IMPERIUM DEKANDEZ in München, dazu HARADWAITH, die Band, die erst Kürzlich durch den Einstieg von ex-Endstille-Sänger Iblis Schlagzeilen machte, sowie die Freiburger UNLIGHT – dazu mit THORNGOTH und IN CONSPECTU MORTIS zwei weitere, eher lokale Black Metal-Kapellen: Für mich und geschätzte 150 weitere Metalheads Grund genug, den Weg ins Oberföhringer Kafe Kult anzutreten. Dazu muss Nicht-Ortskundigen kurz erläutert werden, dass die Location einen halbstündigen Fußmarsch von der nächstgelegenen U-Bahn beziehungsweise S-Bahnstation entfernt ist… und Vorstadt-Busse hat der Teufel gefressen, das weiß schließlich jeder.
Nachdem ich die Anfahrtsdauer etwas unterschätzt hatte, komme ich also erst um 19.30 im Bürgerpark Oberföhring an, in welchem sich der Club befindet – zu diesem Zeitpunkt sollte mit den Tölzern THORNGOTH bereits die erste Band die Bühne betreten. Warum eine verhältnismäßig renomierte Band wie THORNGOTH, die immerhin schon zwei Alben und diverse Live-Shows im Rücken haben, ein solches Event eröffnen müssen, ist eine andere interessante Frage – relevanter in der Situation ist jedoch eher, warum sie nicht, wie die Runningorder es vorsieht, auf der Bühne stehen. Offensichtlich hatte es nämlich ein Missverständnis zwischen Veranstalter und Band gegeben, welche erst um 19.30 zur Location gekommen war, in der Meinung, erst später auf die Bretter zu müssen.
Doch anstatt spontan zu reagieren und die Bandreihenfolge zu ändern, um den zeitlichen Ablauf des Events nicht all zu sehr davon beeinträchtigen zu lassen, wartet der Veranstalter geduldig, bis THORNGOTH schließlich um 20:45 mit einer guten Stunde Verzug ihren Gig beginnen. Bereits hier schant mir Übles für den restlichen Verlauf des Festivals: Mit fünf Bands ist der Zeitplan für das Event nämlich eh schon sehr knapp bemessen… und eine solche Verzögerung nicht unbedingt vorgesehen.
So bleibt den fünf Mann aus Tölz, die dementsprechend schlecht gelaunt sind, nichteinmal mehr Zeit mehr für Corpsepaint. Die Musiker sind allerdings professionell genug, sich davon nicht all zu viel anmerken zu lassen: Routiniert versuchen sie, das beste aus der Situation zu machen – ganz leicht wird es ihnen dabei nicht gemacht, kommen nach dem vorausgegangenen Stress nun auch noch technische Probleme schwerwiegenderen Ausmaßes dazu: Das Mikrophon fällt mehrfach komplett aus, erst ein Kabelwechsel in der Mitte des Sets kann dies beheben. Ansonsten kann der Sound durchaus überzeugen, druckvoll knüppelt der Black Metal der Formation aus den Boxen. Showmäßig wird zwar nicht all zu viel geboten, bis auf Sänger Akhorahil bewegt sich keiner der Musiker auch nur einen Zentimeter von der Stelle. Gelegentliches Headbangen ist das Maximum an Stageacting, aber wirklich stören tut das niemanden: THORNGOTH liefern trotz der technischen Probleme eine gute Show ab, was vom Publikum nach dem finalen „Abgrund“ vom aktuellen Werk „Rauhnacht“ gebührend quittiert wird.
Bis mit IN CONSPECTU MORTIS die Band des Veranstalters auf die Bühne geht, verstreicht eine weitere halbe Stunde mit Umbau, so dass es bereits 21.45 Uhr ist, als die zweite Band des Abends die Bühne betritt. Optisch machen die Jungs um einiges mehr her, Corpsepaint, ein Kelch mit Blut und ein Mikrophonständer, welcher liebevoll mit Ziegenschädeln, Stacheldraht und einem kopfüber baumelnden Jesus geschmückt ist, lassen schon im Vorhinein ahnen, dass es hier wohl eher sehr true zugehen würde. Und in der Tat, bereits die ersten Töne von „The Prophecy Of The Fallen One“ bestätigen diese Vermutung: Mäßig spannend und minder abwechslungsreich wird hier Geknüppelt und Gekeift: Technisch nicht unbedingt schlecht, jedoch auch alles andere als anspruchsvoll prügelt sich die Truppe so durch ihr Set, welches überflüssigerweise eine geschlagene Stunde lang ist – für eine Vorband und in Anbetracht der Tatsache, dass man sowieso drastisch im Verzug gegenüber dem Spielplan ist, eine nicht unbedingt nachvollziehbare Entscheidung, zumal der Veranstalter selbst bei dieser Truppe involviert ist und somit alle Möglichkeiten gehabt hätte, sich hier bescheiden zu geben und auf Kosten eigener Spielzeit den restlichen Verlauf des Abends wieder in geregeltere Bahnen zu lenken. Von Technischen Problemen bleibt dabei auch dieser Gig nicht verschont, eine Gitarre fällt zeitweise komplett aus und auch sonst läuft nicht alles rund – „Mehr Monitor“ wird zum wohl am häufigsten vernommenen Satz des Gigs.
Dem Publikum scheint der Auftritt dennoch größtenteils zu gefallen: Die erste Reihe ist dichter besetzt als beim Opener und so manches Haar wird geschüttelt.
Setlist IN CONSPECTU MORITS:
01. The Prophecy Of The Fallen One
02. Praise The One Your Fear
03. Dein Behüter
04. Existence Is Hate
05. I-N-R-I
06. Wisdom For Mankind
07. Ruins Of The Past
Nach der halbstündigen Umbaupause folgt mit UNLIGHT ein erster Höhepunkt des Abends: Um 23.15 betreten die Freiburger die Bühne und spielen sich von der ersten Sekunde an so souverän durch ihr Set, wie man es von einer Band, die bereits seit über zehn Jahren ihr Unwesen treibt, erwarten darf: Hier bedarf es keiner Bühnenutensilien oder dekorierter Mikrophonständer, um Eindruck zu schinden, statt dessen verlässt man sich auf eine professionelle Show, engagiertes Stageacting sowie ausgereiftes Songmaterial, um das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Fronter Blaspherio, der nicht nur ob des Corpsepaints ein wenig an Behemoth’s Nergal erinnert, ist sich aber nicht zu true für die ein oder andere scherzhafte Ansage, und auch Bassist Tartaros lässt sich zu der einen oder anderen Blödelei hinreißen.
Reibungslos verläuft zwar auch dieser Auftritt nicht, macht doch ein weiteres Mal das Mikrophon Zicken, dennoch tut das der Publikumswirkung der Band keinen Abbruch, und so sind die Reaktionen durchweg positiv, als nach einer knappen Stunde das einstündige Set mit dem Thrash-Klassiker „Der Wachturm“ beendet wird.
Setlist UNLIGHT:
01. Dead Angel Innocence
02. Inferno
03. That Old Black Magick Spell
04. Becoming The Ungodly Sin
05. Death Consecrates With Blood
06. Through The Gate
07. Carnal Baptism
08. Bestrow The Blessings Of Hell Upon Us
09. Mendacious Messiah
10. Eldest Born Of Hell
11. Der Wachturm (Zugabe)
Es folgt eine übermäßig lange Umbaupause, die sich das Publikum an der Bar (beim Bierpreis von 2,50€ nicht einmal unbezahlbar) oder an den beiden Merchandise-Ständen im Nebenraum vertreibt. So ist es dann jedoch bereits 00.45, als die nächste, vorletzte Band die Bühne betritt. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie in der Running-Order angegeben, um IMPERIUM DEKADENZ, sondern um die Leipziger HARADWAITH. Dass diese erst 2003 gegründete Band, welche noch nicht ein einziges Album zustande gebracht hat, überhaupt nach renomierten Bands wie THRONGOTH oder UNLIGHT auf die Bühne darf, hat sie wohl lediglich ihrem prominenten Neuzugang am Mikrophon, Iblis, zu verdanken.
Musikalisch kann die Formation nämlich nur wenig überzeugen: Die Songs wirken unstrukturiert, planlos arrangiert und bisweilen zudem äußerst dissonant – letzteres könnte auch einer ungestimmten Gitarre zugeschrieben werden, was jedoch nicht minder peinlich wäre. Auf die Musik als solche muss also nicht näher eingegangen werden, bietet sie doch wirklich wenig bis gar nichts positiv erwähnenswertes – selbst die technischen Fertigkeiten der Musiker lassen stellenweise sehr zu wünschen übrig, klingt die ganze Chose doch teils arg rumpelig.
Kommen wir also zum einzigen Selling-Point der Formation, Sänger Iblis: Der meines Erachtens nach charismatischste Fronter der deutschen Black Metal-Szene scheint nicht seinen besten Tag zu haben, geht doch so zimlich alles schief, was nur schiefgehen kann:
Angefangen von der Kommunikation mit dem Publikum, die daran scheitert, dass kein Münchner schnell gesprochenes Norddeutsch versteht, über ein ständig defektes Mikrophon, das Iblis durch sein wildes Stage-Acting zudem alle Augenblick vom Kabel reißt, bis hin zu dem Punkt, an dem Iblis derart geschickt Haare und Mikrophonkabel ineinander verheddert, dass er den Rest des Gigs das Kabel in den Haaren hängen hat – auch, als er für das Mikro längst ein neues bekommen hat, nachdem wohl auch dieses seinen Geist aufgegeben hatte. So erinnert er mich ein wenig an Arthur Dent aus Douglas Adams „The Hitchhikers Guide To The Galaxy“, der ein Jahr lang einen Kaninchenknochen in seinem Bart mit sich spazieren trägt. Zwar bietet das Kieler Energiebündel dabei eine gewohnt engagierte Show, schreit und keift, was das Zeug hält und kauet gollumgleich über der Monitorbox, doch wirkt all das mit einem losen Mirkophonkabel im Haar ein wenig hilflos. Dass zudem stellenweise die komplette rechte Hälfte der Hallen-Beschallung ausfällt sorgt für einen weiteren drastischen Dämpfer.
Nachdem sich also schon Endstille kürzlich in München demontiert hatten, sieht es so aus, als wäre auch Iblis Versuch, alleine klarzukommen, vorerst gescheitert – Endstille haben mit Zingultus ja nun einen zumindest erfahrenen Ersatz gefunden. Ob das allerdings das Fehlen eines Iblis kompensieren kann, bleibt abzuwarten. Andererseits kann auch der charismatischste Fronter mit einer schwachen Band im Rücken nicht überzeugen, wie der heutige Auftritt von HARADWAITH beweist, der einen Co-Headlinerposten alles andere als rechtfertigt.
Setlist HARADWAITH:
01.Reconstruction Of Chaos
02.Mephistophilian Philosophy
03.Laceration Of Flesh
04.Seed Of Judas
05.Creating Hell
06.Open The Earth
07.Devilution
08.Thoughts Of Exit
Mittlerweile hat sich die Halle auf vielleicht 50 Personen geleert, was ob der späten Stunde (der HARADWAITH-Gig endet erst um 1:15) und der abgelegenen Location kein Wunder ist – heimkommen muss man schließlich auch irgendwie, und wer öffentlich gekommen ist und nicht erst mit einem Nachtbus durch die halbe Stadt gondeln will, bevor er nach Hause kommt, sollte jetzt schon unterwegs sein – für so manchen Besucher bleibt ein IMPERIUM DEKADENZ-Gig also weiterhin ein unerfüllter Wunsch und der Abend so wohl nur ein halbwegs gelungenes Event.
Nach einer weiteren endlos erscheinenden Umbaupause (die beiden Merchandise-Stände hat man mittlerweile zum fünften Mal durchforstet und der übermäßige Bierkonsum wäre einem Bericht wohl eher abträglich ;) ) betreten schließlich um 2:10 Uhr IMPERIUM DEKADENZ die Bühne.
Die Übriggebliebenen, bei denen Sich Sänger Horaz artig fürs lange ausharren bedankt, sind der Urzeit entsprechend träge: Wer nicht schon bierselig in der Ecke sitzt oder liegt steht benommen vor der Bühne, so richtig Stimmung kommt erst ab der Hälfte des Sets auf, so dass doch noch einige Köpfe geschüttelt werden.
An der Performance der spontan zum Headliner erkorenen Schwarzwälder kann es jedenfalls nicht liegen, spielen die Jungs doch routiniert ihren Gig, ohne sich die widrigen Umstände des Auftritts anmerken zu lassen: Es wird geheadbangt und gepost, ausnahmsweise lässt sogar der Sound keine Wünsche unerfüllt: Ob „Gefrohrene Wunden“ vom Erstlingswerk, „Staub und Erinnerung“ vom aktuellen Machtwerk „Dämmerung der Szenarien“ oder „Ego Universalis“ vom im Januar erscheinenden „Procella Vadens“ – alle Songs wirken kraftvoll und, wäre es nicht mittlerweile kurz vor drei Uhr nachts, mitreißend.
Für IMPERIUM DEKADENZ ist es von allen Bands wohl dennoch am schlechtesten gelaufen, müssen sie doch die von anderen verschuldeten Verschiebungen im Zeitplan und in der Runningorder in Form eines drastisch reduzierten, übermüdeten Publikums ausbaden – optimale Bedingungen für einen für eine Band zufriedenstellenden Konzertabend sehen anders aus. Diese äußeren Umstände gehen natürlich auch nicht spurlos an der Band vorbei, so dass die Truppe doch einigermaßen froh zu sein scheint, als das Ding nach dem finalen „The Night Whispers To The Wise“ in trockenen Tüchern ist und um kurz nach drei Uhr mit dem Abbau begonnen werden kann.
Setlist IMPERIUM DEKADENZ:
– Intro (Into Breathless Sleep)
01. Der Dolch im Gewande
02. Hordes From The Dark Star
03. Gefrorene Wunden
04. Staub und Erinnerungen
05. Schwarze Wälder
06. Nebelbrandung
07. Ego Universalis
08. The Night Whispers To The Wise
09. Reich der fahlen Seelen
– Outro(Waiting)
Was bleibt zu sagen? Zu erst einmal ein großes Lob an IMPERIUM DEKADENZ, die sich von all den Widrigkeiten nicht davon haben abbringen lassen, eine gute Show zu spielen.Direkt im Anschluss jedoch Kritik am Veranstalter: Mangelnde Flexibilität bei der Verspätung von THORNGOTH leitete die zeitliche Verschiebung ein, überlange Umbauzeiten taten ihr übriges dazu, dass die Veranstaltung weit über das geplante Ende hinausgezogen wurde – bei einer Location, die öffentlich derart suboptimal zu erreichen ist, nicht gerade postitiv. Dass sich so mancher Fan deshalb den Auftritt von IMPERIUM DEKADENZ, die wohl der größte Publikumsmagnet des Abends gewesen waren, nicht ansehen konnte, sagt dabei eigentlich schon alles.
Hier fehlt schlicht die Erfahrung beziehungsweise Einsicht, dass fünf Bands für ein Konzert, das erst um 19.30 anfangen und zu einer einigermaßen annehmbaren Zeit beendet sein soll, schlicht zu viel sind… erst recht, wenn bereits ab der zweiten Band einstündige Spielzeiten vergeben werden.