Interview mit Ahab (Teil 2/2)

Nachdem im ersten Teil unseres Interviews mit AHAB bereits die verschiedenen Live-Aspekte sowie die Entstehung des neuen Albums „The Giant“ im Allgemeinen besprochen wurden, geht es im zweiten Teil nun ins Detail: Das Cover der CD und das Prinzip „Bonustrack“ werden ebenso thematisiert wie das Comeback des Mediums Vinyl, Facebook als Plattform für Fan-Kontakt sowie die Wahl der richtigen Buchvorlage für ein AHAB-Album. Und ganz nebenbei erfährt Drummer Corny noch, was ein Schweinsteiger ist. Los geht’s…


Ok, kommen wir zurück zu „The Giant“ – das Album ist ja auch optisch deutlich anders als alles, was ihr bisher gemacht habt. Was hat euch zu diesem stilistischen Bruch bewogen?
Chris: Zunächst braucht man überhaupt erst mal die finanziellen Mittel für jemanden, der das machen kann. Die ersten zwei Alben habe ich ja selbst gelayoutet, und das ist zwar alles ganz nett, aber… beim ersten Album haben wir eine Illustratorin der NewYorkTimes angefragt, und der halt erzählt, dass wir ne Undergroundband sind, 100$ haben wir damals glaube ich gezahlt. Jetzt hatte ich a) nicht die Zeit, und b) hab ich einfach eingesehen, dass ich zwar layouten kann, aber einfach kein Grafiker bin. Ich hab dann den Jan von Long Distance Calling angeschrieben, ob er nen Kontakt herstellen kann, weil wir deren Cover geil fanden. Und das geile, als ich mit Sebastian Jerke Kontakt aufgenommen habe, war eben, dass er nicht erst nach Geld gefragt hat, sondern erst einmal gefragt hat, welches Buch macht ihr denn, ich werde mir das jetzt erst mal kaufen und lesen. Er hat wirklich das komplette Buch nach den Szenen, die wir vertont haben, gestaltet… und das einzige, wo wir ein bisschen reingeredet haben, war das Cover. Das Booklet kam glaube ich drei Tage vor Druck, wir haben das gesehen und gesagt: Hammer. Der hat selbst die Schrift handkalligraphiert… Ich finde, das Album klingt teilweise psychedelischer, mitunter sogar jazziger durch Cornys Schlagzeugspiel, und das sollte eben ausgedrückt werden. Eine AHAB-Platte ist eben nicht nur die Musik, sondern Konzept, Texte, Grafik und natürlich über allem Musik und Gesang… aber es soll eben komplett rund sein.

Glaubt ihr, dass die Musik durch das Cover anders rezipiert wird, als wenn ihr wieder ein eher Klassisches Cover gewählt hättet? Gerade hinsichtlich der Doom-Hardliner, über die wir letztes Mal schon geredet hatten… habt ihr da schon Resonanz bekommen?
Chris: Du, natürlich gibt es die Funeral-Doom-Hardliner.. ich bin auch in einem Forum unterwegs, da schrieb dann einer „Als ich das Cover gesehen habe, dachte ich, ihr geht in eine völlig falsche Richtung“… da habe ich mir nur gedacht: Wie kommt der überhaupt dazu, zu sagen, eine Band geht in eine falsche Richtung… weil er ist ja nicht der, der das entscheiden kann… aber der Großteil fand es total geil. Ich merks halt an mir, wenn ich vor dem CD-Regal stehe und kenn eine Band nicht, die ein richtig geiles Cover hat, höre ich da mal rein… also eher, als wenns langweilig aussieht.
Corny: Mein allerallererster selbstgekaufter Tonträger, damals noch eine Doppel-Platte, als ich irgendwie neun Jahre alt war oder so, war „Live After Death“ von Iron Maiden – weil ich einfach vor dem Regal stand und dachte „Woa, geil, was ist das denn…“
Chris: …und dann so nen Scheiß kaufen!
Corny: … das ist total super, Mann!!! Die ist nach wie vor geil!

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Ihr habt auf der Limitierten Edition einen, auf der Vinyl-Veröffentlichung sogar zwei Bonustracks. Das ist, bei euren Songlängen, ja doch ’ne ganz schöne Menge Musik, die man da mehr bekommt.
Zunächst einmal: Handelt es sich bei den Songs auch um Material aus dem aktuellen Album-Zyklus?

Alle: Ja.

Wonach habt ihr dann ausgewählt, welcher Song aufs Album kommt und welcher als Bonustrack verwendet wird?
Chris: Wir haben die Songs gemacht, ich habe Daniel die Texte gegeben, er hat geschaut, was wo am besten reinpasst… und dann musst du halt bei einem Konzeptalbum chronologisch vorgehen, finde ich zumindest.
Daniel: Der Ursprungsgedanke stand auch mal im Raum, dass wir ein Doppel-Album machen, aber das war von Labelseite her nicht als rentabel angesehen.Also haben wir halt geschaut, dass wir das Material irgendwie noch unterbringen, und das war so eben dann eine gute Lösung.Corny: Um dem Ganzen einen Sinn zu geben: Diese letzten beiden Tracks sind halt textlich nicht mehr Teil der Geschichte.
Chris: Also der eine Text gehört schon zum Album, ist aber eher Biographisch über Edgar Allan Poe und die Gesamtgeschichte, und der allerletzte Song gehört dann wirklich nicht mehr dazu, das ist ein Gedicht von Edgar Allan Poe.

Widerspricht dieser Bonustrack-Gedanke nicht der Konzept-Albums-Idee, dass man ein in sich geschlossenes Album vorgelegt bekommt, das mit der Geschichte anfängt und mit ihrem Ende aufhört?
Chris: Naja, aber wenn ich mir Vinyl kaufe, zum Beispiel Crippled Black Phoenix, dann kauf ich mir das, weil ich Vinyl geil finde… und wenn dann noch jemand als Band hingeht und sagt „Du bist Vinyl-Liebhaber, ich find das geil, du bekommst noch was obendrauf“ – da waren es jetzt mp3s – dann find ich das super. Wir haben halt einfach gesagt: Wir haben den Song sowieso aufgenommen, und wir wollen, dass die Vinylfans noch was cooles obendrauf bekommen. Dann hat das auch Spielzeitmäßig noch drauf gepasst, und dann haben wir das eben gemacht.

Aber nochmal ne EP zu veröffentlichen, und da die beiden Songs drauf zu packen, wäre keine Option gewesen?
Chris: Ne, weil der Song gehört musikalisch definitiv zum Album, und textlich geht es ja auch um Poe… Aber ne EP wollen wir auch gern machen, vielleicht ne Split mit einer anderen Band…
…welche kämen da so in Frage?
Chris: prinzipiell viele…
…und welche konkret?
Chris: Mit Dirge hatten wir schon email-Kontakt, die fänden das ganz geil, dann hatte ich jetzt vom Ophis-Schlagzeuger – ich glaub, der Phil und der Martin [beide Ophis, A.d.Red.] sind da auch dabei – die andere Band jetzt neulich im Bus gehört – Fäulnis heißen die, das ist so ne Post-Punk-Black-Metal-Band… das ist einfach was Besonderes, sowas gibt’s noch nicht. Das wäre noch ne Option…
Corny: Wir können auch Omega Massif fragen…
Chris: Also wir haben uns noch nicht festgelegt, aber ne Split würden wir schon gern machen.

Bei Mainstream-Releases ist es ja Gang und Gäbe, dass man als Bonustracks Live-Material draufpackt. Ist das etwas, was ihr euch vorstellen könntet, oder sind Live-Aufnahmen generell etwas, was ihr gut findet?
Daniel: Also Live-Aufnahmen klingen für mich immer nach „machen wir drauf, damit noch was drauf ist“. Generell halten wir von Live-Aufnahmen auch nicht soviel. Wenn man das dann als Video verpackt und mit draufpackt, ists wieder was anderes, aber so… wenn das ne richtig große Band macht, also beispielsweise Blind Guardian, live aufm Wacken oder so, wo dann tausende von Leuten mitgrölen, dann macht das schon mehr Sinn, aber bei uns…
Chris: Was man vielleicht mal machen könnte, wäre beispielsweise „The Stream“, also unser allerallererster Song…
Corny: Sowas ist halt nett mit Video ums auf Youtube zu stellen, und wenns dann auch noch nen geilen Sound hat, weils halt mitgeschnitten wurde, ist das eine geile Sache… aber so wirklich verwerten… mal sehen.

Also auch keine Live-CD oder DVD im Anmarsch?
Chris: Ne DVD… ich weiß nicht, das ist bei der Musik schon auch schwer, glaub ich. Eigentlich gibt es für mich nur eine Live-DVD, die ich immer wieder gerne anschaue, und das ist die eine Opeth-DVD. Da hast du einfach einen Gitarristen, dem du auf die Finger schauen kannst, das ist der Hammer… aber…
Corny: King Crimson ist auch total geil! Mit dem bösen Musiklehrer, der da an der Seite sitzt…
Chris: …aber du kannst das nie auf DVD so einfangen. Was ich interessant fände, wäre ne Doku. Dokus guck ich total gerne… also beispielsweise die Slime-Doku über die Geschichte von Slime, find ich auch klasse. Aber alles andere…
Corny: Ja, aber das wäre bei AHAB halt einfach nicht interessant. Da wären dann unglaublich viele Insider aus dem Proberaum drin, wo wir uns totlachen, und alle anderen sagen „hä?“… aber das ließe sich ja auch nicht mehr als DVD reproduzieren. Also… ne. Wenn, dann vielleicht in so und so vielen Jahren, aber…

Wenn wir grade schon über Vinyl geredet haben… wie ist das in einem Genre wie Doom Metal – wie relevant ist da der Vinyl-Verkauf für die Gesamtverkaufszahlen?
Chris: Ich würde inzwischen sagen, so 1/7tel macht das schon aus…
Corny: Das ist eine Liebhaber-Geschichte, die sich langsam zu nem essenziellen Bestandteil entwickelt.
Chris: Im Nuclear-Blast-Shop in Donzdorf haben die mittlerweile eine komplette Wand mit Vinyl… also das läuft grade wie geschnitten Brot. Wir haben das ja auch gemerkt: Wir haben jetzt innerhalb von drei Tagen 300 Vinlys verkauft, und das nur über Facebook.
Ok, da kann man mit leben…
Daniel: …solange man sie nicht auch noch selbst verschicken muss… (alle lachen)

Wo das Thema gerade aufkommt: Ist Facebook für euch als Band denn eine wichtige Plattform? Und ist Facebook ein adäquater Ersatz zu Myspace, das es ja mittlerweile quasi nicht mehr gibt?
Daniel: Ja, mittlerweile, auf jeden Fall, ja.
Chris: Du bekommst halt nirgendwo direkteres Feedback als auf Facebook: Wenn du da etwas postest, das den Leuten gefällt, hast du halt enormes Feedback und bekommst halt gleich die Meinungen direkt gesagt.

Ist das etwas, was man dann auch wirklich hören will?
Chris: Natürlich… ich meine, was bringt es mir denn, wenn ich eine Platte aufnehme, und jeder sagt mir, es ist toll… ich meine, ich will ja wirklich wissen, ob es den Leuten gefällt.

Diskutiert ihr dann auch mit den Leuten darüber?Chris: Naja, was heißt diskutieren… nein, eigentlich nicht. Wir haben bei der Platte jetzt das Glück, dass sie fast ausschließlich positiv aufgenommen wurde. Klar, der ein oder andere sagt, „The Call“ war die Platte, die nie wieder erreicht werden wird… aber das ist ja auch legitim, das sage ich selbst ja auch manchmal, beispielsweise Entombed die ersten beiden oder drei Platten waren Hammer… danach waren sie noch gut, aber ein „Clandestine“ werden sie nie wieder erreichen, „Wolverine Blues“ auch nicht… aber… ich bin auch über Verrisse manchmal amüsiert…
Daniel: Solange es nicht nur blödes Dahergeschwätz ist…
Chris: Auch bei blädem Dahergeschwätz kann ich drüber lachen… ich glaube, du stumpfst da auch ab und nimmst es dir einfach auch nicht mehr so zu Herzen.


Ihr lest CD-Kritiken also offensichtlich, höre ich da raus?
Chris: Na klar… jeder, der sagt, dass ers nicht tut, lügt.
Corny: Klar, man wird damit ja auch konfrontiert, und wenn ich abends mal Zeit habe, dann google ich auch danach.

„The Oath“, „The Call Of The Wretched Sea“ und „The Divinity Of Oceans“ sind gewissermaßen, wenn man so will, ja als Einheit zu sehen… zunindest könnte man sie über das Melville-Ding als zusammenhängend betrachten. Eröffnet „The Giant“ da auch wieder so etwas, und habt ihr generell schon eine Idee, wie es weitergeht bei euch?
Chris: Nun, es gibt ja von Jules Verene die Fortsetzung, „Die Eissphnix“… ich weiß nicht, ich habe die mal angelesen, ich finds nicht so toll. Insofern wird „The Giant“ schon eher für sich stehen.
Daniel: Die Vorlage muss eben auch immer genug Spielraum bieten, das musikalisch umzusetzen. „20000 Meilen unter dem Meer“ stand schon auch mal im Raum, aber das bietet meiner Meinung nach keine Angriffsfläche, da brutale Musik dazu zu machen… weil es eben schon eher romantischer ist.
Chris: Das ist inzwischen schon auch eher ein Jugendbuch, sage ich mal… von daher…
Corny: Da müssten wir dann unsere ganzen harten Elemente und das Gegurgel weglassen, aber das wollen wir nicht. (alle lachen)
Chris: Es gibt ja wirklich ganz, ganz viel gute Literatur in Richtung dieser nautischen Thematik, ich hab auch mal geschaut, ob man mal etwas aus dem orientalischen oder arabischen Raum findet, da habe ich jetzt noch nichts gefunden, aber wir diskutieren grade noch diverse Bücher…

Lest ihr dann so als Band quasi Bücher und diskutiert im Proberaum deren Eignung, oder wie darf man sich das grundsätzlich vorstellen… der AHAB-Lesezirkel empfielt, so zu sagen?
Chris: Wir treffen uns dann im Roman-Cafe, bei Kaffee und Kuchen, mit stapelweise Reclam-Heftchen, und dann machen wir Buch-Diskussionen. Nein, Quatsch. Poe jetzt zum Beispiel kam vom Stephan…
Ich hab das gelesen, die anderen dann auch, und irgendwann haben wir gesagt Jules Verne können wir nicht machen, ich fands nicht so dolle, obwohl ich den Film als Jugendlicher ganz geil fand. Für das nächste stehen schon ein paar Bücher im Raum, aber…
…welche?
Corny: Haha! Fast… (lachen)
Chris: Jetzt erst mal hier „The Giant“, nichtwahr?
Daniel: Es ist ja auch nicht so, dass man konkrete Musik im Kopf hat und darauf dann ein Buch sucht, sondern es muss einfach genügend Möglichkeiten eröffnen, sich entfalten zu können.

Woran macht ihr das dann fest? Ich muss sagen, mir fällt grade etwas schwer, mir vorzustellen, nach welchen Kriterien man die Eignung eine Buchvorlage für eine musikalische Adaptation beurteilt?
Daniel: Naja, es kommt beim Lesen ja eine gewisse Stimmung rüber… wenn die schon einen recht engen Rahmen hat, fällt das Buch schon mal raus. Es muss halt so breit gefächert sein, dass man sich darin irgendwie ausleben kann.
Chris: Zudem kann man ja noch selektieren. Bei „Moby Dick“ gibt es ja bekanntermaßen wirkliche Längen…
… wie die Erläuterung der Techniken des Walfangs, ja…
Chris: Aber das haben wir ja auch vertont… in „Of The Monstrous Pictures Of Whales“.Aber das geht schon… du kannst dir ja immer besondere Parts raussuchen, dazu hast du dann eben eine Idee beziehungsweise einen Text, und dann kannst du es zur Musik passend schreiben oder die Musik entsprechend schreiben. Du findest kein Death-Metal-Buch oder kein Doom-Buch…

Seid ihr thematisch dann fixiert darauf, immer ganze Alben über ein Werk zu schreiben, oder kämen für euch auch einzelne Songs zu einzelnen Geschichten in Frage? Es gäbe ja beispielsweise auch das „Rime Of The Ancient Mariner“, das auch schon Iron Maiden vertont haben, „A Descent Into The Maelström“, das The Vision Bleak verarbeitet haben und so weiter…
Corny: Dann machen wir das ja schonmal nicht mehr… (alle lachen)
Klar, aber wäre es für euch prinzipiell auch eine Überlegung, einzelne Kurztexte zu vertonen, oder muss es immer ein ganzes, monothematisches Konzeptalbum sein?
Chris: Also ich persönlich hätte da keinen Bock drauf. Wie gesagt, ich möchte einfach Kunst abliefern, ein Komplettpaket, das zusammenhängend ist, in dem man sich auch verlieren kann. Ich finds auch geil, wenn einem Leute dann schreiben, wie beispielsweise damals bei „The Call“, dass sie toll finden, dass wir das gemacht haben, und dass sie deshalb jetzt auch das Buch gelesen hätten und so weiter…

Bezüglich künstlerisches Gesamtpaket: Ich finde, hier fallen eure Bandphotos etwas aus dem Rahmen. Warum stellt sich eine Band wie ihr, die ansonsten ein komplett durchdachtes Gesamtbild abgibt, in Jeans hin und lässt sich photographieren, als hätte man dafür grade mal die Zeit zwischen Bandprobe und Abendessen genutzt?
Chris: Weil das authentisch ist? Das sind halt wir…
…also würde es für euch nie in Frage kommen, dass ihr euch beispielsweise wie Geist es zu ihrem „Galeere“-Album gemacht haben, in Seemannskluft schmeißt oder sowas?
Daniel: Wichtig ist, was halt auf dem neuen Album glaube ich auch rüber kommt, dass es natürlich klingt und aussieht, und dann sollten die Leute auch so wie sie sind abgebildet werden. Ich fänd das quatsch, wenn man jetzt sagen würde, ihr müsst alle krasse Klamotten auf der Bühne anhaben. Ich finds wichtig authentisch zu sein, musikalisch, sowie optisch.
Chris: Also ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Herman Melville als Seemann oder Walfänger verkleidet hat. Ich meine…

Dadurch würden die Photos halt vielleicht etwas individueller und euch von jeder X-beliebigen Band unterscheiden. Ich meine, mit euren Photos könnte man genauso eine Death-Metal wie eine Rockband bewerben… da könnte man doch etwas mehr Eigenständigkeit reinbringen oder generell mehr rausholen, oder?
Chris: Wenn man die Zeit dazu hat…
Corny: Also wenn man zufällig an ’nem Hafen vorbeikommt und da liegt ein geiles Schiff und man hat zufällig wen dabei, der ’ne gute Kamera hat, kann man natürlich sagen, hey, das is doch ne geile Idee, lasst uns uns hier mal irgendwie hindrapieren. Aber ich würde mich auch da nicht verkleiden wollen… nen blöden Hut aufsetzen oder so… näh.
Chris: Nein, also beispielsweise eim letzten Album waren wir ja bei einem befreundeten Photographen gemacht, der ist ultrabekannt und hat schon Metallica und Schweinsteiger und weiß der Geier wen photographiert…
Corny: Was ist denn ein Schweinsteiger?!
Chris: Schweinsteiger, der Fußballer?! Was ist denn ein Schweinsteiger (lacht)… Naja, jedenfalls haben wir uns da ja auch die Haare nass gemacht, und er hat dann Regen reingemacht… sowas ist völlig ok. Aber wir waren da auch nicht verkleidet… weil verkleiden geht einfach nicht. Das fände ich einfach albern.
Corny: Ich sehe uns als Rockband, und die Leute waren damals auch nicht verkleidet auf diesen blödsinnigen Bildern, sondern die sahen einfach so aus, wie sie waren.

Ob Iron Maiden nicht verkleidet waren, da kann man jetzt drüber diskutieren… (lachen)
Corny: Nein, ich glaube, die sahen tatsächlich echt so aus… die haben diese schrecklichen Hosen schon gemeint…


Ob’s das dann wieder besser macht, ist die nächste Frage… (lachen)
Nein, aber Spaß beiseite… wir kommen aber tatsächlich schon zur letzten Frage auf meinem Zettel. Ihr habt in den letzten Jahren doch einiges an Bekanntheit und Professionalität dazugewonnen… vermutlich auch mit dem entsprechenden Zeitaufwand, den ihr jetzt mehr investieren müsst als vorher. Wie viel Raum nach oben habt ihr da noch, bevor die Band mit Familie, Job und „Privatleben“ in Konflikt kommt?

Chris: Naja, das ist bei uns definitiv klar: Familie geht vor. Bei mir auf jeden Fall, und bei allen anderen eigentlich auch. Solange es vereinbar ist, machen wir gerne auch ne Tour wie diese, aber…
Daniel: Also sowas wie ne dreimonatige Asientour wird’s von uns nicht geben…

Also merkt ihr schon, dass ihr da langsam an eure Grenzen stoßt, was die Zeit angeht, die ihr in die Band stecken könnt?
Chris: Nö, das nicht, aber wir sind halt bei AHAB in der Größe, die wir haben, in der Lage, zu machen, was wir möchten, ohne sich darüber den Kopf zerbrechen zu müssen, ob sich das Album gut genug verkauft, um seine Familie mit dem Geld zu ernähren… das ist einfach perfekt, weil du bist komplett frei in dem, was du machst. Wenn wir auf der nächsten Platte noch irgendwie mehr Psychedelic Rock machen wollen, dann machen wir das eben. Das ist dann scheißegal, ob die Doom-Fans davon dann vergrätzt sind oder nicht (was ich eigentlich gar nicht glaube)… also ich finde, wir sind da in der perfekten Lage: Du musst kein Geld damit verdienen, es ist schön, wenn du Platten verkaufst, wenn es weniger werden, ists auch nicht schlimm, solange wir unsere Platten weiterhin mit dem Geld aufnehmen können, ist alles gut.
Corny: Wir haben grade tatsächlich eine Musik, für die wir uns keinen Millimeter bewegen müssen, die so wie sie ist, aus uns herauskommt, einigermaßen Erfolg. Aber wir werden jetzt nicht, um diesen Erfolg aus irgendwelchen blödsinnigen Gründen steigern zu wollen, anfangen, uns zu verbiegen, und überlegen, was wir taktisch gesehen auf der nächsten Platte machen müssen, um noch mehr Erfolg zu haben. Ich fühle mich unglaublich privilegiert, mit meiner Lieblingsmusik Erfolg zu haben, und es soll meine Lieblingsmusik bleiben, auch wenn der Erfolg mal wegbleibt. Es soll trotzdem das bleiben, was ich zu 100% gerne mache.
Chris: Das finde ich auch immer lustig… manchmal habe ich als Interviewfragen „Wie ist es, jetzt in so großen Venues zu spielen?“ – da kann ich nur antworten: Wir haben auch vor fünf Jahren schon in den gleichen Venues gespielt… heute sind halt 150 Leute da, damals waren es 50… aber es ist einfach so: Die Leute haben eine komplett verschobene Wahrnehmung von der Band AHAB. Ich meine, klar, wir waren im Metalhammer, im Rockhard, und sind online relativ gut vertreten überall… aber das hat ja nichts zu heißen. Deswegen verdienen wir mit der Platte jetzt ja keine 100000 Euro oder so.
Daniel: Es ist ja auch nicht so, dass die Tour mal schnell bezahlt wurde, sondern da müssen wir schon auch gucken, dass wir das hinbekommen, finanziell.
Chris: Wir verdienen an der Tour über Merchverkäufe. Der Rest geht für die Organisation drauf…
Corny: Fürs Merchandise, mit dem wir die Kohle verdienen… (lachen)
Chris: Ja, wenn du die Rechnung, die du fürs Merchandise gezahlt hast, wieder drin hast, verdienst du halt noch ein bisschen.

Also das Merchandise vertreibt ihr selbst, nicht das Label?
Chris: Da muss ich mal jeder Band einen Tipp geben: Behaltet eure Merch-Rechte. Weil das ist das einzige, womit ihr Geld verdienen könnt. Napalm Records können schon auch Shirts machen, aber da lizensieren wir sie halt. Napalm fragt uns halt an, sie würden gern dies und das Design machen, und dann können wir sagen: Wir sind jetzt grade auf Tour, ihr bekommt ein Shirt und das wars. Jetzt verkaufen erstmal wir unser Merch, und dann sehen wir weiter. Weil es ist wirklich so: Du verdienst nur am Merchandise. So ne Headlinertour ist halt schweineteuer… ich sag immer, das ist so ein Herrenausflug. Wie im Schullandheim… deswegen gucken wir auch immer…
Corny …dass wir möglichst kindisch sind oder was?! (lacht)
Chris: …nein, dass Leute dabei sind, die uns sympathisch sind. Ich würde jetzt beispielsweise niemals mit einer Band auf Tour gehen, die erfolgreich sind, und was uns vielleicht was bringen würde, die aber mords die Stresser sind oder Ultra-Drogies… da hab ich einfach keinen Bock drauf.

Unabhängig davon, ob ihr jetzt nach Erfolg strebt oder nicht – ich denke, dass ich nicht danach giert, sieht man ja – was meint ihr, wie viel würde euer Genre da noch hergeben? Ich meine, so langsam seid ihr ja schon oben angekommen, oder? Mir würden jetzt zumindest wenig aus dem Funeral Doom entstammende Bands einfallen, die noch größere Hallen füllen…
Chris: Das ist halt noch so ’n Ding, dass wir mit dem ersten Album diesen Namen bekommen haben, der mittlerweile eigentlich gar nicht mehr zutrifft… das ist wie ein Nachhall, der einem so anhängt. Ich meine, das ist jetzt nicht schlimm oder so, aber wir machen halt mittlerweile etwas ganz anderes eigentlich…
Corny: Eigentlich war wirklich nur das Demo echter Funeral Doom. Alles was danach kam, ist kein Funeral Doom mehr.
Chris: Aber schau dir Bands an wie Anathema. Die haben ultrabrutal angefangen, ich find ihren Peak hatten sie mit der „Judgement“, das war ihr bestes Album, und die waren damals richtig dicke im Geschäft. Und wir sind auch eine Band, die sich nicht auf ein Genre festlegen will. Ich meine, Doom ist gesetzt, aber außen herum kann eigentlich alles kommen… da sind wir relativ frei in der Entwicklung. Und das Recht, uns zu entwickeln, nehmen wir uns auch heraus. Da ist mir das scheißegal, ob ein Doom-Hardliner sagt, das sind Verräter. Aber das gute ist ja, dass das wirklich nur ganz, ganz wenige Leute sind, die so denken.

Aber so etwas gibt es? Also werdet ihr mit solchen Vorwürfen tatsächlich konfrontiert?
Corny: Wenige, aber ja.
Chris: Das Lustige ist ja, die Leute werden dann natürlich von den echten Doom oder Musik-Fans verlacht. Ich meine, hör dir die neue Platte an… ich muss mir ganz sicher nicht vorwerfen lassen, dass ich Mainstream mache…

Nein, soweit seid ihr noch nicht. Vielleicht dann mit dem nächsten Album… (lachen)
Aber hättet ihr dann beispielsweise Bock, mit Bands aus anderen Genres zu touren? Wenn ihr euch die Bands schon selbst aussucht, wäre das ja sicher auch möglich…
Corny: Klar, wenn das passt…
Chris: Wenn’s zeitlich hinhaut, und die Leute passen und sagen wir mal grobe Überschneidungen vorhanden sind, klar… wenn Isis beispielsweise noch existieren würden… oder auch mit Long Distance Calling könnte ich mir das durchaus vorstellen. Ich meine, das bringt den Bands ja auch mehr. Auf der Tour jetzt hast du drei Bands, die quasi die gleichen Leute hören. Eigentlich haben die Bands ja mehr davon, wenn du sag ich mal ne psychedelische Rockband hast, AHAB und vielleicht was ultrabrutales… das befruchtet sich dann vom Publikum her mehr. Und ich denke, Leute, die Isis mögen, könnten genauso auch AHAB oder Esoteric mögen. Ich denke, das ist aber auch eine Sache des Alters. Ich kenne mich, als ich 16 war, mitte der 90er… Death Metal ist das einzige, alles andere ist scheiße.
Corny: Ich hab alles verkauft, was nicht Death Metal war damals…
Chris: Genau. Es ist völlig legitim, ich verstehe die Leute, und ich hab da auch kein Problem mit, aber für mich ist das halt nichts mehr. Ich höre, auf was ich Bock habe… ob das jetzt Esoteric ist oder Crippled Black Phoenix… das ist einfach alles gute Musik.
Corny: Was gute Musik ist, ist gut, und was scheiße ist, kristallisiert sich dann eben irgendwann als scheiße heraus. Aber genremäßig ist mir das auch wurscht. Also ich kann auch daheim eine Dvo?ák-Symphonie hören und danach Rotten Sound. Finde ich ne gute Kombination.

Ok, ich denke, damit wären wir dann nach illustren 53 Minuten am Ende angekommen. Ich bedanke mich vielmals für eure Zeit, und wünsche euch einen guten Appetit! Hoffentlich ist das Catering nicht mittlerweile kalt geworden… (lachen)
Bis nachher!


Interview-Fotos von: Moritz Grütz

Publiziert am von Marius Mutz und

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