen Hörer, der sich nicht nach dem ersten Durchhören sagt: „Das ist doch keine Musik, das ist Lärmbelästigung!“.Auseinandersetzen muss man sich nämlich schon eine Weile mit dieser EP, bis der Funke überspringt, aber lohnen tut es sich aufjeden Fall.
(COF)
Wertung: 9 / 10