Konzertbericht: Long Distance Calling w/ Solstafir, Audrey Horne

04.03.2013 München, Backstage Halle


Langweilige Tourpackages, die sich aus drei oder mehr Bands des gleichen Genres zusammensetzen, gibt es genug, mag sich der Veranstalter der aktuellen „The Flood Inside“-Tour von LONG DISTANCE CALLING gedacht haben. Das Resultat ist ein Billing, das bunter zusammengewürfelt nicht wirken könnte: Denn auf den ersten Blick haben die deutschen Post-Rocker von LDC mit den Rockern von AUDREY HORNE sowie den Psychedelic-Rockern SOLSTAFIR aus Island nur wenig gemein.
Außer offensichtlich der Fanbase, wie sich am heutigen Abend schnell zeigt: Denn trotz des eigentlich ungünstigen Termins an einem Montag Abend ist die Backstage Halle ausverkauft – eine Begebenheit, die man im Metal-Bereich nicht all zu häufig erleben darf.


Was „ausverkauft“ bedeutet, bekommt, wer erst kurz vor dem Konzertbeginn von AUDREY HORNE (19:45) eintrifft, am eigenen Leib zu spüren – ist die Halle doch schon zu diesem frühen Zeitpunkt an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt und bis hinten gesteckt voll.
Entsprechend gut gelaunt beginnen die Norweger dann auch ihre Show – und können das Publikum aus dem Stand mitreißen: Mit von Beginn an wirklich starkem Sound bieten AUDREY HORNE nicht nur den eingefleischten Fans eine wirklich unterhaltsame Show: Die Saitenfraktion, allen voran IceDale (seines Zeichens auch Gitarrist bei den Progressive-Black-Metallern Enslaved) posiert und soliert, als gäbe es kein Morgen und Sänger Toschie weiß nicht nur mit seinem souveränen Gesang, sondern auch mit seinen sympathischen Ansagen zu punkten. Von Midtempo-Nummern bis hin zu mitreißenden Grooves ist hier alles zu finden: genau so muss Rock klingen, genau so muss Rock auf die Bühne gebracht werden – eine beeindruckende Show, die zu Recht mit reichlich Applaus belohnt wird.


Etwas ruhiger geht es erwartungsgemäß bei den Isländischen Psychedelic-Rockern SOLSTAFIR zu: Statt des Plektrums wird hier oft der Saitenmagnet geschwungen, verträumte und wehklagende Melodien bestimmen das Bild und das gerüttelt Maß an Rhythmusschwankung, herbeigeführt durch Schlagzeuger Guðmundur Óli Pálmason, gibt dem Ganzen den typischen Jam-Session-Flair, der bei SOLSTAFIR nicht wegzudenken ist: Denn klar, tight ist anders, aber genau das macht hier irgendwie den Charme aus. Doch nicht nur die Musik wirkt hier lebendig, sondern auch die Band – zumindest verglichen mit dem doch eher desaströsen Hangover-Auftritt vor vier Jahren (damals auf Tour mit Secrets Of The Moon und Code), an welchen sich Sänger Aðalbjörn Tryggvason auch nur noch vage zu erinnern scheint („I think, we’ve been here already…“). So liefern SOLSTAFIR dem Münchner Publikum dieses Mal eine deutlich energetischere Show, auch wenn auch heute wieder nicht alles rund läuft: Der Sound lässt hier leider arg zu wünschen übrig (Schlagzeug zu laut / Gitarren zu leise), die Pausen zwischen den Songs sind mitunter deutlich zu lang und die Ansagen zerreißen die während der musikalischen Darbietung aufkommende Atmosphäre eher, denn diese zu untermauern – und auch ein Songabbruch nach technischen Problemen ist dieser eher weniger dienlich.
Natürlich ist all das auf relativ hohem Niveau gejammert, stellen SOLSTAFIR doch immernoch eine Ausnahmeband dar, die auf Album wie auch live überzeugt – allerdings waren es bislang eher die Festivalauftritte wie auf dem Party.San 2009 oder dem Brutal Assault 2012, die mich zu beeindrucken wussten. Nach vierzig Minuten ist, wie schon bei Audrey Horne, auch hier Schluss – Zeit für den Headliner.


Um viertel vor Zehn betreten dann LONG DISTANCE CALLING die Bühne. Die im Vorhinein oft gehörte Frage, ob die Band, die auf ihrem aktuellen Album „The Flood Inside“ zum ersten Mal mit Gesang arbeiten, nun Live auch mit Gesang arbeitet, wird sogleich mit „jein“ beantwortet. Denn zwar agiert die Band weiterhin als Kombination aus drei Saiteninstrumentalisten als bewegte, sowie Keyboarder und Schlagzeuger als statischer Fraktion, jedoch greift der Mann an den Tasten immer wieder zum Mikrophon. Mag dies der Musik definitiv eine interessante neue Ebene verleihen, ändert das leider nicht viel daran, dass die Live-Darbietung von der gebotenen Show her nicht unbedingt sonderlich spannend ist – dies wird besonders deutlich, als Martin “Marsen” Fischer, welchen man bereits von seiner Progressive-Rock-Band Pigeon Toe sowie als ehemaliges Mitglied von Fear My Thoughts kennt, seine Keyboardburg verlässt und einen Song lang als echter Frontmann agiert: Sofort ist hier eine ganz andere Dynamik zu spühren, auch, wenn Fischer gesanglich nicht immer zu 100 Prozent zu überzeugen weiß.
Dass LONG DISTANCE CALLING zudem immer ein wenig an dem Problem kranken, dass sich die Songs auf Dauer doch einen Tick zu ähnlich sind, mag auch heute zutreffen – im Endeffekt stellt es aber aus zweierlei Gründen kein Problem dar. Zum einen kann schließlich gehen, wem es zu langweilig wird, zum anderen sind sich die Songs, das muss man der Band lassen, auf sehr hohem Niveau ähnlich. So mag der Auftritt vielleicht nicht der abwechslungsreichste des Abends sein, ist jedoch, dank des erneut großartigen Sounds, in sich stimmig und dürfte jedem Fan der Band positiv in Erinnerung bleiben. Ebenfalls positiv in Erinnerung dürfte die Band den Auftritt behalten – zumindest bedanken sich die ursympathischen Münsteraner mehrfach überschwänglich beim Publikum und wirken selbst beeindruckt von der starken Kulisse, die das ausverkaufte Backstage heute bietet.

Setlist LONG DISTANCE CALLING:
01. Nucleus
02. The Figrin D’an Boogie
03. Inside The Flood
04. Black Paper Planes
05. Ductus
06. Tell The End
07. Arecibo (Long Distance Calling)
08. Aurora
09. The Man Within
10. Metulsky Curse Revisited

11. Apparitions

Mag der Konzertabend auch nicht in allen Belangen perfekt gewesen sein, gibt es am Ende doch wenig gute Gründe, sich zu beklagen. Denn sieht man vom etwas misslungenen Sound bei SOLSTAFIR ab, bekam der Besucher heute drei gute bis sehr gute Shows geboten.
Was bleibt, ist jedoch vor allem eines: die Erkenntnis, dass sich der Mut, drei vollkommen verschiedene Bands zu einem Tourpackage zu vereinen, definitiv gelohnt hat und das Experiment geglückt ist: Weder fiel eine Band im Billing aus dem Rahmen, noch hatte man den Eindruck, die Fans wären von einer der Bands weniger begeistert gewesen als von den anderen beiden. Statt dessen konnten die drei Bands das komplette Publikum kontinuierlich vor der Bühne halten – bei monothematischen Konzerten, deren Bands aus einem einzigen Genre rekrutiert werden, eher eine Seltenheit.

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