Interview mit Marcus E. Norman von Naglfar

Ganze fünf Jahre war es still geworden um die schwedischen Black Metaller NAGLFAR: Während Bands wie Watain oder Dark Funeral die Welt betourten und ihren Bekanntheitsgrad kräftig steigern konnten, werkelte die Band aus Umeå im stillen Kämmerlein am sechsten Album, welches dieser Tage unter dem Titel „Téras“ in die Läden kommt. Warum man sich für diese Strategie entschieden und was sich sonst bei NAGLFAR getan hat, berichtete uns Gitarrist Marcus E. Norman im Interview:


Es ist sehr schön, zu sehen, dass es NAGLFAR noch gibt und ihr wieder aktiv seid – lange Zeit hatte es ja den Anschein, als wäre die Band am Ende ihrer Karriere: Die Homepage war offline, es gab keine Informationen zu zukünftigen Plänen… Warum habt ihr euch dazu entschieden, einen so extremen Break zu machen, ohne den Fans irgendwelche Informationen darüber zu geben, was ihr plant oder tut?
Wir haben einfach entschieden, uns solange in Schweigen zu hüllen, bis wir konkrete Neuigkeiten bezüglich eines neuen Albums zu Verkünden haben.

Stand in dieser Zeit je die Überlegung im Raum, die Band aufzulösen?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben sehr fokussiert an „Téras“ gearbeitet, insofern gab es solche Gedanken wirklich nicht.

Dass ihr dann gleich mit der News wiederkehrt, dass das neue Album kurz vor der Veröffentlichung steht, dürfte für viele Fans eine große Überraschung gewesen sein, beweist aber in der Tat, dass ihr in den vergangenen Jahren nicht untätig wart. Könntest du beschreiben, was im NAGLFAR-Camp in der Zeit von 2007-2012 vorgegangen ist?
Nun, die schwerwiegendste Entscheidung, die in dieser Zeit gefallen ist, war wohl, dass wir uns entschieden haben, die Band als Trio fortzuführen. Wir haben uns darauf verständigt, nicht nach neuen Mitgliedern zu suchen, sondern stattdessen lieber an einem neuen Album zu arbeiten. Im Laufe der Zeit mussten einige von uns anderen Verpflichtungen im Leben nachkommen, haben angefangen zu studieren oder einen Fulltime-Job bekommen und so weiter. Irgendwann kam es zu dem Punkt, an dem unsere Terminpläne sich so stark in die Quere kamen, dass wir uns für Monate nicht im Studio treffen konnten. Und plötzlich waren fünf Jahre vergangen, aber schlussendlich war auch das Album fertig.

Denkst du, die Bekanntheit der Marke NAGLFAR hat unter diesem Break gelitten? Ich meine, neue Fans dazuzugewinnen, dürfte nahezu unmöglich sein, wenn man fünf Jahre lang nicht live spielt, nichts veröffentlicht und generell nichts von sich hören lässt, oder?
Ich weiß nicht… Natürlich, wenn es darum geht, neue Fans zu gewinnen, glaube ich schon auch, dass es uns nicht weitergeholfen hat, so lange weg vom Fenster zu sein… aber das war einfach etwas, das so laufen musste, um das neue Album erschaffen zu können.

Verglichen mit anderen Bands, die gleichzeitig mit, oder sogar nach NAGLFAR angefangen haben – beispielsweise Watain oder Dark Funeral) hattet ihr nie den großen Druchbruch, würde ich behaupten. Es freut mich wirklich sehr, zu sehen, dass ihr im Sommer einige ziemlich coole Festival-Shows spielen werdet (u.a. Banden in Blut, Eisenwahn, Party.San-Open Air) – aber seid ihr nicht trotzdem manchmal neidisch auf Bands wie die genannten, wenn ihr seht, dass die zur Prime-Time auf Festivals spielen, oder sogar als Headliner, während eure größte Show ein verregneter Gig auf 2007 Wacken um 11 Uhr morgens war?
Nein, was mit anderen Bands passiert, interessiert mich nicht. Alles, was mich interessiert, ist Musik zu schreiben, auf die ich selbst stolz sein kann. Ich tue das zu keinem anderen Zweck, als um mir selbst Freude zu bereiten.

Worin siehst du die Gründe für diese Entwicklung von NAGLFAR? Ich meine, ihr habt eine Menge Shows zu „Pariah“ gespielt, und ward damals auf dem besten Wege, wirklich bekannt zu werden in Europa… und dann kam „Harvest“, was wirklich schlecht promoted wurde – zu dem Album habt ihr nicht einmal eine ausgiebige Tour gespielt. Warum?
Wir haben eine US-Tour gespielt, um „Harvest“ zu promoten, und nach dieser Tour hatte Mattias das Touren satt, eigentlich das Auftreten allgemein. Also haben wir uns dazu entschieden, lieber am Album zu arbeiten als weitere Shows zu spielen.

NAGLFAR waren vor der Pause fünf Leute, zurückgekommen seid ihr, wie du bereits erwähnt hast, als Trio. Warum habt ihr euch dazu entschieden, euch von eurem Bassist Morgan Lie und Schlagzeuger Mattias Grahn zu trennen?
Sie hatten einfach kein Interesse mehr daran, bei NAGLFAR zu spielen oder Teil dieser Band zu sein.

Auf der neuen CD hat Dirk Verbeuren von Soilwork die Schlagzeugspuren eingespielt. Wie seid ihr in Kontakt zu ihm gekommen? Ist er ein Freund von euch?
Dirk hat mit Toontrack, dem Studio, in dem „Harvest“ and „Téras“ gemixt wurden, zusammengearbeitet. Als er dann mal nach Umeå kam, um Drum-Clinics abzuhalten, sind wir da eben hin und haben ihn angesprochen. Es war eine tolle Sache zu sehen, dass er Interesse hatte, und einfach großartig, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Ich finde interessant, dass ihr ausgerechnet ihn ausgewählt habt, weil er ja nicht unbedingt der typische Black-Metal-Schlagzeuger ist, würde ich sagen. Warum wolltet ihr ausgerechnet ihn, und was macht ihn zum perfekten Mann für diesen Job?
Er ist ganz klar einer der besten Schlagzeuger, die du da draussen finden kannst… und das hat ihn zu unserem absoluten Wunschkandidaten gemacht.

Wird er dann auch auf euren kommenden Gigs spielen, oder wer wird das machen?
Nein, er hat nur das Album eingespielt. Bezüglich der Gigs werden wir uns einen Session-Schlagzeuger suchen, der uns da dann aushilft.

Eine weitere Überraschung für mich war, dass du neben der Gitarre auch den Bass eingespielt hast – ich meine, Kristoffer war ja ursprünglich Bassist bei NAGLFAR und hat auch das „Pariah“-Album noch eingespielt… Warum hat also nicht er die Bass-Spuren übernommen?
Ich war mit den Songs einfach vertrauter, da war das so der beste Weg, das zu erreichen, was wir haben wollten.

Ich finde, dass „Téras“ härter ausgefallen ist als die anderen NAGLFAR-Werke seit „Sheol“. War es euer erklärtes Ziel, den rohen, schnellen Stil von „Sheol“ wieder in die Musik von NAGLFAR zurückzubringen? Ich meine, „Pariah“ und „Harvest“ waren ja deutlich zahmer und groovender ausgelegt…
Nun, wir haben das Gefühl, dass wir mit diesem Album gewissermaßen neue Wege beschritten haben. „The Monolith“ ist ein großartiges Beispiel einer düstereren, bösartigeren Stimmung, wohingegen „Pale Horse“ eine deutlich kompromisslosere Seite der Band zeigt.

Wo wir grade schon von den beiden Vorgängeralben sprechen, ein kleiner Einschub an dieser Stelle: Bist du mit diesen noch zufrieden? Meiner Meinung nach ist der Sound von „Pariah“ viel zu soft, um nicht zu sagen „poppig“. Ist das beispielsweise etwas, das du so unterschreiben würdest, und wenn ja, ärgert dich das?
Ja, die Produktion von „Pariah“ ist wirklich furchtbar geworden, da stimme ich dir voll und ganz zu. Ziemlich schade, da das Album einige meiner absoluten Lieblingssongs enthält…

Wie lange hat es gedauert, bis „Téras“ fertig komponiert war? War das eher eine Art Hauruck-Aktion, bei der ihr in wenigen Tagen oder Wochen das komplette Album geschrieben habt, oder habt ihr über Jahre hinweg Songs und Riffs gesammelt und dann später ausgewählt, welche ihr verwenden wollt?
Gewissermaßen haben wir damit direkt nachdem „Harvest“ fertiggestellt war, angefangen, da Teile des Materials noch aus dieser Zeit stammen. Rohversionen und Entwürfe haben wir dann über die Jahre angesammelt, so dass es quasi unmöglich ist, zu sagen, wann wir genau angefangen haben und wie lange es gedauert hat, das Album zu vollenden.

Ich finde, dass „Teras“ mehr von seiner Atmosphäre lebt als von einzelnen Hits, wie das vielleicht bei den Vorgängern eher der Fall war. Siehst du das genauso?
Ja, „Téras“ ist definitiv ein Album, das man von Anfang bis Ende durchhören sollte… und in der Tat ist es ein sehr solides Album: Only killers, no fillers…

Was denkst du sind die Haupt-Verkaufsargumente von „Téras“? Was macht das Album besser als eure früheren Werke oder andere Veröffentlichungen aus der Black-Metal-Szene?
Wir haben es geschafft, den traditionellen NAGLFAR-Sound eine Stufe weiter zu entwickeln, indem wir ein Album voll Aggression und verstörender Atmosphäre geschrieben haben. Zudem hat es eine kristallklare Produktion, die dich tief hinab in die Dunkelheit ziehen wird.

Und wenn du das Album in einem Satz beschreiben müsstest?
Der Tod hat noch nie so großartig geklungen.

Dafür, dass das Album nicht nur großartig klingt, sondern auch so aussieht, war dieses Mal Niklas Sundin von Dark Tranquillity zuständig. Wie seid ihr mit ihm in Kontakt gekommen, und warum ist sein Artwork das perfekte, um das, wofür die Musik steht, zu visualisieren?
Er hat ja schon das Artwork für „Sheol“ gemacht, und als wir anfingen, das Cover zu planen, wussten wir gleich, dass sein Stil zu diesem Album passen würde. Das Cover zeigt eine verzerrte und geschändete Erde, genau das, was der Albumtitel widerspiegelt.

Ist das Album also ein Konzeptalbum, und könntest du uns vielleicht kurz erklären, worum es in den Lyrics geht?
Nein, ein Konzeptalbum im klassischen Sinne ist es nicht, aber alle Texte drehen sich irgendwie um das Thema Tod.
Ok, klingt interessant…

Bands auf Eis zu legen scheint ja soetwas wie ein Hobby von dir zu sein… ich beziehe mich damit auf deine anderen Projekte wie ANCIENT WISDOM, BEWITCHED und EUDAIMONY, welches du erst vor wenigen Jahren zusammen mit Azatoth (ex-Dark Fortress) und Themenmar (Secrets Of The Moon) gegründet hattest. Könntest du uns kurz über den Stand der Dinge bei diesen Projekten ins Bilde setzen? Darf man mit neuen Releases rechnen?
Momentan bin ich dabei, die Vorproduktion sowohl des neuen ANCIENT WISDOM-, als auch des EUDAIMONY-Albums fertigzustellen. Insofern könnten beide mit etwas Glück noch dieses Jahr erscheinen. Es gibt auch neues BEWITCHED-Material, aber ich weiß noch nicht, wann wir wieder angreifen werden. Aber du kannst dich beruhigt zurücklehnen – auch BEWITCHED werden wiederkommen!

Ich habe euch mit BEWITCHED 2007 auf dem Party-San-Open-Air bei eurer ersten und soweit ich weiß auch letzten Performance seit über zehn Jahren gesehen, und war schlichtweg beeindruckt – von der Show, aber auch davon, wie viele Leute euch sehen wollten. Warum spielt ihr mit BEWITCHED nicht öfter live? Ich denke, es gibt viele Fans rund um den Globus, die euch gerne mal live erleben würden…
Momentan planen wir tatsächlich, mit BEWITCHED wieder regelmäßig zu proben, um in der Lage zu sein, wieder Gigs zu spielen. Wir haben eine Menge Angebote bekommen, insofern wäre es wohl in der Tat an der Zeit…

Wie vorher schon angesprochen sind für den Sommer schon einige NAGLFAR-Shows bestätigt. Plant ihr auch eine Clubtour in Deutschland, um „Téras“ zu promoten?
Bisher ist bezüglich Touren noch nichts bestätigt, aber es scheint großes Interesse daran zu bestehen, NAGLFAR wieder auf Tour zu bringen, insofern bin ich mir ziemlich sicher, dass es passieren wird. Aber um da Konkretes zu sagen, ist es noch zu früh.


Ok, das war meine letzte Frage – vielen Dank für deine Geduld mit all meinen Fragen und Danke auch für deine Antworten! Wenn du dem Ganzen noch etwas hinzufügen möchtest, hast du dazu jetzt die Gelegenheit:
Ich würde diese Gelegenheit gerne einfach nutzen, um dir für deinen Support zu danken!

Es war mir eine Freude! Lass uns das Interview doch bitte mit dem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Bitte wähle von den folgenden Begriffs-Paaren jeweils einen aus und sag uns in wenigen Worten, warum du diesen vorziehst:

Schwedischer oder Deutscher Black Metal?
Schwedischer – das zu begründen bedarf es nur eines Wortes: Bathory.
Vinyl oder mp3?
Vinyl – nichts übertrifft das Gefühl, wenn man eine Schallplatte auflegt.
Online- oder Printmagazin?
Print – ich will doch nicht meinen Computer mit auf Toilette nehmen.
Kronen oder Euro?
Nachdem ich ein armer Kerl bin, macht das keinen Unterschied
Umeå oder New York?
Umeå. Ich hätte nichts dagegen, eine Zeit lang in NY zu leben, aber Umeå ist der Ort, in dem ich geboren wurde und wo ich auch sterben werde.
Bier oder Wein?
Bier – Weißbier. Mehr muss man da nicht sagen.
Elchsteak oder Gemüse?
Elchsteak. Ich bekomme es umsonst… bedarf es da einer weiteren Begründung?
Nein… dann danke dir nochmals für deine Zeit!

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert