Review Knight Area – The Sun Also Rises

Auf dem europäischen Festland, wo sich der in Würde gealterte Progressive Rock trotz allem ein einigermaßen stabiles Ansehen erarbeitet hat, bildet unser Nachbarland Holland so etwas wie die Hochburg des Gourmet-Rocks. Man denke nur an die alteingesessenen Metaller Elegy, die jungen Frickel-Shootingstars Sun Caged und natürlich das Allroundgenie Arjen Lucassen. Nun versucht ein weiterer holländischer Einzelmusiker, auf dessen Spuren zu wandeln.

Der gute Mann hört auf den Namen Gerben Klazinga und hat nun, nach zwanzigjähriger Planung, ganze zehn Musiker ins eigene Studio eingeladen, um das von seinem Bruder Joop entwickelte Konzept für „The Sun also Rises“ in die Tat umzusetzen und unter dem Namen „Knight Area“ zu veröffentlichen. Im Beipackzettel beruft man sich vor allem auf die sinfonische, urbritische Schiene des Prog Rock, vertreten von Bands wie Genesis, Camel und IQ. Den selbstauferlegten Vergleichen mit „Selling England by the Pound“, „The Snow Goose“ oder „Subterranea“ kann sein Album in qualitativer Hinsicht zwar nicht standhalten, soviel sei gesagt, doch rein stilistisch sind sie überaus zutreffend.
Die Musik, die Knight Area während der 50 Minuten des Debütalbums zum Besten geben, baut hauptsächlich auf breite Mellotron- und Orgelteppiche, über denen dann klassische Gitarrensoli und zärtliche Flötenmelodien im Camel-Stil ausgebreitet werden, während die Arbeit der Rhythmussektion vor allem Parallelen zu Genesis und den von ihnen beeinflussten Neo Prog-Bands wie Pendragon aufzeigt. Um aber nicht komplett als lauwarmer Aufguss besserer Zeiten abgetan zu werden, enthält die Platte auch einige Riffs und Soli in der Machart zeitgenössischer Power/Prog Metal-Bands wie Magnitude 9 oder eben Elegy. Entsprechend würde sich auch Sänger Mark Smit mit seiner hohen, aber glücklicherweise noch nicht nervtötenden Stimme nahtlos in jede Euro Metal-Band einfügen.
Dass Knight Area nicht in die Sphären ihrer Vorbilder vorstoßen können, liegt natürlich, wie sollte es anders sein, am Songwriting. Zwar strotzen die zehn Tracks (darunter acht Songs und je ein Intro sowie Outro) nur so vor üppigen Melodien und schwelgerischen Soli, doch auf großartige Vielfalt und wirklich packende Elemente, wie sie Camel mit ihren plötzlichen Freejazz-Attacken oder Genesis mit ihren unheimlichen Vocals und rätselhaften Lyrics boten, wartet man leider vergeblich. Auch Bass und Schlagzeug werden nicht so als Instrumente eingebracht, wie man sich das gerade im Bereich Prog Rock wünscht. Die Texte sind zwar nicht schlecht, geben sich allerdings gelegentlich etwas überambitioniert und kommen daher um gewisse Klischees nicht herum – Zeilen wie „Hear the muted laughter in dusted dew“ wirken wirklich nur in Ausnahmefällen. Des weiteren merkt man einfach, dass sie nicht von einem Muttersprachler geschrieben wurden, sprachliche Fehler und nicht ganz genau eingehaltenes Versmaß bleiben nicht aus.
Wirklich gelungen wiederum ist der innere Zusammenhang des Konzepts, der auch ohne stundenlanges Brüten über dem Booklet gut in den autobiografischen Lyrics und unterschwellig in der Musik ersichtlich wird.

Die erste Goldene Regel des Artrock besagt: kein Album ohne Instrumental-Intro! Der hiesige Vertreter hört auf den ominösen und völlig ausgelutschten Namen „Beyond“ und tut nicht wirklich etwas zur Sache. Im Grunde bin ich ein großer Fan von Ouvertüren, Prelüden und ähnlichem, nur sollten diese dann auch einen Zweck erfüllen (wie etwa Dream Theaters „Overture 1928“ oder Vanden Plas´ „Fire Blossom“). In diesem Punkt versagt „Beyond“ leider… allerdings ist ein Intro von 27 Sekunden Länge beinahe von vornherein dazu verurteilt.
Auch der bombastische Siebenminüter „The Gate of Eternity“ bietet noch keinen idealen Einstieg ins Album. Zwar sind die einzelnen Passagen (u.a. mit Hölzbläsern, Akustikgitarre und Akkordeon) für sich gut, aber etwas übergangslos miteinander verwoben. Außerdem treten gerade im sehr lang geratenen Intro vermehrt die erwähnten lyrischen Schwächen auf.
„Conspiracy“ klingt bereits deutlich stimmiger, mit stattlichen Metal-Riffs, simplen Neo-Prog-Synthieleads und ausgesprochen poppigen Melodien und Vocallines. „Forever Now“ ist noch etwas kürzer, rockiger und eingängiger und überzeugt vor allem mit furios duellierenden Gitarren- und Keyboardsoli.

Das nachfolgende Titelstück bildet naturgemäß den Mittelpunkt des Albums und präsentiert sich als Instrumental von knapp sechs Minuten Länge. Hier folgen erhebende auf traurige, bedächtige auf dynamische Passagen, der Bass klingt so drahtig wie anno dazumal bei Mike Rutherford (Genesis), die Keyboardsoli gegen Ende erinnern sehr stark an Marillions Mark Kelly.
„Conviction“ schlägt in die gleiche erfrischend eingängige Metal-Kerbe wie schon „Forever Now“ zuvor. Der Refrain hat tatsächlich ansehnliche Mitsingkompatibilität, auch die frenetische Solosektion (die sogar ein bisschen an Ayreon erinnert!) weiß zu gefallen. „Mortal Brow“ baut stark auf das Wechselspiel von breiten Synth-Teppichen und verspielten Sequenzen, hat aber einen glorreichen Schwachpunkt: die im Refrain auftretende und im Booklet nicht einmal erwähnte Gastsängerin. Ihre Stimme geht in Ordnung (auch wenn sie sich kaum von der der meisten Damen, die auf solchen Alben zu hören sind, unterscheidet), ist aber mit einem wirklich fiesen Akzent belegt, der unangenehme Erinnerungen an eine Trickfilm-Ente und ihren Maulwurfsfreund heraufbeschwört.

Apropos Ayreon: die hübschen Akustikklänge, die das getragene und mit wirklich schönen Gesangsmelodien (den besten der LP, um genau zu sein) ausstaffierte „Moods Inspring Clouds“ einleiten, erinnern in der Tat an „Cosmic Fusion“ von Arjen Lucassens Allstar-Projekt.
Das Quasi-Finale der Scheibe, „A New Day at last (For Ferry)“ wirft noch einmal alles in die Waagschale, was das Album auszeichnet: edle Melodien beinahe aller beteiligten Instrumente (Klavier, Flöte, Keyboard, Gitarre), zur Abwechslung auch ein kurzes Jazz-Break. Zum Ende hin hätte es gerne etwas wuchtiger werden können, so kommt die Dramatik, die ein Finale haben sollte, etwas kurz.
Wo ein Intro ist, darf ein Outro am anderen Ende nicht fehlen: „Saevis Tranquillis in Undis“, das erstaunlich melancholisch anfängt und sich kaum steigert, hat im Gegensatz zu „Beyond“ aber immerhin eine Daseinsberechtigung. Die knappe Minute Stille zum guten Schluss hätte Gerben Klazinga sich allerdings auch gut und gerne klemmen können.

Fazit: Wer hier an dieser Stelle jetzt einen fürstlichen Verriss erwartet, wird sich wundern. Zwar habe ich mich im obigen Text hauptsächlich auf die (teilweise durchaus deutlich zu Tage tretenden) Schwachpunkte versteift, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Melodien, auf denen bei dieser Musik der Schwerpunkt liegt, durchweg gelungen sind. Nostalgiker, Fans der bereits genannten Bands und all jene, für die die Slowsongs auf Spock’s Beards „Snow“ die Erfüllung darstellen, dürfen bedenkenlos reinhören, sollten aber keinen highlightgespickten Klassiker für alle Zeiten erwarten, sondern sich mit einem „guten“ Album zufriedengeben.

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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