Konzertbericht: Ensiferum w/ Metsatöll, Tracedawn

2009-10-01 Hamburg, Markthalle

Vielleicht mehr als eine Reminiszenz an vergangene Zeiten, doch an der zweiten großen Headlinertour von ENSIFERUM kam ich auch dieses Jahr nicht vorbei. Auch wenn „From Afar“ mich nicht ins Letzte überzeugt, so ließ mich die Hoffnung auf Songs aus glorreichen alten Zeiten erneut in der Markthalle erscheinen.
Es ist schon mächtig voll, als mit TRACEDAWN die erste Vorgruppe aufspielt. Zahlreiche jüngere Leute haben sich eingefunden und ich bemerke, dass viele meiner Freunde offenbar ihren Musikgeschmack weiter entwickelt haben; denn im Gegensatz zum Sólstafir-Konzert eine Woche zuvor treffe ich fast keine Bekannten.
Von TRACEDAWN hatte ich vorher nichts gehört, jedoch haben die Finnen mit großem Medienecho im Rücken sich offensichtlich schon reichlich Fans erspielt. Der moderne Melodeath der jungen Gruppe macht einen grundsoliden Eindruck, kann mich jedoch nicht in Jubelstürme versetzen. Erstmal ein Bier.

Déjà-Vue bei METSATÖLL: Als vor zwei Jahren am gleichen Orte die Taiwanesen von Chthonic für Ensi eröffneten, stand eine Gruppe fröhlicher Landsleute im Publikum. Das gleiche Bild bietet sich nun bei den estnischen Exoten, die kurz nach neun an der Reihe sind: Drei junge Damen, die sogar mitsingen.
Obwohl die Jungs aus dem Baltikum schon über zehn Jahre im Geschäft sind, haben sie noch nicht allzu viel Staub aufgewirbelt, jedenfalls sind sie mir auch nur schnipselweise bekannt. Das sollte sich künftig aber ändern, denn METSATÖLL hinterlassen einen tollen Eindruck. Der kernige (Heavy) Folk Metal erinnert live streckenweise an die energiereichen Nachbarn von Skyforger, und das ist als großes Kompliment zu verstehen! Auch wenn ich über die Spielfolge nichts sagen kann, so finden die Esten eine gute Mischung aus schnelleren und langsameren Liedern und begeistern mit einer Vielzahl von Folkinstrumenten. Die Band – namentlich Sänger Rabapagan, der optisch an Éomer aus der „Herr der Ringe“-Verfilmung erinnert – kommt sehr sympathisch daher, bewegt sich ordentlich, manche Ansagen werden mit ein bisschen Deutsch angereichert. Der Masse gefällt’s, auch wenn abgesehen von den Damen hinter mir niemand mitsingen kann, so wird zumindest geklatscht, gebangt und getanzt. Nach einer runden Dreiviertelstunde ist Schluss mit METSATÖLL, und die Stimmung ist hervorragend.

Das Warten auf den Headliner ist relativ kurz, eine Viertelstunde später stehen ENSIFERUM bereits auf den Brettern. Wie zu erwarten war, geht es mit dem Intro und dem ersten Song der neuen Platte los, und zwei Dinge fallen positiv ins Auge: Im Vergleich zum Auftritt vor zwei Jahren verzichtet man auf allzu alberne Bühnenbekleidung (auch wenn die Deko mit Pappmachémauer und großen Fake-Schilden etwas überladen ist) und der Gesamtsound inklusive Gesang ertönt grundsolide. Erfreut glaube ich festzustellen, dass man die ausladenden Orchester-Effekte von der CD nicht mit auf die Bühne genommen hat, so dass sich „From Afar“ ganz gut zu entwickeln scheint.
Klar, es muss mit einem weiteren aktuellen Song weitergehen: „Twilight Tavern“. Das Publikum ist begeistert und trägt die Nummer kräftig mit. Das kalte Entsetzen packt mich jedoch, als meine schlimmste Befürchtung eintritt: Der Frauenchor in der Mitte kommt vom Band, die Lippen von Keyboarderin Emmi bleiben geschlossen. Grauenvoll das, ich hoffe so sehr, dass solche Unsitten bald wieder der Vergangenheit angehören.ENSIFERUM legen die nächsten Stunden ein Konzert hin, das in neuen Songs erstickt (erneut fehlt nur ein Stück vom ganzen neuen Album) und wenige Klassiker bietet. Die Ankündigung von „Little Dreamer“ erfreut mich zwar sehr, aber die Nummer wird lust- und drucklos gespielt. Großartige Nummern wie „Guardians Of Fate“ und „Treacherous Gods“ (in der Zugabe) schaffen es zwar, dass der Abend als gelungen in Erinnerung bleiben wird, aber das ist nicht viel Netto vom Brutto. An den neuen Songs ist nicht viel auszusetzen, aber als große Live-Knaller erweist sich keiner. Hinzu kommt das erwähnte Ärgernis mit den Samples aus der Konserve, was sich besonders erschreckend bei „The Longest Journey“ (E-Gitarren-Ausklang) und dessen Intro (ein Vokalstück vom Band? HALLO?) zeigt. Manches Mal habe ich sogar den Verdacht, dass auch Dinge wie ein Trommelwirbel oder die Chöre nicht hundertprozentig live dargeboten werden.

Von diesen gravierenden Schrecken abgesehen spielen die Finnen einen ordentlichen Gig. Interaktion mit dem Publikum, Turnerei auf der Bühne und energisches Headbanging, da bleiben wenig Wünsche unerfüllt. Doch die Stimmung ist massiv gedämpft, auch wenn man das mal wieder nicht so sehr bei der restlichen Meute merkt. Mit „Iron“ alias „Dää dädädäää, dä dädädäää“ kommt ein zumindest würdiger Rausschmeißer, der noch mal die Nackenmuskeln und die Stimmbänder strapaziert. Ob ich beim nächsten Mal dabei bin? Fraglich.

Spielfolge Ensiferum:
By The Dividing Stream
From Afar
Twilight Tavern
Little Dreamer
Elusive Reaches
Wanderer
Heathen Throne
Guadians Of Fate
Tale Of Revenge
Smoking Ruins
Slayer Of Light
One More Magic Potion
Tumman Virran Taa (vom Band)
The Longest Journey
Treacherous Gods
Lai Lai Hei
Iron

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