Interview mit Matthew Leone von Madina Lake

MADINA LAKE haben mit ihrem aktuellen „World War III“ demonstriert, dass man als Alternative Rock-Band das Klischee der kommerziellen Trendband nicht unbedingt erfüllen muss, sondern auch völlig unbedarft Einsprengsel aus verschiedensten Musikrichtungen einbringen kann, ohne den Ohrwurmcharakter aufgeben zu müssen. Warum man MADINA LAKE in der Metalszene trotzdem nicht mag und warum man aus Amerika typischerweise oberflächliche Reviews bekommt, erklärt Sänger und Bassist Matthew Leone im Interview.

Servus! Wie geht’s euch zur Zeit?
Inzwischen sind wir wieder halbwegs in der Normalität angekommen, plus/minus ein paar Prozent von Zeit zu Zeit. Danke der Nachfrage!

“World War III” steht ja nun schon ein paar Tage in den Läden. Wie hat die Presse insgesamt reagiert?
Madina war immer eine Band, mit der sich Journalisten schwer tun. Es ist schwierig, uns in ein einzelnes, spezifisches Genre zu stecken, was uns in der Vergangenheit nicht eben gut bekam. “World War III” ist das erste Album von uns, das relativ konsistent positiv bewertet wurde. Für uns ist das vor allem auf zwei Aspekte zurückzuführen. Zum einen haben wir diese Scheibe von Anfang bis Ende selbst gemacht. Geschrieben und aufgenommen haben wir es natürlich schon immer selber, aber diesesmal haben wir es auch produziert und Mateo hat als Sound Engineer fungiert und den Mix gemacht. Zum anderen, das hat eigentlich weniger mit den Reviews zu tun, sind wir diesmal selbst so zufrieden mit der Scheibe, dass uns die Rezeption im Endeffekt egal ist.

Gab es Unterschiede je nachdem, aus welchen Ländern die Reviews kamen?
In Tradition mit unseren ersten beiden Alben haben die Reviews weitgehend die Kulturen wiedergespiegelt, aus welchen sie kamen. In Amerika war es sehr oberflächlich, wie man sich hätte denken können. Die Band hat dort durch die Attacke auf mich traurige Berühmtheit erlangt, weshalb offenbar von vorneherein schon mit dem Vorhaben an die Sache herangegangen wurde, die Scheibe gut zu finden. Die Entstehungsumstände der Scheibe waren natürlich gefundenes Fressen für den Sensationsjournalismus. In England hat man genau das vollommen abgelehnt, dort wurde vorgeschlagen, sich die Platt ernsthaft anzuhören und sein bestes zu tun, die beiden Angelegenheiten nicht zu vermischen. In Europa war man wie immer sehr ehrlich zu uns.

“World War III” ist laut Infozettel das letzte Album einer Trilogie. Nachdem die Scheibe mein erster Kontakt zu Madina Lake ist, könntest du kurz erklären, worum es ging?
Begonnen und geendet hat es in unseren Köpfen an dem Tag, an dem wir die Idee ausgearbeitet haben. Es ging um einen Protest gegen immer schneller abnehmende Werte, vor allem in Amerika, was schlussendlich aufgeblasene Egos und eine selbstzerstörerische Attitüde fördert. Der Rahmen des Ganzen reichte von der Besessenheit, seine Bedürfnisse um jeden Preis erfüllt zu bekommen, über Narzissmus bis hin zu Gier und weitete sich schließlich soweit aus, dass eine brutale, wilde Welt aufgedeckt wurde, die sich selbst bei lebendigem Leibe auffrisst, in blinder Loyalität zu verlorenen Idealen.

Inwiefern würdest du sagen, dass die verschiedenen Stufen des Konzepts die Musik auf den jeweiligen Alben beeinflusst haben? Was ist musikalisch anders auf “World War III” und inwiefern hat das Bezug zur Geschichte?
Es war ein sehr natürlicher Fortschritt und etwas, was wir nie vorher planen würden. Der Pfad, den die Musik in Symbiose mit der Wurzel des jeweiligen Themas eingeschlagen hat, wirkte immer sehr logisch. Das Resultat ist dieses Album, mit Elementen von ungezügeltem Chaos, Wut und Neurose, welches sich aber so viel Hoffnung behält, wie möglich.

Wer hat das Artwork gemacht und was hat es mit dem Album zu tun?
Das Artwork hat Portland mit der Forefathers-Gruppe gemacht. Es zeigt das verbindende Element der Protagonistin “Adalia”, zumindest oberflächlich, um dann in finstere, zeitlose Militärfronten überzugehen. Das Ganze steht gegen einen Hintergrund des Kosmos und der Unendlichkeit des Universums.

Was ich sehr beeindruckend am Album fand, war die Integration vieler verschiedener Musikrichtungen, ohne dabei die Kohärenz im Sound zu verlieren. Welche Genres würdest du selbst auf dem Album ausmachen, und habt ihr diese bewusst verwendet, um größere Abwechslung zu schaffen?
Dankeschön! Wir haben schon immer Elektronisches eingebracht, auf dieser Scheibe noch mehr als zuvor. Wir mögen viele verscheidene Musikrichtungen. Da ist etwas wie ein Hip Hop-Outro auf “Take Me Or Leave”, was ganz gut zu unserem “Alles ist möglich”-Anspruch passte, den wir haben, um mit unserer eigenen Neurose bezüglich unserer Leben fertig zu werden. Andere Einflüsse kommen aus der frühen Alternative Musik und es gibt auch ein wenig Aggro Metal, das brauchten wir einfach, um die jeweiligen Themen überzeugend präsentieren zu können.

Wenn du “World Word III” nun aber in ein einziges Genre packen müsstest, wie würde es heißen?
Electro-Alternative vielleicht?

Wie wollt ihr, dass ein Hörer eure Musik hört? In meinem Fall hatte ich ja beispielsweise wenig Chance, das Konzept zu verstehen, weshalb ich mich mehr auf die Musik konzentrierte. Ist es wichtig für euch, dass sich der Hörer wirklich mit den Texten beschäftigt oder ist genauso gut, wenn man sich ein paar Bier zieht, während man Madina Lake hört?
Jede Erfahrung, die ein Hörer durch unsere Musik erfährt, ist für uns okay. Wir sind froh, dass überhaupt Leute sich unser Zeug anhören und würden das nie jemandem verderben wollen, indem wir ihm sagen, was er denken muss, wenn er das Album hört. Musik ist eine sehr persönliche Angelegenheit, auch für den Hörer. Es erreicht einen der fünf Sinne und der Rest obliegt der Vorstellungskraft des Hörer. Wenn eine Band versucht, das zu sehr zu beeinflussen, wirkt es schnell gekünstelt und falsch.

Es gab ja einige Umstände, die den Prozess der Albenentstehung diesmal stark beeinflusst haben. Inwiefern habt ihr das Konzept des Albums durch die Vorkommnisse geändert?
Das Album war bis zu den Sessions nach dieser Zeit noch gar nicht wirklich begonnen. Es hat etwas unglaublich wichtiges gefehlt. Wir haben herausgefunden, was es war, als es mit aller Kraft in unsere Realität eindrang.

Inwiefern war das Songwriting dadurch anders als zuvor?
Das Songwriting blieb weitgehend intakt. Wir beginnen generell mit einer Idee von Mateo. Er macht das Programming, also macht er einen Loop und vielleicht ein oder zwei Riffs. Dann schickt er es an uns weiter. Wir beschäftigen uns dann eine Zeit lang damit und machen eine Schreib-Session aus. Anders war diesmal vielleicht, dass jedes Bandmitglied sich ermutigt sah, alles, woran es sich musikalisch interessiert sah, ohne Kompromisse auszuloten.

“World War III” verarbeitet ja die genannten Vorkommnisse. Glaubst, es ist möglich, dieses Kapitel mit dem Album zu beschließen, oder wird das weiterhin ein Teil von Madina Lake sein? Generell, habt ihr schon Pläne bezüglich des zukünftigen Sounds der Band, jetzt nach dem Ende der Trilogie?
Wir haben uns damit noch nicht auseinandergesetzt, aber das liegt nur daran, das wir noch nichtmal mit dem aktuellen Album wirklich abgeschlossen haben. Was immer es sein wird, es wird spannend für uns sein, die erste Phase unserer Karriere dann hinter uns zu haben.

Ihr werdet in Deutschland, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, sowie in Amerika in den nächsten zwei Monaten auf Tour sein. Was erwartet ihr euch von diesen Touren und was kannst du zu den anderen Bands sagen, die mitspielen?
My Passion und Super Happy sind beide tolle Bands und tolle Menschen, und das ist das einzige, was für uns eine Rolle spielt. Was Madina angeht, diese Shows sind die ultimative Erfülllung des Traums, den wir seit Jahren haben. Wir wissen, dass nichts verschenkt werden, deshalb werden wir immer alles geben um unseren Unterstützern etwas für ihr Geld zu bieten.

Seid ihr soweit froh mit der Arbeit eures Labels?
Ja. Wir haben eine neue Sichtweise Madinas verdammt dringend gebraucht, da können wir wirklich zufrieden sein.

Ich habe ein paar deutsche Heavy Metal Webzines nach Reviews zu eurem Album durchgeschaut und hab festgestellt, dass sie insgesamt gar nicht so schlecht ausgefallen sind. Fühlt ihr euch in irgendeinerweise mit der Metalszene verbunden und habt ihr dort Fans? Inwieweit denkst du, dass man eure Musik in der Metalszene anders wahrnimmt als als Alternative Rock Fan?
Wir kommen bei der Metalszene eigentlich immer ziemlich schlecht an. Metalfans sind territorial streng auf ihr Genre begrenzt. Da wir da eher eine Art Schmelztigel verschiedener Einflüsse sind, wollen sie uns lieber draußen lassen. Metalfans können aber auch sehr glaubwürdige Kritiker sein, da sie hoch technischen, abwechslungsreichen Stil lieben.

Okay, damit wären wir durch. Danke dir nochmal!
Vielen Dank dir auch!!!
Matthew

Publiziert am von Marius Mutz

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