Der neueste Beitrag zur 80er-Retrowelle stammt aus Schweden und hört auf den Namen SCREAMER. Die Band versucht sich gerade nach vorne zu spielen und hat dabei auf den ersten Blick alles richtig gemacht: 2011 war sie mit ihrem Debütalbum „Adrenaline Distractions“ ins Licht der Öffentlichkeit getreten und dabei z. B. dem Rock Hard positiv aufgefallen. Danach hat die Truppe brav ihre Tourhausaufgaben gemacht und Bullet begleitet, was die Fanbasis vergrößert haben dürfte. Im Anschluss ging es zurück ins Studio und jetzt liegt „Phoenix“, das zweite Album, vor. Was bieten sie uns hier an?
Im Prinzip geht es in die Richtung weiter, die der Vorgänger gewiesen hat – die kleine schwedische Truppe spielt eine Mischung aus frühen Iron Maiden, frühen Accept und Judas Priest aus dem ersten Drittel ihrer Karriere. So gibt es also neun Tracks recht klassischen Heavy Metal mit NWoBHM-Note. Entsprechend dominiert wird das ausgewogen gemischte Klangbild von den beiden Gitarren, die sich erfreulich gelungene Wettläufe liefern und deren Leistung man grundsolide nennen kann. Technisch gesehen gilt das für alle Musiker, wobei die Stimme von Sänger Christoffer doch etwas profillos bleibt. Sicher, er trifft alle seine Töne und macht seinen Job insgesamt überzeugend, jedoch fehlt ihm die eigenständige Note, das Charakteristische, das ihn und damit auch den gesamten Sound von SCREAMER aus der Masse anderer Bands herausheben würde.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum „Phoenix“ erstaunlich lange braucht, um sich im Ohr des Hörers festzusetzen. Relativ wenig bleibt bei den ersten Durchläufen hängen – die CD ist keinesfalls schlecht, aber sie rauscht ein wenig am Hörer vorbei. Das ist umso überraschender, als dass sich im Songwriting einige gute Ideen finden: Mehrmals wird das Tempo im Song angezogen (z. B. „Phoenix“, „Lady Of The River“), es gibt schöne stampfige Passagen, wie in der Accept-Hommage „No Sleep ’Til Hamilton“, und in „Mr. Noman“ klingen SCREAMER gar ein wenig melancholisch. Dass der Opener „Demon Rider“ schön schnell und dynamisch startet, ist fast überflüssig zu erwähnen. Und doch – der Gesamteindruck bleibt irgendwie undifferenziert. SCREAMER verlangen vom Hörer fast konzentriertes Zuhören, um die Finessen zu entdecken. Das hat natürlich auch seine schönen Seiten (Wiederhörwert), es könnte aber gut sein, dass einigen der Atem ausgeht, bevor sie die Perlen gefunden haben.
SCREAMER zeigen mit „Phoenix“, dass richtig was aus ihnen werden kann. Woran sie jetzt aber arbeiten müssen, sind geradere Hooklines, damit man ihre Songs schneller identifizieren kann. Auch Sänger Christoffer kann sicher mit ein wenig Training noch profilierter klingen. Was dringend beibehalten werden sollte, sind die Ideen, mit denen sie ihre Songs ausstatten, besonders die Tempovariationen, die in diesem Genre nicht gerade üblich sind. Wenn sie das zu ihrem nächsten (dritten!) Album ausbauen, wird es mit Sicherheit nicht ein Album im oberen Mittelfeld, wie „Phoenix“, sondern ein echter Volltreffer.
Wertung: 7.5 / 10