Konzertbericht: Dream Theater w/ Charlie Dominici

2007-06-05 Linz, Posthof

Am 05.06.2007 gaben die Proggötter aus Amerika eine Audienz in Österreich, ihre erst zweite auf der laufenden „Chaos in Motion“ Tour nach dem Auftritt auf dem „Gods of Metal“ Festival in Italien. Mit gebracht hatten sie für diesen Abend einen alten Bekannten der Band: Charlie Dominici mit seiner nach dem Sänger benannten Band. Der große Saal des Posthofs in Linz war sehr gut gefüllt und auch die Tribünen auf der Galerie waren bis auf den letzten Platz besetzt. Vor dem Konzert hatte ich eine schwere Entscheidung zu treffen: Runter in den Saal und mit dem bunt gemischten Publikum voll abgehen, dabei aber das Risiko eingehen nichts zu sehen (kleinere Menschen werden immer benachteiligt ;)), oder rauf auf die Tribüne, von der man die Bühne schön überblicken konnte, aber dafür abseits vom Epizentrum der Stimmung zu sein. Mein Begleiter und ich entschieden uns dann schließlich für die bessere Aussicht. Ob das schlussendlich eine gute Entscheidung war, erfahrt ihr am Ende des Berichts.

Punkt 20:00 Uhr ging es los. Die jungen Bandmitglieder von Charlie Dominci betraten die Bühne und wurden bereits herzlich empfangen. Durch das große, noch verhüllte Schlagzeug von Portnoy wurde ihre Bewegungsfreiheit zwar etwas eingeschränkt, was vor allem Dominci in seinem Tatendrang beeinflusste, dennoch war ihnen die Freude, vor einem gut gelaunten Publikum zu spielen, von den Augen abzulesen. Vom aktuellen Album „O3 A Trilogy – Part 2“ (Review bei Metal1) war ich zwar nicht sonderlich beeindruckt, weswegen ich mir vom Special Guest nicht viel erwartet habe, gelangweilt war ich aber schlussendlich auch nicht. Die Songs kommen live um einige Grad härter rüber und machen vor allem in ihren instrumentalen Ausschweifungen Spaß. So war auch das Instrumental „The Monster“, bei dem Dominci für Minuten hinter der Bühne verschwand, das Highlight des Auftritts. Nach etwa 45 Minuten waren sie dann auch fertig und ernteten ordentlich Applaus für ihre Performance.

Wer auch immer die Musik während des Umbaus ausgesucht hat, weiß wirklich, wie man Spannung erzeugt. Die klassische, hauptsächlich mit Streichern gespielte, Musik bot einiges an Dramatik und dürfte wohl von einem Filmsoundtrack stammen. Egal, nach halbstündigen Umbauarbeiten wurden wir dann endlich erlöst, als der Vorhang aufging und auf der Leinwand dahinter das „Dream Theater Intro 2007“ gezeigt wurde: Ein Zusammenschnitt, der die Alben bis zum neusten Werk „Systematic Chaos“ sowohl in Bild als auch in Ton zusammenfasste. Los ging es mit dem Instrumental „Overture 1928“ aus dem Konzeptalbum „Metropolis Part 2: Scenes from a Memory“, bei dem ich das erste Mal nicht wusste wo ich zuerst hinschauen soll? Portnoy bei der Arbeit am Schlagzeug zusehen, wie er Stöcke durch die Gegend wirft, mal fängt, mal nicht? Zu Petrucci wie seine Finger mit einer Geschwindigkeit über die Saiten fahren, das einem schwindlig wird? Oder doch lieber Myungs göttliches Bassspiel bewundern? Oder Rudess dabei zusehen, wie er zwischen 5 Tasteninstrumenten immer das richtige findet und sogar noch die richtigen Tasten trifft. Für einen Fan wie mich, der die Band noch nie live gesehen hat, aber jedes Album vergöttert, war der wahrhaftige Anblick einfach nur unbeschreiblich. Immer wieder trieb mir das Spiel der Vier ein Grinsen ins Gesicht. Als James LaBrie die Bühne zu „Strange Deja Vu“ betrat, war ich schon längst überzeugt, dass die nächsten Stunden genial werden. LaBries Organ schien an diesem Abend auch durchgehend stark und Zweifel über seine mögliche Liveperformance, die mir bei solchen Livedokumenten wie „Once In A LIVETime“ aufkamen, waren auch wie weggewischt.

Die Setlist des Abends war eine bunte Mischung aus älteren Album sowie dem Vorgänger zum neusten Werk und auch Songs von „Systematic Chaos“ kamen an die Reihe. Wie ich bereits angenommen habe, ist „Constant Motion“ live eine wahre Granate. Gegenüber der Albumversion wurde die Geschwindigkeit nochmals angezogen und die Shouts im Refrain („Forever more, into the light, blistering“) müssen einfach mitgeschrieen werden, was ich natürlich aus tiefster Seele tat. Ich sah mich auch immer wieder auf der Tribüne um und war etwas überrascht, als ich die meisten Leute einfach dasitzen sah, als wären sie im Theater, während der Saal unten sprang und das Haupthaar schüttelte. Naja, ich ging eben im Sitzen voll mit. Auch beim darauf folgenden „The Dark Eternal Night“ wurden meine Nackenmuskeln wieder beansprucht. Dieser doch sehr ungewöhnliche und harte Song der New Yorker ist live erwartungsgemäß ein Brett. Die verzerrten Shouts kommen auf der Platte zwar deutlicher hervor, aber die Jungs haben ja noch Zeit zu üben. Leider gab es immer wieder kleine Probleme mit der Technik. So gab es kurze Aussetzer des Mikrophons, der Kopfhörer bzw. Empfänger von Myung schien kurz defekt zu sein und auch Petrucci verschwand kurz mal hinter den Boxen. Vom Auftreten her waren die Jungs, wenn ich es einschätzen kann, wie immer: Myung ruhig, Petrucci konzentriert, Portnoy verspielt und gut drauf. Manche mögen aufgrund Myungs und Petruccis Bühnenpräsenz zu wenig Publikumsinteraktion kritisieren, aber so sind die Jungs nun mal, und solange sie mit ihren Instrumenten derart geniale Sachen anstellen, können sie von mir aus auf der Bühne sitzen.

Vom neuen Album wurde außer den beiden Granaten auch noch das ruhigere „Forsaken“ gespielt, beim dem Rudess ein wunderbares Pianointro spielen durfte. Dem Song wurde live auch etwas mehr Power verliehen und das Publikum war bereits textlich sehr sicher, was mich aufgrund der kurzen Zeit zwischen Veröffentlichung und Auftritt ein wenig (positiv) überraschte. Weitere Highlights des Abends waren das vom Klassiker „Images and Words stammende „Take The Time“ das ebenfalls wieder vom Publikum angestimmt wurde und einer meiner All-Time Favorits „Home“. Was soll ich sagen? 15 Minuten Gänsehaut pur!

Nach knapp 90 Minuten, in denen ich mein T-Shirt nass geschwitzt hatte, wurde das reguläre Set beendet. Als Zugabe gab es dann noch das wunderbar, emotionale „The Spirit Carries On“ und den Rausschmeißer „As I Am“, bei dem ich noch mal mein Genick beanspruchen musste. Unter großem Applaus verabschiedete sich die Band, der anscheinend auch warm war im Posthof (Portnoy fiel auf der Bühne demonstrativ um und musste von Petrucci erst wiederbelebt zu werden). Insgesamt war es ein wunderbarer Abend, der für mich dieses Jahr wohl nicht mehr zu überbieten ist. Mit diesem Auftritt ist DREAM THEATER für mich einen weiteren Schritt Richtung Musik-Olymp gegangen.

Ach, ich wollte ja noch aufklären, ob meine Platzwahl eine gute Idee war: Schlussendlich war ich mit dem Sitzplatz doch sehr zufrieden. Ich habe auf alle Bandmitglieder gesehen und konnte jedem auf die Finger schauen. Leider waren manche Zuschauer auf den oberen Reihen leicht fehlt am Platz, denn wie kann man bei dieser genialen Musik ruhig sitzen bleiben, sich zurücklehnen und die Arme verschränken, bzw. die Ohren zu halten, wie es die junge Dame vor mit tat? Sollte mich ein solches Konzert jemals derart kalt lassen, dann möge mir bitte jemand eine runterhauen. Danke.

Setlist:
1. Overture 1928
2. Strange Deja Vu
3. Take The Time
4. Constant Motion
5. The Dark Eternal Night
6. Endless Sacrifice
7. I Walk Beside You
8. Surrounded
9. Panic Attack
10. Forsaken
11. Home
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12. The Spirit Carries On
13. As I Am

Geschrieben am 5. Juni 2007 von Metal1.info

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