Konzertbericht: Enslaved w/ Ghost Brigade

2012-02-29 München, Backstage Halle


In Zeiten, in welchen Tourneen, die aus durchschnittlich fünf oder sechs Bands bestehen, alltäglich werden, ist es sehr angenehm, wenn diesem Prinzip noch manchmal getrotzt wird. So geschehen bei ENSLAVED und GHOST BRIGADE, die sich an diesem Abend tatsächlich nur zu zweit die Ehre geben. Richtig voll wird es in der Backstage Halle allerdings trotzdem nicht, symptomatisch für ENSLAVED-Touren in Deutschland und dennoch nach wie vor nicht nachvollziehbar, besitzt der Progressive Black Metal der Norweger doch immer noch Ausnahmestatus.

Immerhin: In der halb gefüllten Halle gibt es kein Gedränge, als GHOST BRIGADE durch eine Wagenpanne bedingt eine gute halbe Stunde zu spät loslegen, so dass sie auch nur mit einem um einige ihrer ansonsten immer gespielten Hits gekürzten Set aufwarten können.
Die finnischen Senkrechtstarter bieten eine relativ leicht verständliche, sehr melodische Variante des Doom Metal – schwelgende Gitarrenmelodien, in welchen man sich in epischen Songlängen regelrecht verlieren kann.
Zwischendurch gibt es immer wieder ein paar heftige Groove-Riffs, wo sich dann auch der klagende Klargesang schnell zu bösen Growls wandelt.

Das Konzept geht während der ersten halben Stunde auf, da ertappt man sich auch als Nicht-Fan schnell beim Mitwippen. Kein Wunder, ist doch eine eingängigere Variante des Finster-Metals kaum vorstellbar.

Genau hierin liegt über kurz oder lang (vor allem über lang) aber auch das Problem der Musik: Ecken und Kanten sucht man vergebens, spannende Songstrukturen, die den Hörer bei der Sache bleiben lassen, ebenso. So verkommt das erst sehr schmeichelnde Soundgewand dann auch zur Geduldsprobe, wenn einem klar wird, dass der emotionale Tiefgang, der suggeriert wird, eigentlich gar nicht wirklich vorhanden ist, und dass gerade die Doom-Death-Elemente doch eine ganze Ecke weniger primitiv sein dürften. Doch die Fans stört es nicht, als GHOST BRIGADE sich verabschieden, wird artig Applaus gespendet.

Nachdem GHOST BRIGADE einen Großteil des Sets durch spärliches blaues Licht eher passiv im Stageacting wirken, setzen ENSLAVED hier direkt einen starken Kontrast: Gerade Grutle und Ice Dale posen von der ersten Sekunde an, was das Zeug hält und zeigen so sehr schnell, dass es bei Liveshows eben nicht darum geht, trübsinnig auf der Bühne herumzustehen. Die Begeisterung, die ENSLAVED immer noch für ihre Musik an den Tag legen, springt eben immer auch aufs Publikum über und lässt auch diese Show wieder äußerst lebendig wirken.

Doch nicht nur in Sachen Interaktion können sich viele Bands und Musiker eine Scheibe abschneiden, auch und vor allem gilt das natürlich für die Musik. Diese kommt wie gewohnt progressiv, experimentell und dennoch kompromisslos aus den Boxen, der Fokus liegt dabei zwar klar auf den Songs ab „Ruun“, mit „Allfaðr Oðinn“ oder „As Fire Swept Clean The Earth“ werden aber auch andere Schaffensperioden würdig abgedeckt.


Ausreichend vertreten ist natürlich auch das aktuelle Album „Axioma Ethica Odini“, das mit „Raidho“, „Ethica Odini“ und „Giants“ am häufigsten zum Zug kommt. Die besten Publikumsreaktionen schienen dennoch auf die inzwischen durchaus zu Klassikern der Spätphase gewordenen „Fusion Of Sense And Earth“ und „Ruun“ zu kommen. Neben dieser zwar hochklassigen, aber insgesamt doch wenig überraschenden Setlist haben sich ENSLAVED für die Zugabe ein Schmankerl überlegt: In immer noch klar erkennbarer, aber dennoch massiv pervertierter Version gibt es Led Zeppelins „Immigrant Song“. Der Song kommt so überraschend und ist so selbstbewusst umgebastelt, dass es dann auch gar nichts ausmacht, dass natürlich weder Grutle noch Herbrand auch nur ansatzweise nach Robert Plant klingen. Hochachtung allerdings dafür, sich gerade diese Nummer vorzunehmen, gerade Led Zeppelin hätten ja doch auch genug Material zu bieten gehabt, das sich weit mehr für den ENSLAVED-Sound eignet.

Die beeindruckende Professionalität ENSLAVEDs bei gleichzeitiger immer noch vorhandener Spielfreude und Spontanität macht auch diesen Abend wieder lohnenswert. Die Norweger sind eine der ganz wenigen Metalbands, bei welchen man sich sicher sein kann, eine starke Show geboten zu bekommen, ohne, dass man fürchten muss, dass sich Band und Publikum irgendwann in beidseitiger Routine verlieren. GHOST BRIGADE haben ihre Sache für die Fans, die sich auf Dauer für die relative Gleichförmigkeit dieser Musik begeistern können, sicher auch gut gemacht. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass kürzere Abende mit weniger Bands sich einfach weit mehr eigenen, sich auf die Stimmung der einzelnen Truppen einzulassen und sich auf sie zu konzentrieren. Selbst wenn die Halle dann mal weniger gefüllt ist, musikalisch ist das ganz sicher lohnenswerter.


Setlist ENSLAVED:
Axioma
Ethica Odini
Raidho
Fusion Of Sense And Earth
Ground
Giants
Ruun
Return To Yggdrasil
As Fire Swept Clean The Earth
Allfaðr Oðinn

Immigrant Song (Led Zeppelin-Cover)
Isa

Fotos von: Moritz Grütz (Ghost Brigade), Marius Mutz (Enslaved)

Publiziert am von Marius Mutz

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