Old School ist so in wie nie zuvor. Wahrscheinlich kommt man mit einem Retrosound heute weiter, als man es zur Ursprungszeit dieses Sounds mit dem gleichen Album gekonnt hätte. Sei es Death oder Black Metal, Okkult Rock oder Thrash – an jeder Ecke klingen Neuerscheinungen, als ob sie schon ein paar Dekaden auch dem sprichwörtlichen Buckel hätten.
In diese Kerbe schlagen auch WITCHGRAVE mit ihrem gleichnamigen Album. Folgendes bietet sich dem Hörer in den ersten Momenten der Scheibe: New Wave Of British Heavy Metal, gespielt mit einer Motörhead-Attitüde und dem Sound einer mittelmäßigen Black-Metal-Produktion, alles überlagert von Gesang, der eine Mischung aus Nocturno Culto und Tom G. Warrior ist.
Klingt ansprechend? Dann definitiv reinhören, denn was WITCHGRAVE hier abliefern, ist musikalisch alles andere als schlecht. Simple Riffs und geradlinige Rocksongs treffen auf Soli, die nicht nur dezent an Iron Maiden erinnern. Tracks, die auch von Motörhead stammen könnten, im klassischen Sound der NWOBHM.
An dieser Stelle kommt man allerdings nicht umhin, sich die Frage nach der Existenzberechtigung eines solchen Albums zu stellen (besonders wenn gerade der Gesang von „Motorcycle Killer“ läuft). Braucht die Welt wirklich noch ein Album, das in dieser Form schon gefühlte hundert Mal existiert? Das muss sich jeder selbst beantworten, wer jedoch zu dem Schluss kommt, dass er ein solches Album braucht, der trifft mit WITCHGRAVE in jedem Falle keine schlechte Wahl.
Von der spielerischen Seite her ist den Herren auf jeden Fall nichts vorzuwerfen. Die Songs sind sauber und auch recht cool runtergezockt. Auch das Songwriting kann sich durchaus sehen bzw. hören lassen. Straighte Rock-Parts wechseln sich mit verspielten Soli ab, das passt wie die Faust aufs Auge.
Die Meinungen spalten dürfte hingegen der bereits angesprochen Gesang. Mal tief grunzend, mal ganz hoch, kommt dieser immer extrem kratzig daher. Das passt bei den rockigen Parts ganz gut, wenn man sich aber mehr in Richtung Maiden bewegt, wirkt das zuweilen etwas unpassend. Somit wird der Gesang wohl auch für jeden Hörer die Entscheidungshilfe sein, ob er sich dieses Album zulegt oder eben nicht.
Unterm Strich haben WITCHGRAVE mit ihrem selbstbetitelten Album eine solide Scheibe hingelegt. Wer es richtig retro mag, wird seine helle Freude haben, doch auch alle anderen können dieser Platte durchaus einige Umdrehungen gönnen. Für Old-School-Fanatiker kann auch noch ein Punkt drauf, wer es ohne modernen Sound nicht aushält, sollte aber noch einen abziehen.
Wertung: 6.5 / 10