Konzertbericht: Die Streuner w/ Vroudenspil

2012-10-05 Puchheim, PUC

Mittelalterliche Veranstaltungen und Konzerte erfreuen sich deutschlandweit zunehmender Beliebtheit in den letzten Jahren. Wenig verwunderlich also, dass man sich in Puchheim – der Geburtsstätte der Münchner Folkrocker Schandmaul – anno 2012 dazu entschied, ein kleines zweitägiges Festival ins Leben zu rufen. Geboren waren die 1. Mittelalter-Folkmusik-Tage, die am 5. und 6. Oktober 2012 im Puchheimer Kulturzentrum PUC abgehalten wurden. Passend zum Motto standen bei Bands wie den Streunern und Vermaledeyt nicht die krachenden E-Gitarren im Vordergrund, sondern der klassische Mittelalterfolk. Während am Samstag Vermaledeyt zusammen mit Totus Gaudeo aufspielten, wurden DIE STREUNER am Freitag von den Freibeutern VROUDENSPIL unterstützt.

Im PUC, wo normalerweise Jazz- und Blueskonzerte sowie Kabarettveranstaltungen abgehalten werden, wehte allerdings ein ruhigerer Wind als auf den großen Festival- und Marktbühnen. So war der kleine Saal teilbestuhlt und VROUDENSPIL-Fronter Ratz von der Planke wies noch vor Beginn der Show darauf hin, dass auf Grund der Nachbarschaftssituation nur eine gewisse Lautstärke erlaubt sei, die jede Form von lauten Geräuschen auf und abseits der Bühne ausdrücklich verbiete, besonders Jubel und Ekstase. Als die Gäste schließlich hinter die Ironie seiner Worte kamen und sich langsam warm geklatscht hatten, konnten die bayerischen Newcomer mit ihrer Show beginnen. So eröffneten VROUDENSPIL nahe ihrer Heimat den musikalischen Teil mit ihrem aktuellen Album „Tote Narren“ und nahmen direkt „Kurs aufs Leben“. Die Entwicklung der Szenenewcomer ist bei jedem Auftritt aufs Neue bemerkenswert: Neben neuen Bühnenklamotten wie denen von Sänger Ratz hat sich der Seewolf am Akkordeon inzwischen zusammen mit den sechs übrigen Freibeutern ordentlich eingegroovt. Die regelmäßigen Besetzungswechsel am Akkordeon scheinen der Formation keinesfalls geschadet zu haben und so fühlten sich das Septett auf der ungewohnt tiefen Bühne nach kurzer Zeit sichtlich wohl. Ihr Freibeuter-Folk mit Stücken wie der zweistimmig-traditionellen „Spielmannsweise“, dem beschwingten „Lebenselixier“ nebst Mitsingrefrain und der obligatorischen Bandhymne „Meute toter Narren“ funktioniert auch in Puchheim nach einiger Eingewöhnungsphase hervorragend: So tanzten die Anwesenden schließlich zum instrumentalen „Säbeltanz“ gemeinsam den russischen Kasatschok und die aufgestellten Stühle nebst Tischen fielen deutlich weniger störend ins Gewicht als anfangs befürchtet. Mit ihrem gewohnten Abschlusssong „Ein unwichtiger Bösehold“ feierten VROUDENSPIL schließlich charismatisch und charmant einen gebührenden Abschluss für einen Auftritt, der wieder einmal bewies, dass man als Band nur an sich und sein Konzept glauben muss, um letztlich auch skeptische Zuhörer zu überzeugen.

Wer DIE STREUNER bucht, weiß seit 1995, was er bekommt: mitterlalterliche Tavernenmusik. Daraus machen die Musiker keinen Hehl und Pinto der Schäfer verkündete auch in Puchheim direkt zu Beginn, dass die vier Barden heute hier seien, um ausschließlich Sauflieder über Bier, Wein und andere alkoholische Verköstigungen zu zelebrieren. Entsprechende Ankündigungen auf Hochprozentiges möge das Publikum bitte gebührend mit einem „Hurra, na endlich“ kommentieren – passend zum Titel des letzten STREUNER-Albums aus dem Vorjahr. So geschah es dann auch. Im Vergleich zu Vroudenspil mussten die markterprobten Bonner relativ wenig Vorarbeit leisten, um die überschaubare Menge vor der Bühne zu versammeln. Und diese feierte eifrig mit Wein und Bier zusammen mit dem Quartett, welches heute ohne ihr einziges weibliches Mitglied Miriam Petzold aka Rabe auskommen musste. Spürbare Auswirkungen hatte dies in Puchheim keine, fehlte wohl den allermeisten Anwesenden der Vergleich zwischen vier und fünf Streunern. So sangen und tanzten die meisten Mittelalterfans mit den Musikern um die Wette, welche sich beschwingt fröhlich präsentierten und selbst die ein oder andere Flasche lehrten. Währenddessen erzählten sie u.a. die Geschichte der „10 Orks“ und besangen „Männer mit Bärten“.


Ab einem gewissen Punkt fungierte fast ausschließlich Marty der Angelsachse als Sprachrohr der STREUNER und erzählte mit charmantem britischem Akzent semi-jugendfreie Geschichten über den Kilt und die Auswirkungen des Winds auf dessen „Inhalt“. Unter anderem mit „Charlie he’s my darlin'“ vom 2007er Album „Vau“ hatten die Band darüber hinaus auch bemerkenswert starke englischsprachige Kompositionen in ihrer Songauswahl für diesen Abend. Dagegen mischte sich unter die deutschsprachigen Sauf- und Rauflieder im Laufe des Konzerts auch der ein oder andere Füller aus der umfangreichen Bandvita. Andererseits fehlte die besonders in der STREUNER-Version hervorragende „Rabenballade“, welche allerdings nicht passend zum Anlass gewesen wäre. Der insgesamt richtig guten Stimmung taten die kleinen Längen sowie keinen Abbruch – und so musste der missgestimmte Nachbar nebenan vermutlich länger leiden als er dachte. Gegen Ende mutmaßte Don Martino sogar, dass dieser vielleicht schon morgen auszieht. Das Doppelkonzert am Freitag wäre dazu jedoch nur für mittelalterliche Kostverächter der ausgeprägtesten Natur ein guter Grund. Für alle anderen boten beide Bands einen musikalisch unterhaltsamen Abend ohne groß virtuose Kompositionen, dafür aber mit einer Menge Unterhaltungswert abseits der einzelnen Lieder. So dürfen die Mittelalter-Folkmusik-Tage in Puchheim gerne in eine weitere Runde gehen.

Publiziert am von und Uschi Joas

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