Interview mit Patrick von Träumen von Aurora

„Sehnsuchts Wogen“ lautet der klangvolle Name des Debüts der Bielefelder Post-Blacker TRÄUMEN VON AURORA. Namen wie Dornenreich, Nocte Obducta und ähnliche Genregrößen kommen dem Hörer schnell mal in den Hintersinn. Bandkopf Patrick erzählt im Interview, welche Inspirationen bei der fulminanten Scheibe Pate standen und wo die Reise in Zukunft hingehen soll.

Hy Patrick, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für das Interview nimmst. Herzlichen Glückwunsch gleich mal zu Beginn zu Eurem furiosen Debütalbum „Sehnsuchts Wogen“
Ist mir eine Ehre. Und danke sehr!

In der Review schrieb ich, dass mich schon lange kein Debüt mehr so beeindruckt hat. Denkst Du, dass ein Debütalbum vielleicht einfacher ist, weil man (noch) keinen Druck hat oder ist gerade dieser erste Schritt schwer, weil man Öffentlichkeit wie Label erstmal von seiner Qualität überzeugen muss?
Ich finde, man sollte sich da gar keinen Druck machen, ob nun beim Debüt oder danach. Es geht doch darum, die Musik zu schreiben, die einem selbst gefällt. Hätten wir nicht das Glück gehabt, ein Label zu finden, hätten wir das Album wahrscheinlich einfach selbst veröffentlicht.

Als relativ junge Band habt Ihr sicher nicht einen so verbrauchten Blick auf die Szene, Ihr agiert möglicherweise noch freier von vermeintlichen Zwängen, die einem aufoktruiert werden. Hat dies dabei geholfen, ein Album ohne Limitationen zu schreiben?
Wir sehen uns eigentlich gar nicht in der Situation, dass wir durch irgendeine Szene limitiert wären oder deren Geschmack bedienen müssten. Wir machen einfach die Musik, die uns gefällt. Deshalb können wir auch nicht ausschließen, in Zukunft weitere stilistische Experimente zu wagen.

Als eine von ganz wenigen Bands habt Ihr der Promo auch die Texte beigelegt. Nicht nur aufgrund dieses Umstandes gehe ich wohl recht in der Annahme, dass bei Euch das geschriebene Wort einen enormen Stellenwert besetzt, oder?
Auf jeden Fall, ja! Ohne die Musik jetzt in den Hintergrund drängen zu wollen, finde ich, dass die Texte einen sehr wichtigen Teil zur Atmosphäre beitragen. Darüber hinaus versteht man das Konzept des Albums erst beim Lesen der Texte.

Die Texte klingen natürlich, kein bisschen aufgesetzt, ehrlich und weitgehend frei von gängigen Klischees. Wie lange feilt Ihr daran, damit diese nicht unfreiwillig komisch oder von Genregrößen abgekupfert erscheinen?
Danke für das Kompliment! Das Grundgerüst eines Textes steht meist recht schnell. Da lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Anschließend feile ich bei jeder Gelegenheit daran. Ich bin beispielsweise viel mit Bus und Bahn unterwegs, da lässt es sich ganz gut über alternative Formulierungen nachdenken. Darüber hinaus wird natürlich auch bei den Proben viel experimentiert und umgeschrieben.

Musikalisch ist es fast sogar schwer, Euch einzuordnen. Post Black Metal ist ein weites Feld, wo seht Ihr Eure Nische und was sind Eure Haupteinflüsse?
Es fiel uns sehr schwer, unsere Musik einem Genre zuzuordnen. Wir haben darüber viel diskutiert. Übersetzt bedeutet „post“ ja „nach“, und wir finden, das trifft es recht gut. Es scheint uns Musik auf halbem Weg zwischen Black Metal und irgendetwas anderem zu sein, vielleicht Postrock. Und deine Frage nach den Haupteinflüssen lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Sicherlich haben mich Bands wie Dornenreich und Nocte Obducta inspiriert, diese musikalische Richtung einzuschlagen, und sicherlich beeinflusst alles, was man je gehört hat, indirekt auch die eigene Musik. Aber ich setze mich natürlich nicht ans Klavier oder an den Rechner und denke: „Heute schreibe ich mal etwas Dornenreichmäßiges“. Mein Songwriting ist meist reine Intuition (auf Basis musiktheoretischen Wissens).

Wie läuft das Songwriting bei Euch ab? Es gibt schließlich griffige Nummern, die nach einem sehr natürlichen, raschen Entstehungsprozess klingen, aber auch epische Songs, deren ich eine längere Entstehungszeit anzuhören meine.
Die Stücke von „Sehnsuchts Wogen“ sind alle von mir und waren (mit Ausnahme einiger Details) schon fertig, ehe die Band komplett war. Die neueren Stücke stammen von Camilo und mir, bereichert durch zahlreiche Ideen der anderen Bandmitglieder. Was ich schreibe, entsteht dabei entweder durch Improvisation am Klavier oder direkt in Guitar Pro. Wir arbeiten also mit Partituren. Wie lange ich jeweils brauche, kann ich nicht genau sagen. Ich ändere im Nachhinein immer mal wieder Details, auch in bereits oft geprobten Stücken (sehr zum Leidwesen meiner Bandkollegen, die diese Änderungen dann verinnerlichen müssen). Möglicherweise habe ich also mit „Flucht“ sogar mehr Stunden verbracht als mit „Reflexionen“, wer weiß.

Wie hoch ist die „Verwerfungsquote“ bei Euch, schreibt Ihr eher viele Songs und siebt dann aus oder konzentriert Ihr Euch von Beginn an auf die Lieder, die Ihr dann auch aufnehmt?
Verworfen haben wir noch kein einziges Stück, bloß einzelne Parts. Allerdings verfügen wir mittlerweile auch über einen recht großen Materialpool, aus dem wir schöpfen können. Wir haben uns ein nicht unkompliziertes Bewertungs- und Überarbeitungssystem einfallen lassen, um aus den teilweise mehr als viertelstündigen Fragmentpartituren von vornherein das Material herauszufiltern, das uns insgesamt nicht so gut gefällt.

In welchem Kontext zum Album steht der Bandname? Aurora hat diverse Bedeutungen, von denen einige auch gut zum Inhalt von „Sehnsuchts Wogen“ passen würde.
Wir möchten den Bandnamen ungern selbst interpretieren. Das würde ihn auf die von uns festgelegten Interpretationen beschränken, und wir möchten, dass jeder seine eigenen findet.

Aus welchem Grund schreibt Ihr alle Texte klein? Sicherlich nicht, weil man in sozialen Netzwerken, Chats oder Foren gerne aus Zeitersparnisgründen auf die korrekte Schreibweise verzichtet?!?
Zum Einen doch. Es wirkt modern und unpoetisch. Zum Anderen ist unser Bandname im Logo ebenfalls kleingeschrieben, so dass es dazu passt.

Mir gefällt das Album in seiner Gesamtheit sehr gut, aber meiner Meinung nach kann man sich auch einzelne Songs heraussuchen und isolierten Gefallen finden. Stimmst Du dem einerseits überhaupt zu und ist das vielleicht ein Qualitätsmerkmal von wirklich guten Schreiben?
Das war durchaus so beabsichtigt. Ich finde, es wertet die Stücke eines Albums auf, wenn sie nicht nur in einem Kontext funktionieren. Auch in praktischer Hinsicht: Man kann sie im Shuffle-Modus auf dem MP3-Player hören oder sie jemandem vorspielen.

Zwar steht Ihr noch ziemlich am Anfang der Karriere, aber habt Ihr schon konkrete Vorstellungen, wo die Reise mal hingehen soll? Metal hat sich schließlich längst auf vielen Ebenen etabliert, so dass man auch aus dem Underground heraus einen gewissen Stellenwert in und außerhalb der Szene erreichen kann.
Wir fänden es schön, mit Bands zu spielen, die wir seit Jahren hören, und ein hochwertiges zweites Album zu veröffentlichen. Darüber hinaus haben wir keine konkreten Vorstellungen. Es kommt, wie’s kommt.

In Eurer Heimat Ostwestfalen habt Ihr schon eine gewisse Fanbase aufbauen können, geht es mit dem Album im Rücken jetzt auch mal „weiter raus“?
Bisher stehen noch keine neuen Konzerte an. Wir hoffen aber sehr, da bald etwas ankündigen zu können!

Klar, das Album ist gerade ein paar Wochen draußen, aber habt Ihr die Arbeiten an einem möglichen Nachfolger schon aufgenommen?
Oh ja! Da Aufnahmen, Mix und Mastering des aktuellen Albums aufgrund diverser Komplikationen mehrere Jahre in Anspruch genommen haben, sind die Arbeiten am Nachfolger bereits sehr weit vorangeschritten. Einiges davon haben wir auch schon live gespielt.

Vor einigen Jahren waren soziale Netzwerke gerade für Newcomer eine sehr gute Möglichkeit, sich und die Musik bekannt zu machen. Welche Erfahrung macht Ihr in diesem Bereich? Ist es notwendiges Übel, braucht man dafür zu viel Zeit, funktioniert das, wenn man es nebenbei erledigt oder wie geht Ihr mit Facebook und Co um?
Ob wir dadurch bekannter werden, kann ich nicht beurteilen, aber wir nutzen zumindest Facebook eigentlich sehr gern. Da ist flugs mal ein Foto von der Probe gepostet oder irgendetwas anderes, das uns keine News auf der offiziellen Website wert scheint.

Zum Abschluss noch ein kleines Wortspiel, sage rasch, was Dir als erstes bei den folgenden Begriffen einfällt:
Schuldenkrise / Griechenland: Medienomnipräsenz.
Europameisterschaft: Familie und Bier.
Arabischer Frühling, ein Jahr danach: Staat und Religion.
Breivikprozess: Dauert und dauert.
Metal1.info: Meine Lieblingsseite für Metalnews. Ernsthaft.

So, noch einmal vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, die letzten Wort sind Dein.
Ich danke dir für die interessanten Fragen!

Publiziert am von Jan Müller

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