Konzertbericht: Vogelfrey /w Harpyie

2012-05-18 Hamburg, Logo

Es gibt Konzerte, da nimmt man sich eigentlich vor, keinen Bericht zu schreiben. Auch ein Freizeit-Redakteur hat mal „Urlaub“, besonders, wenn man kurzentschlossen ist. Genau so ein Konzert war die Release-Party zu VOGELFREYs neuem Album „12 Schritte zum Strick“ , von der wir erst sehr kurzfristig erfuhren. „Kann man ja mal hingehen“ ins gemütliche Logo im Univiertel, dachten wir, ohne große Gedanken dabei. Dass es so ein denkwürdiges Ereignis werden sollte, ahnte vorher wohl nur die Band.

Als Unterstützung hat sich die Band die Label-Genossen HARPYIE ausgesucht. Ostwestfälischer Mittelalter-Rock ohne große Besonderheiten begegnet uns da, und auch wenn der Sänger wie schon auf Platte keine besonders glückliche Figur macht, wird die junge Gruppe ihrer Anheizer-Rolle gerecht. Sympathisch auch, dass die sieben Leute an diesem Abend keinerlei Ambitionen erheben, mehr als nur eine Vorband zu sein. Sänger Aello die Windböe feiert VOGELFREY mehr als sich selbst – solche Demut ist eine selten gewordene Tugend!
Eine gute halbe Stunde haben HARPYIE Zeit, um Hamburg zu überzeugen. Nach einer bunten Auswahl von Songs ihres Debütalbums „Blindflug“ sowie einem Rammstein-Cover („Rosenrot“) scheint die Band aus Löhne genau das erreicht zu haben. Denn die Stimmung ist merklich besser geworden und das Logo bewegt sich immer mehr. Neben dem Frontmann erntet vor allem die erfahrene Geigerin und Sängerin Mechthild Sympathien, insgesamt zeigen sich alle Mitglieder aber in einer beachtlichen Bühnenreife. Für die vom Publikum geforderte Zugabe ist leider keine Zeit mehr, aber bekanntlich will ja selbst die Vorband hauptsächlich VOGELFREY sehen!

Jene Lokalmatadoren lassen nicht lange auf sich warten, denn siehe, sie haben Großes vor! Unter Jubelstürmen geht es mit einem Knaller nach dem anderen los, sodass man kaum merkt, dass die Band erst zwei Alben auf dem Kerbholz hat. Die tollen Songs vom neuen Album „Zwölf Schritte zum Strick“ sind aber bei Weitem nicht das Eindrucksvollste, was VOGELFREY an diesem Abend zu bieten haben. Die fünf Jungs und das Mädel haben dermaßen viel Spielkram im Gepäck, dass man gar nicht weiß, wie später einmal so viel Show zu toppen sein soll. Wir wollen nur eine Auswahl der wichtigsten Ereignisse wiedergeben.
Nach souveränem Herunterzocken einiger Songs verkündet Schlagzeuger Dominik, er brauche einmal eine Pause. Nun sucht Frontmann Jannik im Publikum nach einem fähigen Ersatzmann am Drumkit. Es tritt ein Mann auf die Bühne, der in auffälliger Hip Hopper-Kluft schon vorher aus dem Publikum hervorstach. Der Unbekannte demonstriert kurzerhand seine Beatbox-Qualitäten, mit denen dann „Freitod“ gespielt wird. Schnell weiß auch der letzte Skeptiker die Einlage zu schätzen und feiert die „gepimpten“ VOGELFREY gebührend ab. Hip Hop-Gesten allerorten, natürlich lässt es auch Jannik sich nicht nehmen und trägt Sonnenbrille zu dem Song.
Um die Zeit zu überbrücken, bis das Schlagzeug wieder ordnungsgemäß besetzt ist, gibt die Band einfach mal das Löwenzahn-Lied zum Besten – Spontaneität darf man hierin kaum sehen, doch wen stört’s, wenn kalkulierte Komik so gut zündet?Im späteren Verlauf des Abends wird dann Knut Christophersen als Gast angekündigt. Bassist Christopher ist derweil seltsamerweise verschwunden. Band und Publikum locken den Gast mit „Knut, Knut, Knut ist gut!“ auf die Bühne. Dieser trägt Fischerhemd, Halstuch und Elbsegler und sieht dem fehlenden Bassisten erstaunlich ähnlich. Was nun folgt, lässt jedes Hamburger Herz höher schlagen, denn Knut stimmt als Nächstes mit dem Publikum zusammen „An de Eck steiht ’n Jung mit ’n Tüdelband“ an und gibt es dann mit der Band zum Besten. Sogar eine eigene VOGELFREY-Strophe findet sich in dem plattdeutschen Hamburger Klassiker aus dem frühen 20. Jahrhundert – die Stimmung im Logo ist am Kochen!
Zahllose weitere Späße halten Einzug: So wird natürlich literweise Honigwein zu „Schuld ist nur der Met“ vergossen – dass sich der Song von außerhalb des Clubs anhören mag, als würde „EFF-DEE-PEE“ skandiert, tut der Stimmung keinen Abbruch. Ebenfalls gibt es ein Rammstein-Cover – „Los“ mit auf (Vogel-)„Frey“ abgewandeltem Text. Und dann wird einer Barbie-Puppe zu „Feenfleisch“ Ozzy Osborne-mäßig der Kopf abgebissen.
So jung VOGELFREY auch sind, so schnell konnte sich eine bombenfeste Bandhymne etablieren. Als schließlich „Heldentod“ gespielt wird, mobilisiert das Logo-Publikum seine letzten Reserven, um komplett auszurasten. Doch wer ein schnödes Herunterspulen der Nummer erwartet, wird abermals „enttäuscht“ – denn ein Refrain wird durch ein Medley hinausgezögert. Zahlreiche Zitate von Iggy Pop über The Offspring bis Eagle-Eye Cherry hinterlassen mehr als nur Schmunzler.

Nach allen Hits der jungen Band und nahezu tadelloser Performance alter und neuer Songs – das Versingen bei „Lebenslehre“ wird souverän weggelacht – haben sich VOGELFREY einen tosenden Applaus verdient. Sichtlich begeistert vom Feedback dankt die Gruppe so ziemlich jedem Weggefährten, der an „Zwölf Schritte zum Strick“ seinen Anteil hat. Zur Anschluss-Party in die benachbarte Rollenspieler-Kneipe zieht es uns zwar nicht mehr – dass sich der kurzfristige Entschluss zum Erscheinen gelohnt hat, daran besteht kein Zweifel. VOGELFREY beeindrucken mit einer ganz starken Bühnenpräsenz und zeigen sich als einer der unterhaltsamsten Bands, die es derzeit im Mittelalter-Rock gibt.

Setlist Vogelfrey:
1. Intro
2. Düsterpflicht
3. 6 Vaganten
4. Belsazar
5. Blutgericht
6. Schuld ist nur der Met
7. Flamme bin ich sicherlich
8. Lindwurm Massaker
9. Waffenbruder
10. Frey
11. Freitod
12. Galgenvogel
13. Sommer
14. Tüdelband
15. Lebenslehre
16. In Acht und Bann
17. Feenfleisch
——————-
18. Ball der Gehängten
19. Heldentod
20. Der Tusch!

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert