Review Slipknot – Vol.3: (The Subliminal Verses)

Kinder, wie die Zeit vergeht: „Vol.3: (The Subliminal Verses)“ von SLIPKNOT feiert 20-jähriges Release-Jubiläum, und der zwingenden Logik nach bin auch ich 20 Jahre älter geworden, seit ich damals nach der Schule in das CD-Geschäft meines Vertrauens gelaufen bin, um mir das Album zu kaufen. Sagen wir mal: Die Überraschung war groß – wenngleich die Singles bereits die Richtung vorgegeben hatten. Doch versetzen wir uns nochmal zurück ins Jahr 2004:

Kaum drei Jahre sind seit SLIPKNOTS „Iowa“ vergangen – einem der härtesten Alben, die der Nu-Metal je hervorgebracht hat. Keine allzu lange Zeit, möchte man meinen. Nach dem dazugehörigen Tour-Zyklus wendeten sich die SLIPKNOT-Mitglieder anderen musikalischen Projekten zu: der Rockband Stone Sour etwa (Corey Taylor, James Root), den Horror-Glam-Punkern Murderdolls (Joey Jordison) oder der Indieband To My Surprise (Shawn „Clown“ Crahan). Alle diese Bands haben etwas gemeinsam: Melodien – ein Stilmittel, das bei SLIPKNOT bislang eher zweitrangig erschien. So ist es schlussendlich nicht sonderlich überraschend, dass drei Jahre ausgereicht haben, um SLIPKNOT für ihr drittes Album in eine gänzlich neue Richtung zu lenken.

Die Veränderung macht sich bereits beim Opener „Prelude 3.0“ bemerkbar. Was zunächst wie ein kurzes Intro wirkt, wächst dann doch auf vier Minuten an, in denen sich die Stimme von Corey Taylor gemächlich nach vorne arbeitet. Kein rohes Geschrei, sondern düstere, mit etwas Melodie in der Stimme geflüsterte Verse. Und eigentlich ist schon jetzt klar: „Vol. 3: The Subliminal Verses“ kann vieles werden, ein großes Meisterwerk, ein grausames Machwerk – aber sicher kein zweites „Iowa“. Dass SLIPKNOT bei „The Blister Exists“ dann doch gleich eine stampfende Riff-Drum-Attacke abfeuern, kann den melodischen Grundtonus, den bestenfalls rockigen Vibe des Albums nicht verheimlichen: Schon der erstaunlich weiche, luftige Sound von Rick Rubin, der an die Stelle des bisherigen Produzenten Ross Robinson getreten ist, macht ein hartes Brett wie den Vorgänger unmöglich. Dass Corey Taylor statt fieser Screams auf einen Mix aus rockig-kratziger Stimme (mit Melodie) und Klargesang (!) setzt, tut sein Übriges: Die Überraschung zum Einstieg ist gelungen!

Wem das schon zu viel des Guten ist, wer von SLIPKNOT nur harte Screams, harte Riffs und drei (hart!) bearbeitete Drumkits erwartet, kann nun abschalten – oder aber seine Erwartungshaltung korrigieren und mit „Vol.3: (The Subliminal Verses)“ jede Menge Spaß haben: Ob das flotte und vergleichsweise harte „Three Nil“, die extrem smarte Single-Auskopplung „Duality“ mit ihrem Mix aus knackigem Riffing, flotter Melodieführung, Sprachgesang, Screams und einem klaren Refrain, der „Purity“ in Sachen Eingängigkeit den Rang abläuft, oder das flotte „Opium For The People“, das dann doch noch mit einem klaren Refrain um die Ecke kommt: SLIPKNOT und ihr neuer Produzent Rubin scheinen einen ziemlich guten Plan für ihren musikalischen Werdegang zu haben. Dass der auch ins Radio führt, zeigt der Erfolg von „Duality“ – dass das aber nicht automatisch „Sellout“ und „gesichtsloser Mainstream-Metal“ bedeutet, zeigen die 14 Songs als Album. Nach Belieben switchen SLIPKNOT nämlich zwischen der Rolle des Everybody’s Darling (etwa, wenn sie sich in den durchweg zart instrumentierten Balladen „Circle“, „Vermillion“, „Vermillion Pt. 2“ so verletzlich geben wie nie zuvor) und des Schwiegermutterschrecks – wenn sie im jeweils folgenden Track („Welcome“ / „Pulse Of The Maggots“ / „The Nameless“) direkt wieder aus allen Rohren feuern und zweitgenanntem auch gleich klarstellen, dass sie sich natürlich nicht von ihren Fans – den „Maggots“ – losgesagt haben.

Dass die Musiker im Video zu „Before I Forget“ – wohl zum Ärger so mancher Die-Hard-Fans – erstmals offiziell und gewollt im SLIPKNOT-Kontext unmaskiert agieren, ohne dabei jedoch ihre Gesichter zu zeigen, ist sinnbildlich für SLIPKNOT im Jahr 2004: Mit ihrem dritten Album wagen sich die Neuen aus Iowa stilistisch so weit in neue Gefilde vor, wie es nur irgend geht, ohne sich komplett von der mühsam aufgebauten eigenen Identität zu lösen. „Vol.3: (The Subliminal Verses)“ enthält gerade genug harte Tracks, um noch einigermaßen glaubwürdig an die bisherigen Alben anknüpfen zu können. Zugleich stellen SLIPKNOT mit dem Album unter Beweis, dass sie weit mehr drauf haben, als unter viel Geschrei zu rohem Riffing mit Baseballschlägern auf Mülltonnen einzudreschen. Und so sehr es die Die-Hard-Fans auch ärgern mag: Gerade diese Mischung ist es, die „Vol.3: (The Subliminal Verses)“ so bemerkenswert macht – viel bemerkenswerter, als jeder noch so brutale Nachfolger von „Iowa“ je hätte werden können. SLIPKNOT haben den Schritt nach vorne gewagt – und gewonnen.

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Wertung: 9 / 10

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