Review Kamelot – Epica

Nach den beiden Melodic Metal-Meisterwerken “The Fourth Legacy” (1999) und “Karma” (2001) legen KAMELOT jetzt mit ihrem sechsten Album „Epica“ einen weiteren Hammer vor. Aufgenommen und produziert wurde das gute Stück wieder in Wolfsburg von Sascha Paeth und Miro, die auch wieder auf der umfangreichen Gastmusikerliste stehen. Dort tummeln sich unter anderem auch Namen wie Rhapsody-Gitarrero Luca Turilli, der ein kurzes Solo zu „Descent…“ beisteuerte oder Ian Perry (Elegy), der beim „Interlude IV“ die Rolle des Erzählers übernahm.

Erstmal möchte ich etwas über die Hintergründe und die Handlung der CD schreiben (Wen es nicht interessiert, kann auch zwei Absätze runterscrollen zur musikalischen Betrachtung):
„Epica“ ist ein Konzeptalbum und basiert lose auf Goethes Faust. Im wesentlichen dreht sich die Story um drei Hauptfiguren:Ariel (gesungen von Khan, auf dem Cover Mitte), ist der Held der Geschichte und begibt sich in seinem von den Gegensätzen Leben und Tod, Gut und Böse sowie Liebe und Hass auf die Suche nach seinem inneren Seelsenfrieden und dem Sinn seines Lebens.
Helena (gesungen von Mira, auf dem Cover links), ist die einzige Frau, die Ariel jemals geliebt hat und steht hier für alles Unschuldige und Gute.
Mephisto (gesungen von Khan, auf dem Cover rechts), symbolisiert das Böse, praktisch den Teufel, aber immer vernünftig, verführerisch und attraktiv. und steht auch für alles Schwache in den Menschen.

Ariel lässt auf der Suche nach seinem inneren Frieden und der Antwort auf die Frage des Seins alles, was er hat, hinter sich und will die Welt allein erkunden, da ihm Religionen und Wissenschaft nicht die Antworten geben, die er braucht. Doch seine Erfahrungen in der weiten Welt sind alles andere als erfolgreich, sucht nach anderen Wegen glücklich zu werden, und verliert durch die Einnahme von Drogen den Bezug zum Leben. In seiner Verzweiflung wünscht sich Ariel die Zeit zurück, in der von Jugend und Liebe getragen wurde und merkt, dass dies alles nur Gefühle und Wünsche von ihm waren. Von nun an sieht er keinen Sinn und Zweck mehr im Leben. An seinem schwächsten Punkt erscheint ihm Mephisto im blassen Mondlicht.
Ariel ist vollkommen überrascht über die Gestalt des Teufels, einer wunderbaren Frau. Mephisto erklärt ihm freundlich, zu was er es im Leben bringen könnte. Viele Leute werden zu einer Versammlung in Mephisto’s Schloss eingeladen, so auch Ariel. Dort lernt er viele Freunde kennen und bekommt alles materielle, was er sich je erträumt hat, und erlebt die glücklichste Zeit seines Lebens. Schließlich unterschreibt er einen verhängnisvollen Deal…

Völlig überraschend trifft Ariel nach der Party seine Jugendliebe Helena, und die beiden verbringen eine kurze, aber tiefgehende Zeit miteinander. Helena erzählt ihm, dass sie schwanger ist, aber Ariel ist sich sicher, dass sein Deal mit Mephisto ihr Schmerzen und Leid bringen wird, und verlässt sie. Daraufhin ertränkt sich Helena selbst in einem Fluss. Ariel erfährt von dem Tod Helenas und damit des ungeborenen Kindes und fällt in tiefe Trauer, nur die Hoffnung, sie auf der anderen Seite wieder zu sehen, gibt ihm Kraft. Doch da er den Versprechungen und Verführungen Mephito’s nicht widerstehen konnte, ist er bis in alle Ewigkeit auf ein Leben mit Mephisto verdammt.

Nach dem lyrischen Aufbau komme ich nun aber zum wichtigsten Teil einer CD – der Musik selbst.
Das Kamelot-typischen Intro geht direkt in „Center Of The Universe“ über, dass mit der Melodie und dem Refrain gleich sehr eingängig ist und man als musikalische Fortsetzung von „Forever“ sehen kann. Der schnelle Brecher hat aber auch eine ruhige, verträumte Passage, in der auch gleich zum ersten mal die Rolle der Helena auftaucht, die von Mira gesungen wird, die auf eine klassische Gesangsausbildung verweisen kann. Mit einer Doublebass-Attacke geht „Farewell“ an den Start, dass wie auf der Opener ein schneller Up-Tempo-Song ist, der sich schnell festsetzt und sehr abwechslungsreich ist.
Nun folgt erstmal mit „Interlude I (Opiate Soul)“ das erste Zwischenspiel, dass für Dunkelheit und Depressionen stehen soll. Sehr druckvoll und düster ist „The Edge Of Paradise“, dass weniger schnell ist, dafür aber mit seinen arabischen Elementen und gregorianischen Chören eine mystische Stimmung verbreitet – Klasse! Mit „Wander“ steht eine wunderschöne Ballade am Start, in der Khan seine Stimme so gut wie nie zu vor präsentiert! Er hat sich definitiv weiterentwickelt, auch im Vergleich zum Vorgänger „Karma“. Gegen Ende hin steigert sich das Stück noch wunderbar. Nach dem zweiten Interlude beginnt „Descent Of The Archangel“ sehr ruhig, bevor ein knallender, kurzer Double-Drum-Aufwecker eingeschoben wird. Viele schöne Rhythmus- und Tempi-Wechseln findet sich hier auch ein kurzes Solo von Luca Turilli.

Thematisch angepasst ist „A Feast For The Vain“ sehr dramatisch (In diesem Song verkauft Ariel seine Seele dem Teufel). Die Chöre und die Stimmung beim Refrain sind eigentlich gegensätzlich zum Rest des Songs und sehr fröhlich. Ungewöhnliche Klänge bekommt der Hörer bei „On The Coldest Winter Night“ vorgesetzt: Die Ballade wartet mit den metal-untypischen Instrumenten Kontrabass, Akustik-Bass und Jembe auf und wurde mit diesen Instrumenten live im Studio aufgenommen. Eine wirkliche schöne und gefühlvolle Ballade.
Weitere experimentelle Klänge gibt’s bei „Lost & Damned“. Zur Beschreibung der Spannungen zwischen Ariel und Helena wird ein Bandeneon (eine argentinische Version eines Akkordeons) für die tango-ähnlichen Strophen verwendet. Im Refrain geht’s dafür hart und schnell zur Sache.
Quasi ein Liebeslied ist „Helena’s Theme“. Hier übernimmt Mira die kompletten Lead Vocals und wird vom Rodenberg Symphony Orchester begleitet. Im anschließendem letzten Interlude wird Helena’s Tod vom Turm aus verkündet.
Mit „The Mourning After (Carry On)“ neigt sich die Story dem Ende zu – Aber wie! Etwas erinnert mich der Track wegen dem stampfendem und schwerfälligem Rhythmus an „The Spell“ vom Vorgänger. Jeder Heabanger wird sich hier wie im Paradies fühlen, und live müsste das Teil verdammt geil kommen!
Das progressivste Stück ist der Fast-Titeltrack „III Ways To Epica“. Überaus überraschend ist die hier teilweise richtig aggressiv klingende Stimme Roy Khan’s. Der Track stellt auch das Ende der Geschichte dar: Mephisto ist nun das pure Böse, Helena kommt als Engel vor und repräsentiert Gott. Ariel steht zwischen alle dem – zwischen Gut und Böse, zwischen Himmel und Hölle, und sucht noch immer innere Ausgeglichenheit und die Wahrheit, den Sinn des Seins.

Ihr mit Sicherheit reifstes und bestes Werk hat die amerikanisch-norwegische Combo mit „Epica“ abgeliefert. Nach den stetigen Steigerungen der Vorgänger haben sie auch hier wieder alles richtig gemacht und auch viele Details und Experimente eingefügt, die diesmal allesamt am richtig Platz sind und ihren Teil zur Stimmung und Atmosphäre geben. Produktionstechnisch ist man wieder auf der sicheren Seite; Ausfälle oder schwache Songs gibt es im Verlauf der gesamten 52 Minuten nun wirklich nicht, und allen Kamelot-Fans sowie jeder Melodic- oder Prog-Metaller sei von mir nahegelegt, das Teil zu kaufen! Allgemein gesehen ist die Platte auch schneller und noch etwas prograssiver als „Karma“ ausgefallen.
Auf der Erstauflage als Digipack-Version ist noch der Bonus-Track „Snow“ enthalten, ausserdem sind Bilder, alle Lyrics des Albums, Discographie und eine ausführliche Biografie in drei Sprachen auf der CD enthalten und es gibt ein Kamelot-Tatoo als Extra. Ausserdem kann man nach dem Lösen eines kleinen Rätsels einem Interview mit Thomas Youngblood lauschen, indem er etwas über die Bedeutung des Albums erzählt.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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