Mit „Fables Of The Sleepless Empire“ haben die kanadischen Prog-Metaller UNEXPECT vor einiger Zeit ein so vielseitiges wie faszinierendes Album veröffentlicht. Einige Zeit brauchte es schließlich auch, bis Bandkopf Syriak zum Beantworten unseres Interviews kam – doch gut Ding will Weile haben, wie das Resultat beweist… präsentiert sich der Sänger und Gitarrist dafür doch erfreulich auskunftsfreudig. Doch lest selbst, was der sympathische Fronter über den Audio-Mikrokosmos UNEXPECT zu berichten weiß:
Mir geht’s gut. Ich bin zwar mit verschiedensten Dingen ziemlich beschäftigt, aber mir geht es gut.
„Fables Of The Sleepless Empire“ ist jetzt schon einige Monate draußen – und soweit ich gesehen habe, war die Presse-Reaktion durchweg beeindruckend. Hattet ihr damit gerechnet, und wo liegen die Hauptunterschiede in den Kritiken zu diesem und zu letztem Album?
Ja, die Reaktionen waren in der Tat übrewältigend und wir haben eine Menge guter Reviews bekommen. Im großen und Ganzen hat unser vorheriges Album, “In A Flesh Aquarium”, seinerzeit auch großartige Reviews eingefahren, insofern wirkt es so, als würde sich Geschichte wiederholen – zu unserer größten Freude natürlich.
Der Unterschied liegt wohl vor allem darin, dass wir damals noch deutlich unbekannter waren, und „In A Flesh Aquarium“ die Leute deshalb mehr überrascht hat, weil es eben unsere erste CD war, die bei einem Major-Label erschienen und international vermarktet wurde. Jetzt, bei „Fables Of The Sleepless Empire” hatten uns die Leute bereits auf dem Schirm und hatten die Erwartungen, dass wir etwas herausbringen, das nochmal einen Schritt weitergeht als das, was wir bis jetzt gemacht haben. Ich denke, dass sich ein paar Leute gefragt haben, ob wir so etwas wie ein Ein-Hit-Wunder-Phänomen sind, aber wir haben ja nun bewiesen, dass das definitiv nicht der Fall ist! ;)
Ihr habt die CD ja im Eigenverlag veröffentlicht, ohne ein Label im Rücken. Warum habt ihr euch für diesen Weg entschieden, und wo siehst du die Hauptvor-, beziehungsweise auch -nachteile dieser Arbeitsweise?
Wir wollten einfach die Kontrolle über alle Aspekte des Releases haben und die verschiedenen Schritte kennenlernen, um zu verstehen, wie der Hase läuft. Natürlich braucht das viel Zeit und Energie, aber es ist auch extrem befriedigend, direkt von dem zu ernten, was du gesät hast. Ich denke, das ist das gleiche Gefühl, das ein Farmer hat, wenn er seine eigenen Produkte isst. Du siehst den kompletten Prozess von A bis Z, weißt die Zeit und Mühe zu würdigen, die im fertigen Produkt steckt, und am Ende schmeckt es einfach besser. ;)
Denkst du denn, dass die klassische Band-Label-Struktur der Musik-Branche mittlerweile veraltet ist, und diese Art, sich selbst zu promoten und vermarkten die Zukunft darstellt?
Ich glaube nicht, dass es komplett überholt ist, und die Metamorphose der Industrie ist auch noch nicht abgeschlossen. Es gibt immer noch einen Bedarf an Labels, weil es eine Menge Bands gibt, die nicht gut genug organisiert sind, das selbst durchzuziehen. Es gibt immer mehr Werkzeuge und Möglichkeiten für Bands, die ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen wollen, aber das ist alles noch im Entstehen. Aber ich denke schon, dass die DIY-Welle in den kommenden Jahren immer mehr Bands mitnehmen wird, und auch immer interessanter wird für die Bands.
Ok, lass uns etwas über euer Album plaudern. Normalerweise geht das bei mir dann mit dem Satz los: „Beschreibe euer aktuelles Album bitte in einem Satz“. In eurem Fall bin ich wirklich gespannt, was du dir dazu einfallen lässt… ich könnte mir vorstellen, dass schon das keine einfache Frage ist… ;)
Ein Audio-Mikrokosmos; Ein Behältnis voll sich entwickelnder Ideen mit genug Substanz, um alle Schatzsucher aus dieser Blase freien Geistes zu nähren. Habe ich mich verständlich gemacht? ;)
Ich finde, „Fables Of The Sleepless Empire“ ist ein sehr gelungener Titel mit vielen verschiendenen Interpretationsmöglichkeiten. Was ist die deine?
Der “Märchen”-Begriff entstand einfach dadurch, da unsere Texte meistens sehr metaphorisch und doppeldeutig sind. Eine fantastische und surrealistische Betrachtung unseres schnelllebigen Systems. Das „schlaflose Imperium“ wäre eine Parallelwelt zu der unseren, wo Leistungsfähigkeit, Individualität und Gier mehr und mehr zur Norm werden. Das Album kann man also als eine Art Sammlung moderner Sagen sehen.
Worum drehen sich die Texte? Ich habe sie alle gelesen, aber sie sind wirklich nicht einfach zu „verstehen“. Ist es mehr ein Gefühl oder eine Botschaft, die ihr dem Hörer überbringen wollt?
Ich würde sagen beides… Meine Texte sind extrem bösartig und ich liebe es, mit Worten und surrealen Bildern zu spielen. Wenn man meine Texte gelesen hat, wird in vielen Fällen nur ein Gefühl oder eine vage Vorstellung von einer möglichen Intention bleiben, und das ist auch völlig in Ordnung so! Ich mag es, undurchsichtig zu sein, damit sich die Leute aus dem Vorhandenen eine eigene Bedeutung herausholen können.
Die Texte sind voller persönlicher Ideen und Botschaften, aber der Grundgedanke ist nicht, diese klar und deutlich zu präsentieren. Ich bevorzuge es, ein literarisches Universum zu erschaffen, das für sich selbst stehen kann und sich im Kopf jedes Lesern auf andere Weisen entwickelt. Ein Song wie „Unfed Pendulum” zum Beispiel erzählt von einer Phantasie, der es an Inspiration mangelt. Mit diesem thematischen Schlüssel kann es einfacher sein, herauszufinden, was ich sagen möchte. Ich weiß, dass das nicht für jeden etwas ist, aber wie auch unsere Musik sind es kleine Herausforderungen für die neugierigen Köpfe, die intellektuell angeregt werden wollen.
Die Texte sind sehr lang und ausgearbeitet, es ist also offensichtlich, dass du da viel Zeit reingesteckt hast. Ich glaube, die meisten Hörer werden sich nicht für die Texte interessieren. Wie wichtig sind die Texte als Teil der Kunst von UNEXPECT? Ist es möglich, dass Album zu „verstehen“, ohne die Worte zu den Songs zu kennen?
Wie ich eben schon erwähnt habe, weiß ich schon genau, dass sich viele Leute nicht um die Texte kümmern werden… Das ist noch ein weiterer Grund dafür, sie für die, die sich dafür interessieren, speziell und fordernd-unterhaltsam zu machen. Ich würde keine Texte schreiben, nur um einfache Worte zur Musik zu haben, die die Leute mitsingen und sich einfach daran erinnern können… daran hab ich wirklich kein Interesse. Ein Album wie unseres dreht sich um Gefühle und da ich Literatur für ein weiteres großartiges Werkzeug halte, diese zu vermitteln, wollte ich schon immer die Schönheit der Worte mit der Schönheit der Musik verbinden.
Aber es ist nicht notwendig, die Lyrics zu kennen, um das Album genießen zu können. Die Musik ist genug, um alles Notwendige zu übermitteln, mehr braucht es nicht um das alles wertschätzen zu können. Worte sind nur eine weitere Zutat, die die ganze Erfahrung noch zusätzlich würzen, aber ich sage es nochmal: Das ist nicht für jeden was und ich persönlich denke, das Rezept ist auch so schon gut genug, um es ohne Gewürze essen zu können ;)
Ich weiß nicht, ob es so etwas wie ein perfektes Artwork für ein Album gibt… das könnten so viele verschiedene Dinge sein. Das ist einfach eine der schweren Entscheidungen, die du treffen musst, wenn du ein Album veröffentlichen willst, weil das Artwork für immer mit der Musik verbunden ist und auf gewisse Art und Weise auch immer beeinflusst, wie das Album gehört wird. Schon eine einfache Entscheidung bei der Farbgebung kann die Hörerfahrung beeinflussen, insofern ist es immer eine wirklich schwerwiegende Entscheidung, die man da zu treffen hat. Denk doch bloß mal an “Enter Sandman”, wenn das „Black Album“ grün gewesen wäre…Wie auch immer. Als wir dieses Bild von dem spanischen Künstler Mario Sanchez Nevado gesehen haben, haben wir gespürt, dass es etwas in uns auslöst. Es strahlt eine einzigartige Gelassenheit und einen Sinn für Balance aus, auch wenn der Charakter aus lebendem Chaos gemacht zu sein scheint. Es hat mich über unsere Musik nachdenken lassen… eine gewaltige Klang-Landschaft, die Elemente sowohl der Ruhe als auch des Wahnsinns enthält, und das alles, um am Ende ein ins ich abgeschlossenes und umfassendes Resultat zu erzielen.
Im Booklet habt ihr ja sehr detailliert aufgeschrieben, in wie räumlich und zeitlich zerfahren der Aufnahmeprozess von statten ging. War diese Arbeitsweise, das Album nicht an einem Stück im Studio aufzunehmen, eher von Vorteil oder von Nachteil für das Resultat?
Nun, wir haben die Aufnahmen aus verschiedenen Gründen so aufgeteilt, aber es ist nicht, wie wir normalerweise arbeiten. Wir haben das Studio wirklich in letzter Minute gebucht und mussten die noch freien Termine im Studio-Kalender nehmen, wie sie eben noch frei waren. Gitarren und Geigen haben wir in unseren Heimstudios aufgenommen, um die Zeit zwischen den Recording-Sessions sinnvoll zu nutzen, und der Song “In The Mind Of The Last Whale” war ein spezielles Projekt, das wir nebenbei zusammen erschaffen haben. Die Tatsache, dass wir ständig an unseren Songs bis zur letzten Minute weiter herumwerkeln ist sicher auch noch ein Grund, warum wir manchmal wieder einen Schritt zurück gehen um Details zu überarbeiten, in Studios von Freunden gehen, um ein paar zusätzliche Spuren einzufügen und so weiter und so fort. Aber offenbar funktioniert diese Arbeitsweise für uns ja!
Das Album ist ja mittlerweile schon euer drittes. Was hat sich seit eurem Debüt bei UNEXPECT geändert, und was wird sich niemals ändern?
Ach, das weiß man nie… ;)Ich denke, wir ändern uns immer aus der Laune des Kollektivs heraus. Jeder in der Band ist ein großer Musikliebhaber und entdeckt ständig neue Bands und Genres. Da wir selbst kreieren wollen, was wir mögen, sind das dann immer neue Einflüsse, die in den Schmelztiegel geworfen werden.Ich denke, die beste Antwort auf deine Frage ist, dass das einzige, was sich bei UNEXPECT nie ändern wird, die Tatsache ist, dass wir uns ständig in etwas anderes ändern und weiterentwickeln ;)
Wenn du zurückschaust auf eure Anfänge: Wie entsteht eine Band wie UNEXPECT? Wie finden sich sieben Leute, die solche Musik mögen, vor allem aber auch spielen können?
Nun, als wir die Band gegründet haben, waren die meisten Mitglieder bereits seit einigen Jahren befreundet. Exod, le bateleur, Merzenya und Ich haben die gleiche Schule für klassische Musik besucht, also hatten wir schon den gleichen Geschmack für einige Bands. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war es bis auf bei der Position des Schlagzeugers immer sehr einfach die richtigen Leute zu finden, um die Rollen in der Band zu verteilen. Als Zircon und Elda die Band 2001 verließen, kamen sehr schnell Leilindel und Chaoth hinzu, da sie damals schon gute Bekannte von uns waren. Es war das Gleiche, als le bateleur ausgestiegen ist: Wir haben Borboën nur wenig später durch einen anderen Freund kennengelernt.
Ich weiß, dass es nur schwer vorstellbar ist, dass es so einfach ist, so viele Personen mit so verschiedenen Geschmäckern und Kapazitäten zu vereinen und zusammenzuhalten, aber so ist es wirklich.
Exod hat schon einige Zeit, bevor er wirklich ausgestiegen ist, davon geredet, die Band verlassen zu wollen, insofern war das keine Überraschung für uns.
Der Hauptgrund war wohl, dass er mehr Zeit für sein Soloprojekt I Fury haben wollte, das mehr in die elektronische Richtung geht. Wir haben uns im Guten getrennt, und keiner war beleidigt oder gekränkt… es war einfach Zeit für ihn, etwas Neues auszuprobieren.
Momentan haben wir noch nicht den Plan, ihn zu ersetzen, da wir uns momentan selbst um Keyboards und Samples kümmern. Ein paar unserer Mitglieder sind mit dem Keyboard vertraut, unter anderem Leilindel und Ich, insofern machen wir vielleicht auch einfach zu sechst weiter. Natürlich wird es aber immer Keyboards bei UNEXPECT geben, da das einfach ein sehr zentrales Element unseres Sounds ist und ich es liebe. Aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Gibt es in Kanada denn eine große Prog-Metal-Szene, aus der ihr Leute für die Band rekrutieren könntet? Und wenn ja: Welche Bands würdest du Fans von UNEXPECT noch empfehlen?
Es gibt eine Menge origineller Bands aus Kanada… um ein paar zu nennen, würde ich mal die Namen Devin Townsend, Protest The Hero, Augury und Martyr in den Raum werfen.
Exods neues Projekt I Fury, welches du grade schon angesprochen hast, habt ihr ja auch in eurem Booklet empfohlen. Könntest du uns ein bisschen mehr zu dem Projekt erzählen?
Nun, von dem wenigen, was ich bisher gehört habe, kann ich zumindest schon einmal sagen, dass es ziemlich gut wird. Obwohl es diese verrückte UNEXPECT-Handschrift beibehält, klingt es komplett anders und bewegt sich komplett auf der elektronischen Seite der Musik. Es ist ziemlich schwer zu beschreiben, aber ich könnte es wie folgt versuchen: Eine orchestrale Psy-Trance mit einem DarkProg-Touch.
Eine Warnung noch: Wenn du nicht gerne abgehst wie ein Verrückter, dann… nun… ich kann dir versprechen, dass du dich nicht zurückhalten können wirst, also fang schonmal an zu üben! ;)
Wir waren immer eine Liveband. 1996 bin ich zu der Band gestoßen, weil sie für eine Show einen Gitarristen gebraucht hatten. Natürlich, damals war da nur Artagoth und nichts klang, wie es heute klingt, aber dennoch: Die Band wurde als Liveband gegründet.
Wo wir grade von Konzerten sprechen: Plant ihr in absehbarer Zeit mal eine Tour durch Deutschland?
Wir sprechen grade mit einigen Leuten darüber, nächstes Jahr nach Europa zu kommen und zusätzlich zu unserer Show auf dem Hellfest einige Konzerte zu spielen. Sobald wir da was konkretes haben, werden wir es euch wissenlassen!
Ok, das war dann schon meine letzte Frage zu UNEXPECT. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich das Interview an dieser Stelle gerne mit dem traditionellen Metal1.Brainstorming beenden: Wähle einen der beiden genannten Begriffe aus und erkläre in einem Satz, warum du diesen bevorzugst:
Metal – Jazz: Ich nehme Metal, damit ich nicht von allen beschimpft werde… ;) Nein, im Ernst: Metal ist definitiv mehr Teil meines Lebens. Aber Jazz mag ich schon auch sehr gerne.
Bier – Wein: Wie kannst du mir das antun!?! Ich sag jetzt einfach beides, weil ich mich schlecht fühlen würde, würde ich eines vorziehen. So eine Gemeinheit, jemanden dazu zu zwingen, hier Stellung zu beziehen… ;)
Online- – Print-Magazin: Online, weil sie demokratischer zu sein scheinen. Wie bei allem im Internet, glaube ich, dass es auch hier mehr Redefreiheit im Online-Bereich gibt.
Bär – Lachs: Bär habe ich noch nie probiert, also nehme ich den Lachs. Geräuchert auf Zedernholz…. hmmmm…
mp3 – Vinyl: mp3 für die damit einhergehende Bequemlichkeit. Vinyls sind das perfekte Medium aus der Sicht eines Sammlers, aber die passen einfach nicht so gut in meine Taschen.
Deutschland – Frankreich: Haha…beides großartige Länder, aber den besten Döner Kebab, den ich je gegessen habe, habe ich in Berlin bekommen, insofern…
Winter – Sommer: Ich bin wirklich ein Herbstmensch, aber wenn ich mich dazwischen entscheiden müsste, im Kanadischen Winter zu frieren oder in Montrals Sommer-Ofen zu schwitzen…nein, ich bleibe bei Herbst.
Ok, vielen Dank für deine ausführlichen Antworten!
Vielen Dank dir für dein Interesse und die Geduld, und schöne Feiertage! Mach es gut!