Review System Of A Down – System Of A Down

1998 tritt eine Band auf den Plan, die endlich wieder frischen Wind in das verkrustete Crossover-Genre bringen sollte. Mit Star-Produzent Rick Rubin im Rücken liefert das (zum Teil armenischstämmige) Quartett names System Of A Down hiermit sein erstes vollwertiges Album ab. Die CD ist schlicht selbstbetitelt, warum, wird gleich beim erstmaligen Durchhören klar: Diese Gruppe hat einen sehr eigenständigen Stil, der sich kaum mit denen vorheriger Bands vergleichen lässt.

Mit „Suite-Pee“ beginnt die Scheibe: schräge Riffs, facettenreicher Gesang und eine Mischung aus Melodie und Härte, die ihresgleichen sucht. Selten hat eine Band dieses Prinzip so perfekt beherrscht wie System Of A Down. Skurril, abgedreht, hektisch, langsam, kurios, laut, brachial, leise – vor allem aber eins: gegensätzlich. Nur so kann man ansatzweise die Musik der vier Kalifornier beschreiben. Die Songs gestalten sich zudem sehr unterschiedlich und abwechslungsreich. So gibt es, neben herzhaften Rocknummern wie „Know“, „Sugar“ oder „War?“, die geniale Halbballade „Spiders“ und das vertrackte „Mind“. „Peephole“ glänzt mit einer fantastischen zirkusartigen Melodie. Dabei bleiben die Merkmale gleich: Erstens – die unverwechselbare Stimme von Tankian (im gelegentlichen Zusammenspiel mit Malakian, der dann aus der zweite Reihe miteinstimmt), die mal aggressiv schreit, dann wieder sanfte Klänge hervorbringt, um schließlich total verrückte und schrille Gesangslagen zu offenbaren. Zweitens – die Riffs und kurzen Solis von Malakian. Spielend wechselt er zwischen harten verzerrten Gitarrenwänden, ungewöhnlichen (orientalischen) Tönen und ruhigen Passagen. Drittens – die mächtigen Schlagzeug-Parts von Dolmayan, die die zum Teil fiesen und überraschenden Tempiwechsel erst ermöglichen, aber zu keinem Zeitpunkt in stupide Knüppel-Orgien verfallen . Viertens – der ergänzend groovende Bass von Odadjian.
Alles zusammen ergibt einen Cocktail voller unbekannter Sounds, die nur darauf warten entdeckt zu werden.

Das zweite (vielleicht noch viel wichtigere) Herzstück des Longplayers sind Serjs Texte: Angeprangert werden christlicher Fanatismus, Waffengesetze und die Attitüde der Amerikaner zu diesem Thema. Man kritisiert den amerikanischen Imperialismus und dessen fadenscheinige (im Laufe der Zeit veränderbare) Begründungen. Der Sinn und Unsinn von Monotheismus und Religionen allgemein wird hinterfragt. Doch auch Themen wie Verlust eines Freundes durch den Drogenrausch thematisiert die Band. In „P.L.U.C.K.“ (Politically Lying, Unholy, Cowardly Killers) klagen sie den geplanten Genozid des türkischen Staates am armenischen Volk (um 1915) an und fordern, dass die Türkei endlich ihre damaligen Verbrechen anerkennt (was das türkische Parlament bis heute ablehnt).
Natürlich sind vieler dieser Aussagen hinter den häufigen Karrikaturen, Metaphern und Symbolen versteckt. Tankian offenbart so sein lyrisches Talent und Potenzial. Das klasse Booklet untermauert ihre politische Meinung via Aufruf gegen den andauernden Hunger auf dem Großteil der Welt, gegen die Massen-Medien, gegen Militarismus und gegen das ungerechte Welt-Wirtschaftssystem. Viele mögen bei solch schwer gewichtigen Themen nicht die Meinung der Band teilen, das ist klar. Aber zumindest die Ambition und das politische Engagement muss wohl jeder anerkennen. Vor allem aber der Text auf der Rückseite ist lesenswert. Hier wird auch das Cover erklärt: Die Hand kann erschaffen, gleichzeitig aber auch zerstören.

Nach dem Ende von „P.L.U.C.K.“ hat es einem dann endgültig die Sprache verschlagen. Ein überwiegend hohes Tempo wurde die ganzen 41 Minuten lang durchgehalten. Selten hat man eine solche Platte mit Tiefgang zu hören bekommen. System Of A Down sind politisch wie Rage Against The Machine und extrem kreativ dazu. Es gibt keinen einzigen schlechten Song. Lediglich das i-Tüpfelchen in Form des letzten Funkens Innovation und Genialität fehlt. Ansonsten eine eindeutige Kaufempfehlung!

(Thomas)

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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