Review Behind The Scenery – Rétroviseur

Hinter den Kulissen, wenn das mal nicht gelogen ist. Zumindest wurde beim Sound der Göppinger Band BEHIND THE SCENERY sicher der ein oder andere Effekt im Studio dazugeschummelt, was dem Gesamtsound jedoch nur Pluspunkte bringt. Aber wieso fang‘ ich eigentlich mit der Produktion an? Schauen wir uns doch erstmal die Schwaben genauer an. 1996 wurden BEHIND THE SCENERY aus den Überresten einer Thrash Combo gegründet jedoch wusste man, dass man nun einen ganz anderen Weg gehen würde. Nach 2 weiteren Alben liegt nun das Ergebnis dieses Entschlusses vor: „Rétroviseur“. Ein melodisches Death Metal Fest das eingängig wie auch progressiv ist, es hält sich sozusagen die Waage zwischen 2 Extremen.

Das Album beginnt mit dem Titelsong „Rétroviseur“ der gleich zu gefallen weiß da durch eine immer wiederkehrende Melodie irgendwie ein roter Faden erzeugt wird der einen durch den Song führt. Hier merkt man schon die genialen zweistimmigen Gitarrenriffs und den treibenden Bass. Das einzige was am Anfang etwas stört ist die Stimme, denn nachdem Metalcore ja ganz populär wurde ist man solchen Stimmen gegenüber vorsichtig geworden. Doch dazu später mehr.
Denn jetzt folgt „Me And The Sun“ das irgendwie eine Mischung aus At The Gates und Disbelief zu sein scheint. Auf den Punkt gebrachtes Drumming das nie zu schnell oder zu langsam zu sein scheint harmoniert hier perfekt mit den Gitarren und diesmal passt die Stimme auch einfach dazu. Erinnert stellenweise an Chuck Schuldiner, nicht die Gesangsart aber wie Sänger Speidel seine Stimme einsetzt.
Nachdem die Sonne dann endlich untergegangen ist folgt „Journey“ – eine musikalische Reise nach Melodic Death Land. Das wunderbare an BEHIND THE SCENERY ist, dass sie wohl ihren ganz eigenen Stil gefunden haben und diesen zu perfektionieren scheinen. „Journey“ zeigt dies exzellent, in diesem Song werden wieder Melodien verbraten die einfach nur wunderbar klingen, eine Stimme die aggressiver kaum klingen kann.
Dann folgt der Ausnahmetitel auf RÉTROVISEUR: „Queen Of The Swans“. Das Riffing erinnert schon ab und zu an Opeth, jedoch singt hier die Gastsängerin Isabell Jasse die eine Stimme irgendwo zwischen Marcela Bovio und Sharon den Adel – einfach ein wunderbarer Song der eine gesunde Abwechslung zum Death Metal Cocktail bietet. Hier erwartet einen kein kitschiges Gothic-Gesülze sondern eine erwachsene Stimme die die Akzente dort setzt wo sie hingehören. Gänsehaut-Feeling pur.

Mit „No Second Silence“ tritt man dann wieder auf das Gaspedal und zeigt sich von der Schwedentod Seite mit vielen Breaks. Interessant wäre es BEHIND THE SCENERY einmal live zu sehen und ob sie da ihren Sound wie auch die ganzen kleinen Finessen dieses Albums umsetzen können. Vom Chorus mal abgesehen gibt’s hier im typischen Melo Death Tempo ordentlich was auf die 12 und der Bass wummert nur so vor sich hin. Der besagte Chorus hingegen schleicht vor sich hin und verfehlt damit aber kein bisschen die Atmosphäre. Einfach ein Knaller.
Weiter geht’s dann mit „De-Revelation“ wo man wieder auf die altbekannten, harmonisierenden Gitarren setzt aber auch zeigt, dass man Tapping beherrscht. Manchmal erinnert der Sound aber auch ein wenig an Soilwork, doch viel aggressiver und einfach besser durchdacht als eben jene Band die sich anhört wie jede andere Melo Death Combo aus Schweden. BEHIND THE SCENERY bringen hier frischen Wind in eine Szene die langweilig wurde.
„Human 2.0“ beginnt erst mit leichten Akustikgitarren um dann für eine wundervolle Melodie Platz zu machen die durch die Stromgitarrenfraktion hörbar gemacht werden. Sänger Speidel zeigt hier endlich mal sein Sprektrum an Gesangsarten. Von Screams bis Growls verteilt er großzügig seine Worte und es passt einfach immer. Und immer wieder diese kleinen Spiele mit den Akustikpassagen.

Dann gibt es mal ein neues Instrument, das Klavier. „Response To Solitude“ fängt ziemlich doomig an und geht auch sehr langsam weiter. Hier wird auch ab und zu mal Staccato Riffing dargeboten und später geht der Song dann wieder in die Elchtod-Schiene über. Es ist einfach schön zu hören, dass BEHIND THE SCENERY es immer wieder gekonnt schaffen Parts zusammenzuschustern die so aneinander gereiht einfach scheußlich klingen würden.Bei „Elevation“ darf man dann wieder der wirklich schönen Stimme von Isabell Jasse lauschen die in Französisch ein kleines, verträumtes Lied säuselt. Wie ein stürmiger Herbsttag verfangen sich Wortfetzen in Form von Ahornblättern im Ohr des Lauschenden und hier zeigt die junge Sängerin ihr ganzes Können und ihre Stimmenvielfältigkeit. Drummer Uwe Kurz findet ebenso immer den Mittelweg mit seinem Schlagwerk, es passt einfach immer. Der einzige deutschsprachige Titel, „Fassadenspiel“, geht dann doch wieder recht zügig los und verleitet einen dazu seine Mähne zu schwingen. Irgendwie hat man aber trotz des wunderschönen „Evelation“ die Stimme von Sänger Speidel vermisst. Schwer lässt sich heraushören was da zwar gesungen wird aber das interessiert hier irgendwie auch wenig weil die Musik von BEHIND THE SCENERY für mich nicht zum zuhören gemacht wurde sondern zum Träumen und Nachdenken.
„The Architect“ erinnert dann doch schon sehr an At The Gates zu Slaughter Of The Souls Zeiten. Melodischer Elchtod par excellence! Man könnte meinen die Göppinger haben hier eine Brücke zwischen altbewährten und neuen/progressiven Klängen geschlagen die aber so fest im Strom der Schnelllebigkeit unserer Musikindustrie steht, dass sie scheinbar für die nächsten paar Jahre wie ein Monument dastehen wird.
Das nahezu perfekte Album RÉTROVISEUR endet mit „Late Night“ was wieder sehr verträumt beginnt. Hier kann man auch wieder einen Vergleich zu Opeth ziehen da BEHIND THE SCENERY ebenfalls auf dezente Effekte setzen die hier meist durch Johannes Beidert zu Tage kommen. „Late Night“ ist einer dieser Titel den man wohl so oft hören kann bis einem die Ohren bluten aber man dennoch weiterhören möchte. Irgendwie hofft man auf eine Stimme die einem gut zuredet – hört einfach selbst, vielleicht ihr ja diese Stimme.

Am Ende ist zusagen: KAUFT EUCH DIESES ALBUM! Denn hier gibt es eine nahezu perfekte Mischung aus wüstem Geschrammel, harmonischen Gitarren, Screams, zartem Gesäusel, elektronischen Spielereien die aber nicht ausarten und eingänginem Elchtod – nur das Schlagzeug ist bei der Produktion etwas untergegangen und man findet sich nicht sofort hinein beim ersten Hören des Albums. Ansonsten kann hier aber wirklich jeder zugreifen der nicht auf 08/15-Black Metal oder Ich-grill-mir-deinen-Augapfel-Rülps-Death Metal steht. Wagt also ruhig einen Blick hinter die Kulissen.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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