Vorhang auf, Bühne frei: Die sympathischen Bayern von CRYSTALLION liefern nach gut vier Jahren ihr viertes Album „Killer“ ab, das sie zu viert eingespielt haben – denn seit dem Ausstieg des Keyboarders wurde dieser Posten nicht mehr besetzt. Eine durchaus programmatische Entscheidung, wie sich schon beim ersten Hören des aktuellen Outputs zeigt. Wo man in den vergangenen Alben hauptsächlich dem symphonischen Power Metal gehuldigt hat, steht heute eher Power Metal klassischer Prägung an. Dazu passt die Entscheidung, auch optisch – sprich bezüglich des Covers – neue Akzente zu setzen und sich von den gezeichneten Drachen und Rittern zu verabschieden. Zumindest dieser Schritt hätte meines Erachtens zweimal überdacht werden sollen; denn dem Ergebnis hängt etwas, sagen wir mal, leicht Amateurhaftes an.
Nun, man traue eher seinen Ohren als seinen Augen – hinsichtlich der Musik kann man guten Gewissens von einem durchaus professionellen Werk sprechen. Obwohl dieses Mal ohne Plattenvertrag im Rücken, agieren CRYSTALLION auch 2013 auf einem Niveau, das nationale und internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht. Leider merkt man der CD stellenweise die Eigenproduktion zu stark an, sie hätte bezüglich der Tiefen wuchtiger ausfallen können und manchmal mangelt es der Leadgitarre an Durchsetzungsvermögen. Das sind verkraftbare Mängel, denen eine ansonsten ausgewogene, sehr gesangskonzentrierte Endproduktion gegenübersteht.
Kompositorisch ist die Frischzellenkur, der man sich unterzogen hat, am stärksten zu spüren. Die Drachen-und-Schwerter-Romantik hat einer eher an Guns N‘ Roses erinnernden Sleazy Rock Attitüde Platz gemacht – ein Sprung, der mich angesichts der Bandbiographie doch überrascht hat. Aber: Die neue Geradlinigkeit steht der Gruppe nicht schlecht. Und zudem: Ein 180° Wechsel ist es eben doch nicht. Wie gewohnt dominiert der hohe, sichere Gesang von Thomas Strübler die sehr melodischen, eingängigen Stücke, zu denen Patrick Juhasz gekonnt locker ein Solo nach dem anderen beisteuert. Aber das Riffing zeigt eine erheblich größere Nähe zum klassischen Hard Rock, als man das bis dato von den Bayern gewohnt war. Das wird dem Hörer schon beim Opener „Run“ bewusst und auch die folgenden „Far Cry“ und „Dead On Arrival“ schlagen in die gleiche Kerbe. Songs wie „Ready To Strike“ oder „The Unwanted“ bewegen sich stärker in altbekannten Metal-Gefilden, sind aber in der Minderzahl.
Man legt bewusst viel Wert auf Eingängigkeit – das bewirkt zum einen, dass die CD nach gerade mal zwei Durchläufen im Ohr hängen bleibt, aber gut zwei Stunden später aus selbigem auch wieder verschwunden ist. Die Kompositionen wirken zwar frisch und so, als ob die Band seit langem keinen solchen Spaß mehr bei der Aufnahme gehabt hätte, aber das Prinzip „catchy comes first“ hat eben zur Folge, dass die Langzeitwirkung der Songs ziemlich gering ist. Das ist letztlich auch das einzige große Manko von „Killer“, dass die Songs der CD nicht schlecht sind, einige sogar richtig Spaß machen, ihnen aber alle eine gewisse Beliebigkeit zukommt. Trotzdem: Endlich wieder ein Lebenszeichen dieser sympathischen Gruppe. Ob man den neu eingeschlagenen Weg weiter gehen wird, darf mit Spannung verfolgt werden.
Wertung: 7 / 10