Konzertbericht: Coldplay w/ Kettcar, Richard Ashcroft

2005-06-17 Köln, Fühlinger See

Lange lange hatte ich diesem Tag entgegengefiebert – nach drei Jahren Wartezeit auf das neue Coldplay Album “X&Y” war es nun endlich soweit: Coldplay live am Fühlinger See in Köln. Im Gepäck: Geniale Supportacts namens „Kettcar“ und „Richard Ashcroft“ (ex-The Verve).

Um ca. 13:30 kam ich am Konzertgelände an, nachdem ich den ein Kilometer langen Marsch vom Parkplatz (ein riesiges Feld irgendwo am Stadtrand von Köln-Fühlingen) hinter mich gebracht hatte. Laut Karte sollten sich die Tore um 15 Uhr öffnen. Ich rechnete bereits mit großem Andrang, da im Vorfeld schon 15000 Tickets verkauft worden waren. Entsprechend überrascht war ich, dass sich doch erst eine kleine Schlange vor dem Eingang eingefunden hatte. Nach endlos lang erscheinenden 1 ½ Stunden durften wir dann tatsächlich auf das Konzertgelände. Dabei handelte es sich jedoch nicht, wie ursprünglich geplant, um die Regattainsel des Fühlinger Sees, sondern lediglich um einen der Parkplätze. Der Grund: Die von Coldplay eigens mitgebrachte Bühne war wohl zu groß für die Insel, sodass womöglich nicht mehr alle Zuschauer mit draufgepasst hätten. Da das Areal aber rundherum mit Bäumen versehen war, tat dies der Atmosphäre keinen Abbruch. Auf dem riesigen Platz gab es mehrere Merchandisingstände, etliche Bierbuden, Süßigkeitenstände, herumlaufende Eis- und Pizzaverkäufer und so ca. 100 (!!) Dixiklos.

Aber jetzt zum Wichtigsten: Die Hamburger von „Kettcar“ sollten nicht wie geplant um 17 Uhr, sondern erst um 18 Uhr beginnen. Das sorgte für Ungeduld beim Publikum, da man ja von seinem ergatterten Platz auch nicht mehr weggehen durfte bzw. konnte, ohne das Konzert nachher von ganz hinten bestaunen zu dürfen. Pünktlich begannen „Kettcar“ ihr ca. 40-minütiges Set aus sanften Popsongs und leicht punkigem Deutschrock. Insgesamt nicht schlecht, auch wenn man absolut merkte, dass die Band normalerweise nur in Clubs spielt und ein wesentlich kleineres Publikum anspricht. Sie wurden trotzdem positiv aufgenommen.

Gegen 19:15 betrat dann „Richard Ashcroft“ die Bühne. Ganz alleine. Später gesellte sich ein unscheinbarer Keyboarder zu ihm. Teilweise rein akustisch, teilweise mit großer Unterstützung vom Playback-Band gab er Hits wie „Drugs Don’t Work“ oder „Bittersweet Symphony“ zum Besten. Vorallem bei letzteren, dass seinen obercool wirkenden Auftritt (Sonnenbrille, Jeansjacke etc.) abschloss, wurde er von den anwesendem Publikum lautstark unterstützt und abgefeiert. Nach etwas mehr als 50 Minuten musste auch er die Bühne verlassen. Beide Support Acts hatte übrigens weder die zwei Leinwände, noch die Lichtanlage nutzen dürfen. Es war ja auch noch ganz hell.

In der Umbaupause wird das Yamaha-Piano auf die Bühne geschoben, sogar ein Minimoog ist zu meiner großen Freude dabei. Jetzt kann es sich also nur noch um ein paar Minuten handeln.
Erst um kurz vor Neun betraten Chris Martin und seine charismatischen Bandkollegen zu den Tönen des Openers „Square One“ die Bühne. Der aufgehangene schwarze Vorhang ging auf, die Leinwände an, eine auf die Bühne projizierte Digitaluhr zählte zielstrebig, aber immer langsamer werdend auf 0:00.00 herunter, als die Gitarrenriffs einsetzen und der Platz von einer Atmosphäre ergriffen wird, die sehr schwer zu beschreiben ist. Über 15000 hell strahlende Gesichter bestaunen die über 60 beweglichen Strahler und singen mit Chris lautstark die ersten Zeilen des Songs. Jeder Song wird durch eine andere Lightshow ergänzt, ein ganzes Kamerateam fängt Livebilder von den Musikern ein, die auf die Leinwände übertragen werden und teilweise auch verfremdet auf der Wand hinter der Bühne gezeigt werden. Keine Frage, showtechnisch haben Coldplay alles richtig gemacht! Schade nur, dass es noch nicht ganz dunkel war und sich die Effekte vielleicht nicht ganz so gut entfalten konnten. Chris Martin gab sich wie immer recht wortkarg. Außer einem „Guten Abend Köln!“, und einem „Alles klar?“ sowie einem „Goodbye and thank you for coming all the way to see us tonight!“ gabs nicht viel zu hören und man spielte sich streng durch das Programm. Dies ist sicherlich ein Nachteil gegenüber Clubkonzerten, andererseits hat Coldplay dies mit einer hervorragenden Performance und einer fast perfekten Setlist wieder gutgemacht. Bei „The Scientist“ versuchte sich Chris allerdings nochmals am Deutschen und änderte einen Textteil in „Wo geht’s hier zum Bahnhof?“. Das Publikum war übrigens auch spitzenklasse. Nicht nur, dass man gut Stimmung machte, auch viele Texte des gerade 1 ½ Wochen „alten“ Albums „X&Y“ wurden lautstark zum Besten gegeben. Außerdem muss man die große Friedfertigkeit loben, denn es kam bei über 15000 Leuten zu keiner erkennbaren Ausschreitung.

Insgesamt ist ein Coldplay-Konzert insbesondere wegen der vermittelten Stimmung etwas ganz besonderes: Erstens ist es das harmonische Publikum, welches unheimlichen Beitrag dazu leistet – man fühlt sich wie ein Teil einer riesigen Familie. Zweitens ist Coldplay eine der ganz rar gesäten Bands, die eine unglaublich große Masse an Menschen der unterschiedlichsten Altersklassen ansprechen und es dennoch schaffen, denn Eindruck zu vermitteln, nur für dich zu spielen. Songs wie „What If“, „Yellow“, „White Shadows“ oder „Don’t Panic“ sind nun mal insbesondere live Gänsehautgaranten, denen sich niemand entziehen kann. Schön auch, dass es Coldplay schaffen gegenüber den Studioalben insgesamt etwas rockiger rüberzukommen und dass zwischen all den epischen Herzschmerznummern auch noch die Lagerfeuer-Atmosphäre verbreitenden Songs vom Debüt „Parachutes“ in ganz kleinem Rahmen und verhalten dargeboten werden: Da kommt man sich vor wie im eigenen Wohnzimmer. Da scheinen nur zwei tiefhängende, in warmem Orange strahlende Scheinwerfer auf vier kleine Menschen. Und da spielt der Schlagzeuger auch einmal das E-Piano, während der Bassist einer Mundharmonika sanfte Töne entlockt. Dann braucht Chris Martin auch nicht mehr singen, dass macht schon das Publikum für ihn. In solchen Momenten vergisst man gerne schon mal die Zeit und kann sich einfach treiben lassen.

Keine Frage, Coldplay muss man bei solchen Zuschauerzahlen und dem Medienwirbel wohl schon Mainstream nennen. Aber wer eine kennt schon eine recht frische Band, die es mehr verdient hätte, den Chartolymp zu erklimmen, als die vier englischen Jungs? Sie machen handgemachte, qualitativ nicht aus der Konservendose stammende Musik, sind ehrlich und sympathisch. Und auf dem besten Weg so groß wie REM oder U2 zu werden.

Ein einziger Wehrmutstropfen an einem ansonsten wunderschönen und unvergesslichen Abend, den ich anders als mein ersten Coldplay-Konzert leider nicht mit der Person verbringen konnte, durch die ich diese Band erst vor drei Jahren kennengelernt habe, war die wieder sehr kurze Spielzeit von 90 Minuten inklusive drei Zugaben. Viele der Konzertbesucher waren deshalb leicht enttäuscht, ich hatte mich schon darauf eingestellt, da ich bei der letzten Tour bereits Ähnliches erlebt hatte. Schade nur, dass die Tickets nicht mehr dreißig, sondern mittlerweile fünfzig Euro kosten. Und da machen sie noch Werbung für „Make Trade Fair“, um die armen Länder bei ihrem Handel mit den ausbeutenden, reichen Nationen zu unterstützen. Ein kleiner Widerspruch in sich!

Da ich aber eine (siehe oben) hohe emotionale Verbundenheit zu Coldplays Musik habe, ist es mir eigentlich egal wie lange sie spielen. Jeder Euro und jede Minuten hat sich gelohnt. Dafür steh ich auch 8 Stunden unbeweglich und eng gedrängt auf einem Fleck.
Vielleicht belegt der Fakt, dass ich eine satte ganze Stunde auf dem riesigen Parkplatz meinen kleinen Fiesta suchen musste, die Tatsache, dass ich völlig enthusiastisch das Konzertgelände verlassen habe! Die Stunde hab ich aber keineswegs verschwendet, denn mehr als 5000 Autos möchten auch erst mal von einem Parkplatz mit nur zwei Ausfahrten (gleichzeitig) runterkommen!

Glücklich und zufrieden kam ich um halb drei zuhause an. Wann beginnt endlich die Hallentournee?

(Die Fotos wurden übrigens ganz zu Beginn gemacht, als nur ein Bruchteil der Leute da war!)

Setlist Coldplay:

Square One
Politik
Yellow
God Put A Smile Upon Your Face
Speed Of Sound
Low
A Message
Everything’s Not Lost
White Shadows
The Scientist
Til Kingdome Come
Don’t Panic
Clocks
Swallowed In The Sea
———–
What If
In My Place
Fix You

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