Interview mit Devin Townsend von Devin Townsend Project

Nach einem ambitionierten Vier-Alben-Zyklus geht das DEVIN TOWNSEND PROJECT um den kanadischen Multiinstrumentalisten und Namensgeber mit dem aktuellen Album „Epicloud“ wieder kleinere Schritte und überzeugt schlicht durch zugänglichen Gute-Laune-Rock. Worauf es ihm bei der Arbeit an seiner Musik ankommt, was er von konkreten Plänen hält und noch mehr verriet uns der vielseitige Musiker im Interview.


Hi, Devin! Wie läuft’s bei dir?
Gut! Ich bin heute allerdings etwas müde. Es ist gerade eine interessante Zeit, wir haben ein paar Krankheiten hinter uns gebracht und versuchen zudem, uns um unsere Leben zuhause zu kümmern. Das ist auch nicht immer leicht, wenn du verstehst, was ich meine. (lacht)

Ihr seid ja jetzt auch schon eine Weile auf Tour, richtig?
Ja, etwa seit einem Monat.

Was hast du für Eindrücke von der bisherigen Tour?
Es scheint ganz gut zu laufen, ziemlich solide. Ich kenne Fear Factory schon seit langer Zeit und ich denke, dass die Shows insgesamt mit jeder Tour, die wir fahren, besser werden. In der Hinsicht ist es meiner Meinung nach also ein Erfolg. Allerdings ist das Touren ein Lebensstil und dieser Lebensstil ändert sich selten. Wenn man also mal von Variablen wie der Größe des Publikums absieht, ist es exakt dasselbe wie bei jeder anderen Tour auch. Nur, dass jetzt gerade Winter ist.

Verbindest du etwas Besonderes mit Europa? Gibt es Unterschiede zwischen einer Tour durch Europa und einer Tour durch Nordamerika?
Es ist unterschiedlich, weil es unterschiedliche Länder sind, nicht wahr? Jedes Land hat natürlich seine Eigenarten, die es von anderen abhebt. Aber was wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Konzerte oder Zuschauer angeht, nicht so viel, wie ich finde. Menschen sind Menschen, oder?

Du bist jetzt schon eine Weile im Geschäft, kriegt man da manchmal noch Heimweh?
Das ist Teil des Jobs. Ich genieße ihn, er macht mir Spaß, es ist eine gute Beschäftigung. Weißt du, es ist ein interessantes Leben und ich denke, wenn du den Ablauf erlernt hast, der für dich persönlich funktioniert, dann kannst du es auch steuern.

Vor zwei Wochen hast du deine große „Retinal Circus“-Show gespielt. Kannst du kurz erläutern, um was es dabei ging?
Im Wesentlichen war das ein dreistündiges Konzert in London, bei dem wir viel Musik von den Projekten aus meiner Vergangenheit gespielt haben, darunter auch einige Strapping-Young-Lad-Songs. Es war eine theatralische Produktion mit Chören, bewegten Bildern, Tänzern und diesem ganzen Zeug. Ich denke, es war ein Erfolg in vielerlei Hinsicht. Es war eine sehr seltsame Show, aber es tat mir gut, die Möglichkeit bekommen zu haben, mich mit der alten Musik in Einklang zu bringen und auch mit ihr abschließen zu können, was Strapping Young Lad und das Projekt mit Steve Vai angeht. Davon abgesehen ist es schwer in Worte zu fassen. Es war dieses große, eigenartige Ding!

Es war also sozusagen ein Rückblick auf deine bisherige Karriere…
Gewissermaßen, ja.


Wie hat sich, wenn du zurückblickst, deine Herangehensweise beim Songwriting über die Jahre verändert?
Sie hat sich nicht verändert.

Überhaupt nicht? Immerhin führst du jetzt ein ganz anderes Leben, bist Vater, hast den Drogen abgeschworen…
Das stimmt, aber ich finde, dass all das Teil des Lebens ist, und zwar viel mehr als Teil des Musikmachens. Der Prozess des Musikmachens war bei mir immer exakt der gleiche und er hat sich auch bis jetzt nicht verändert. Technisch gesehen mag er unterschiedlich sein, hinsichtlich der Ausführung, aber die Entstehung von Musik ist genau dieselbe, die sie schon immer gewesen ist. Es ist so: Das Leben passiert und Musik scheint der angemessenste Kanal zu sein, den ich habe, um auszudrücken, wie ich darüber denke, was gerade passiert… und das ist viel autonomer als jegliche vorgefasste Meinung, wie sie sein sollte und wie sie nicht sein sollte. So gesehen ist meine Herangehensweise beim Schreiben von Musik für Strapping Young Lad nicht anders als für „Epicloud“, „Hummer“, „Ziltoid“ oder jede beliebige Scheibe. Es sind alles Elemente des gleichen Prozesses.

Würdest du sagen, dass du immer noch dazulernst?
Gewiss, ja, ich lerne jeden Tag …hoffentlich. (grinst)

Du hast mit „Epicloud“ das Stichwort gerade schon genannt. Das Album ist jetzt schon eine Weile auf dem Markt, kannst du was zum Feedback sagen?
Ich verfolge das nicht wirklich allzu sehr. Es ist ungesund, diesen Gut-oder-schlecht-Bewertungen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Aber ich weiß, was ich von dem Album halte, und ich finde, es ist großartig; ein sehr, sehr solides Album. Ich meine, es ist nur eins von 25 Alben, aber es hat eine andere Stimmung, es ist ein bisschen unkonventionell für meine Verhältnisse, allerdings war es auch nur ein Experiment. Gestern Abend habe ich es mir zum ersten Mal angehört, seit ich es gemacht habe, und ich finde, es ist wirklich gut geworden, es kommt ein toller Song nach dem nächsten. Es ist ein einfaches Album und in gewisser Weise ist es auch extravertiert. Ich kann nur noch mal sagen, dass es hinsichtlich des Ablaufs keine Unterschiede zu irgendeinem anderen Album gab und daher denke ich, dass die Leute in meinem Umfeld es wahrscheinlich nur als die nächste Scheibe sehen, und genau so sehe ich es auch. In etwa so: Das war letztes Jahr, dieses Jahr stehen schon wieder andere Dinge auf dem Plan!

Das Album hat eine Art religiöses Flair, auch wenn die Texte gar nicht religiös sind, aber es gibt einen Gospelchor, Liedtitel wie „Save Our Now“, „Divine“, „Grace“, „Angel“… was war deine Absicht dahinter?
Also meiner Ansicht nach ist es überhaupt nicht religiös, denn ich hasse Religion wie die Pest. Allerdings ist Spiritualität ein wichtiges Element auf diesem Album, und ich denke, dass die Liedtitel und alles andere, was diese religiöse Tendenz hat, wahrscheinlich in höherem Maße absichtlich ironisch ist, als es für manche herüberkommt. Aber ich kann dir versichern: Ich habe mir die größte Mühe gegeben, um sicherzugehen, dass es nicht religiös ist. Ich habe nämlich für Religion nichts übrig. Auch wenn es darum geht, zu entscheiden, ob die Platte eine Botschaft über Spiritualität herüberzubringen versucht, denke ich mir: Oh scheiße, ich hab‘ keine Ahnung! Weißt du, es wird ohnehin jeden Tag verwirrender, aber ich weiß und ich fühle, dass ich an diesen Arten von Denkweisen [wie man sie auf dem Album findet] festhalte, und ich denke, dass Religionen im Allgemeinen – ich kann mich auch irren – alle von ähnlichen Gefühlen herrühren, nicht wahr? Und alles, was ich tue, ist lediglich Fragen aufzuwerfen und Hypothesen aufzustellen. Es gibt keine Botschaft, es gibt keine Antworten, es gibt nichts davon. Ich werfe einfach Fragen in den Raum und hoffe, dass das den Menschen bei diesem interessanten Prozess der Antwortfindung einen Soundtrack liefert.


In die Lyrics hat sich ja auch die eine oder andere Lebensweisheit eingeschlichen, z. B. „Perhaps what we want in life is not what we need“ aus „Lessons“…
Das liegt vielleicht nur daran, dass ich älter werde. (grinst)

Bist du jetzt nicht mehr der Mad Scientist, sondern der weise Lehrmeister?
Oh Gott, ich denke nicht, dass ich jemals auch nur einer von beiden gewesen bin. Ich denke, der Mad Scientist ergab sich einfach aus den Drogen und der weise Lehrmeister ergibt sich nun eben aus dem Alter.

Die Special Edition des Albums enthält eine vollwertige zweite CD mit unveröffentlichten Songs. Wie entscheidest du, welches Material auf dem eigentlichen Album und welches im Bonusteil landet?
Am Anfang habe ich eine Vision, wie sich der Hauptteil jedes Albums anfühlen soll, wenn man es sich fertig angehört hat. Ich werkle dann so lange daran herum, bis alles an dem Platz ist, an den es gehört. Zum Beispiel habe ich versucht, den Bonustrack „Socialisation“ einzufügen, aber es hat nicht funktioniert. Am Ende verdirbt das dann nur die Atmosphäre, nicht wahr? Ich schätze, das findet man alles einfach durch Herumprobieren heraus. Ich ordne die Songs in verschiedenen Reihenfolgen an und höre sie mir in meinem Auto an, manchmal funktioniert’s und manchmal eben nicht. Man fügt sie wie die verschiedenen Teile eines Puzzles zusammen und wenn am Ende noch so viel Musik übrig ist, packt man sie halt einfach auf eine zweite CD.

Unsere Zeit ist fast um, deshalb eine letzte Frage zu deinen nächsten Projekten: Du arbeitest sowohl an einem ruhigeren Album namens „Casualties of Cool“ als auch an einem Nachfolger zum „Ziltoid“-Album. Was können wir dahingehend erwarten?
Ich weiß nicht so recht, denn ich plane nichts vorsätzlich oder versuche es zumindest zu vermeiden. Daher passiert es oft, dass es mit einer Idee beginnt, die ich hinausposaune und den Leuten erzähle, worum es sich dabei handelt. Dann jedoch entwickelt sich diese Idee, sie verändert und verwandelt sich, und am Ende ist es vielleicht etwas total anderes. Der Ursprung der Idee mag Ziltoid, Country-Musik oder bizarrer Metal sein, aber was letzten Endes dabei herauskommt, ist oftmals ganz anders (lacht). Und der Grund dafür ist ebenjener, dass ich nicht zu viel Zeit darauf verwende, Dinge spezifisch zu planen. Es gibt vage Vorstellungen dessen, was mich interessiert, und die verfolge ich, bis etwas fertig ist. Durch Zeit, Herumprobieren, Einflüsse und Ähnliches trägt es häufig nur noch den Schatten dessen, was es ursprünglich einmal war, ist aber etwas komplett anderes. Manchmal kommt es natürlich auch vor, dass es exakt dasselbe ist wie ursprünglich geplant. Es ist also wirklich schwer zu sagen, denn ich weiß nie, was zur Hölle wir da eigentlich gemacht haben, bevor ich das Album nicht in meinen Händen halte!

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