Review HIM – Razorblade Romance

Der Finnen-Fünfer rund um den charismatischen Frontmann Ville Valo hatte mit ihrem Debüt die Gothic-Szene hart gerockt, der kommerzielle Durchbruch in den Mainstream war mit „Greatest Lovesongs Vol. 666“ allerdings noch nicht geglückt. Anders sah es dann mit dem 2000er-Werk aus, dass sich in mehreren Ländern ganz oben platzieren konnte und HIM etablieren konnte.
Der anno 2000 schnellste Track der Bandgeschichte ist gleichzeitig der Startschuss für „Razorblade Romance“. „I love you (Prelude to Tragedy)“ fetzt aus den Boxen, bietet allerdings eher langsame Strophen und dafür wieder Tempo mit tiefer Stimme im Chorus. Schon hier hört man, dass sich seit dem Debüt eine Entwicklung vollzogen hat, wenn’s auf diese Art weitergeht besteht allerdings kein Grund zur Ärgernis.
Nicht mehr ganz so flugs agieren die Fünf bei „Poison Girl“, welches Rock wunderbar mit dem düsteren Element verbindet. Ein schwe beschreiblicher Song, die Kostprobe wird allerdings empfohlen!

An dritter Stelle haben wir dann den Song, der den Stein so richtig ins Rollen gebracht hat: „Join me in Death“. Ausgekoppelt als Soundtrack-Beitrag zum Film „The 13th Floor“ schoss der Song nach ganz oben in die hiesigen Hitparaden und beschenkte HIM mit dem Durchbruch. Dieses Keyboard-Intro kennt wohl fast jeder, der das Jahr 2000 nicht im Koma verbracht hat. Der Song hat tatsächlich absoluten Hit-Charakter, so etwas schreiben die meisten Künstler wohl nur einmal im Leben.
Nach drei wirklich guten Songs…wird es fast noch besser! „Right here in my Arms“ ist ein derart amtlicher Rocker, dass er den einen oder anderen Metal1-Mitarbeiter beim Schreiben einfach nicht unbewegt verweilen lassen kann. In den Strophen bahnt sich langsam an, was im Refrain losgelassen wird – volle Power! Das Tüpfelchen auf dem I ist dann das herrlich verzerrte Gitarrensolo von Blondschopf Linde. Ein totaler Knaller!
Nach dieser Überdosis Rock bedarf es tatsächlich einer Verschnaufpause, die ist mit Track 5, „Gone with the Sin“, auch gegeben. Sehr tiefe Stimme und verhalten Instrumentalisierung machen aus dem Song in eine düstere Ballade, die glücklicherweise nicht halb so kitschig wie die Songs dieser Sparte auf dem Nachfolger „Deep Shadows & Brilliant Highlights“ sind.

Genug der Pause, es wird wieder Zeit für laute Saiteninstrumente! „Razorblade Kiss“ macht da weiter wo „Right here in my Arms“ aufgehört hat, ein kraftvoller Song mit erneut sehr überzeugendem Refrain, der aber nicht ganz an einen meiner persönlichen Rock-Meilensteine, „Right…“ , heran kommt. Dafür ist das Solo hier fast noch einen Tacken besser!
Als nächstes steht „Bury me deep inside your Heart“ auf dem Plan. Eine ordentliche Rock-Ballade die einmal mehr zeigt, dass eher gefühlvollere Kompositionen durch harte, tiefe Gitarren nicht zwingend gestört werden. Interessant finde ich zu merken, dass dieser Song wirklich balladesker als „Gone with the Sin“ ist, dabei aber auch um Welten härter und gitarrenlastiger ist. Für mich zeugt dass von durchaus gelungenem Songwriting…wieder mit einem kleinen Vergleich zum Nachfolger, der das alles schmerzlich vermissen ließ.
Wieder anders wird es mit „Heaven tonight“, jenes kommt…hm…komisch daher! Anfangs hört es sich dank dem Bass sehr funky an, der recht hoeh Gesang im Background lässt mich teilweise vermuten, dass es sich hier um eine kleine Hommage an vergangene Zeiten der Musik handelt. Im Endeffekt ist das aber für mich immer „Der merkwürdige HIM-Song“ geblieben *g*.

Die Rock-Keule wird mit „Death is in Love with us“ wieder aus dem Regal gekramt, auch wenn Tempo und Stil den bisherigen Rockern des Albums ähneln, kommt absolut keine Langeweile auf, da sich das Endprodukt letztendlich doch ziemlich unterscheidet. Live hört sich der Song noch um einiges rockiger und schmutziger an!
„Resurrection“ ist im Mid-Tempo anzusiedeln und gut anhörbar, lässt dabei aber etwas Spektakuläres vermissen. Schade ist’s, da der Refrain durchaus was her macht.Die herkömmliche Version des Albums findet mit dem elften Track, „One last Time“ schon wieder ihr Ende. Ein ruhiger und recht langsamer Song, der im Refrain von der Akustik-Gitarre und in den Strophen von Migé’s Bass getragen wird. Freunde des „Deep Shadows…“-Stils werden sich wohl am ehesten hiermit anfreunden können, wobei auf derartigen Kitsch und Pop trotzdem verzichtet wird.
Auf der Limited Edition des Albums setzt es an zwölfter Stelle „Sigillum Diaboli“, eine neue Version von „Stigmata Diaboli“, das in den Neunzigern auf der Demo „666 Ways to love“ zu hören war. Was für ein Rockbrett das mit der richtigen Produktion ist! Während die Strophen im Vergleich zum Chorus sonst eher langsam waren, geht es auch hier schon gut zu, vom Refrain gar nicht zu sprechen!
Hinter „The 9th Cirlce“ verbirgt sich eine rockigere Version des Albumtracks „One Last Time“. Gefällt mir persönlich besser als das Original!

Fazit: Das 2000er-Album unterscheidet sich wahrlich vom Vorgänger, der ein lupenreiner Gothic Metal-Kracher war. „Razorblade Romance“ klingt nicht mehr ganz so tief, nicht mehr ganz so depressiv, eben nicht mehr ganz so Gothic und nicht mehr ganz so Metal. Vielmehr wird der geneigte Hörer mit feinstem Rock beschallt, der sich nicht auf Durchschnitts-Melodien und Riffs beschränkt und mit dem düsteren Touch, der natürlich nicht ganz verschwunden ist, für weitere Abwechselung und Abgrenzung vom amerikanischen Fliesband-Rock sorgt. Auf der zweiten Hälfte erscheint das Album geringfügig schwächer als auf der ersten, das liegt wohl daran, dass sich a) die Killer die Klinke in die Hand geben (auf „Teil 1“), und b) am Ende hin mehr experimentiert wird. Insgesamt kann ich festhalten, dass „Razorblade Romance“ mein Lieblings-HIM-Album ist, auch wenn es mit den „Greatest Lovesongs“ und „Love Metal“ harte Konkurrenz aus dem eigenen Haus gibt.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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