Konzertbericht: Schandmaul

2011-06-04 Luitpoldhalle, Freising

Keine zwei Monate sind vergangen, seitdem SCHANDMAUL zum letzten Mal nach längerer Abstinenz in ihrer bayerischen Heimat auftraten. Ende 2008 feierten die Süddeutschen mit ca. 7.000 Besuchern ihr 10-jähriges Bühnenjubiläum in eben jener Stadt, in deren Umkreis alles begann. Anno 2011 fanden sich im Zenith zur Comeback-Show im April bereits etwas weniger Fans ein. In Freising erinnerten die Rahmenbedingungen in der mit knapp 1.000 Zuschauern gut besuchten Luitpoldhalle wiederum an die sehr frühen Jahre der Band im Münchner Land. Doch dass auch diese Auftritte heutzutage noch ihren ganz eigenen Charme haben können, bewiesen die Folkrocker an jenem (improvisierten) Abend, der besonders gegen Ende und trotz einiger Schönheitsfehler eine Art Clubtour wünschenswert machte.

Litt der Auftritt des folkigen Sechsers im Zenith noch merklich unter den schwierigen Rahmenbedingungen, so war die Freising-Show akustisch ein kleiner Genuss. Allerdings konnte dank Thomas festgezurrter Schulter dieses Mal auch kein Akkorden im schandmaultypischen Klangteppich aus Geige, Dudelsack, Gitarren und Schlagzeug untergehen. Vielmehr wagten sich die Bayern selbst ohne Schifferklavier an alle Stücke der ursprünglichen Traumtänzer-Toursetliste (mit Ausnahme von „Rosen“). So geriet „Pakt“ etwas gitarrenlastiger, wobei das folkige Gesamtklangbild erstaunlich unbeeinflusst von der eingeschränkten Instrumentenvielfalt blieb. Auf der kleineren Bühne standen zudem alle sechs Musiker gleichermaßen im (besonders anfangs oft zu dunklen) Rampenlicht, so dass man auch abseits der Soli ausführlichere Eindrücke von Ducky an der Gitarre, Stefan am Schlagzeug und Mathias am Bass gewinnen konnte. Allerdings haben Schandmaul als Kollektiv abstimmungstechnisch mit Sicherheit weit bessere Abende als diesen erlebt, ebenso wie Sänger Thomas, der beinahe in jedem Song mit Textunsicherheiten und –aussetzern zu kämpfen hatte. Zwischenzeitlich wurde das Ensemble noch durch Roadie Denny an der Gitarre ergänzt, der bei einigen Stücken einsprang, die ohne eine zweite Gitarre nicht machbar gewesen wären. Thomas beschränkte sich größtenteils auf den Gesang und musste nur einmal sichtlich auf die Zähne beißen, als ein Crew-Mitglied ihn bei einem Sprint auf die Bühne mit voller Wucht gegen die verletzte Schulter rannte.
Trotz dieser Unwägbarkeiten und ohne musikalische Gäste taten Schandmaul das, was sie am besten können: gute Laune verbreiten und zum Feiern/Tanzen einladen. Der „Traumtänzer“ in Verbindung mit vielen älteren, schnelleren Klassikern wie „Leb!“ oder „Lichtblick“ ist grenzenlos livetauglich und lässt das mittelalterlich-angehauchte Tanzbein fast automatisch im Takt mitzucken. So verzeiht man den süddeutschen Folkvorreitern, dass sie sich bei „Bis zum Morgengrauen“ schamlos (oder eher schandlos?) am Twilight-Hype anlehnen oder mit „Assassine“ verdächtig nach Kraftwerks „Das Modell“ klingen. Mittendrin feierte selbst das beinahe vergessene Instrumental „Käpt’n Koma“ sein Comeback, wobei jedoch nur ein Teil des Publikums mit diesem Stück aus „Mit Leib und Seele“-Zeiten etwas anzufangen wusste. Ganz anders fielen hingegen die Reaktionen bei den Schandmaul-Liedern schlechthin („Teufelsweib“ und „Walpurgnisnacht“) aus. Beinahe die ganze Halle sprang dazu auf und ab, während Thomas sichtlich Mühe dabei hatte, den Schmerzen in seiner Schulter weiterhin Tribut zu zollen und nicht selbst kräftig mitzufeiern. In der intimen Atmosphäre fielen im Laufe des knapp zweistündigen Konzertabends die bereits erwähnten Schönheitsfehler immer weniger ins Gewicht und spätestens beim energiegeladenen Rausschmeißerduo „Frei“/“Walpurgisnacht“ war der Bann in Freising endgültig gebrochen. Als schließlich mit den Balladen „Willst Du?“ und „Dein Anblick“ der Auftritt merklich gegen Ende zusteuerte, schienen sich nicht nur manche Konzertbesucher etwas die Intimität der ersten Stunde zurückzuwünschen. Vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl?
Doch diese Frage stellte sich zunächst nicht: Nach mehreren Wechseln aus schnellen und ruhigen Stücken im Zugabenblock stimmten Schandmaul erst noch ein „Trinklied“ für den verbleibenden Abend auf dem Uferlos Festival an, bevor gemeinsam mit den sichtlich zufriedenen Fans lauthals der neue Abschlussong „Auf Euch“ gesungen wurde. Nachdenken über die zweite Hälfte der Traumtänzer-Tour Ende 2011 kann man indes auch noch nach den großen Sommerfestivals, wo Schandmaul u.a. auf dem Blackfield und dem Taubertal Festival aufspielen werden. Freising dürfte dem Sextett dabei allerdings allein durch die beinahe nostalgischen Rahmenbedingungen in guter Erinnerung bleiben.

Setliste
01. Intro
02. Kein Weg zu weit
03. Missgeschick
04. Auf hoher See
05. Leb!
06. Der Alchemist
07. Die Tür in mir
08. Käpt’n Koma
09. Assassine
10. Bis zum Morgengrauen
11. Teufelsweib
12. Lichtblick
13. Pakt
14. Drachentöter
15. Traumtänzer
16. Geas Traum
17. Hexeneinmaleins
18. Frei
19. Walpurgisnacht

20. Feuertanz
21. Der Spion
22. Dein Anblick

23. Krieger
24. Mitgift
25. Trinklied
26. Willst Du?

27. Auf euch

Publiziert am von und Uschi Joas

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