Interview mit Barney Ribeiro und Rami Mustafa von Nervecell

Der wohl aufregendste Death Metal-Export der arabischen Welt ist zurück: NERVECELL. Mit ihrem neuen Werk „Psychogenocide“ beweisen die vier Jungs aus Dubai, dass „Preaching Venom“ nicht nur eine Eintagsfliege war.Metal1 hat die Gitarristen Rami Mustafa und Barney Ribeiro dementsprechend zum Interview gebeten.

Hey Leute. Wie gehts Euch heute? Erstmal Glückwunsch zu „Psychogenocide“, ist wieder ein ziemlich starkes Album geworden. Was sind Eure Gedanken dazu, und was unterscheidet das Album von „Preaching Venom“?
Rami: Danke, uns geht es super. Wir sind mit dem neuen Album sehr glücklich. Es ist unser brutalstes, technischstes, und melodischstes Album bisher – gleichzeitig ist es aber auch sehr abwechslungsreich, was uns wichtig war. Wir haben diesmal viele verschiedene Einflüsse eingebracht, unter anderem ist der legendäre Karl Sanders auf „Shunq“ als Gastsänger dabei.
Das Album ist auch definitiv dunkler und aggressiver geworden. Wir wollten sowohl gut strukturierte Songs schreiben, als auch eine düstere Stimmung erzeugen, und außerdem noch einige „Mittlerer Osten“-Instrumente einbauen, ohne es zu übertreiben. In „Anemic Assurgency“ ist beispielsweise ein Oud zu hören, ein Akustikinstrument. In „The Taste Of Betrayal“ haben wir östliche Schlaginstrumente integriert. Das alles klang in unseren Ohren wirklich ausgewogen.
Wir wollten einfach unseren Sound als Old School Death Metal-Band mit Thrash- und modernen Einflüssen beibehalten, und wir sind sicher, dass uns das mit der neuen Nervecell-Platte gelungen ist.

Steckt in dem Cover von „Psychogenocide“ eine Art Sozialkritik? Hat das Album selbst einen derartigen Hintergrund
Barney: Ja, das tut es. Wir ermutigen die Hörer, ihre Augen aufzumachen, und einen Blick auf die korrupte und von oben herab kontrollierte Umgebung zu werfen, in die wir hineingezwungen werden. Das Albumcover ist futuristisch und zeigt eine Maschine, die der Herrscher über die Menschen ist und unsere Gedanken kontrolliert.
Im Prinzip heißt es, dass wir in einer Welt leben, in der wir nur Teil eines Experiments, nur ein kleiner Teil eines Masterplans sind, der von denen geschaffen wurde, die in der Hierarchie höher stehen, und die den Planeten wirklich regieren.

Wer von euch schreibt die Lyrics in den Songs? Habt ihr schonmal überlegt, Lyrics in eurer Muttersprache zu verfassen?
Rami: James, unser Sänger, schreibt alle Texte. Barney hat zu „All Eyes On Them“ etwas beigetragen, und ich denke mir auch manchmal ein paar Songtitel aus. Wir alle versuchen, Ideen und Gedanken einzubringen. In „Shunq“ haben wir sogar Lyrics in unserer Muttersprache, also Arabisch, das klingt sehr cool. Am Anfang war es eine ziemliche Herausforderung, weil es niemand von uns vorher gemacht hat – aber am Ende war es mit den Englischen Vocals ein cooler Mix, der sehr gut geworden ist. Karl Sanders hat die meisten englischen Vocals beigetragen.

Eine Sache, die alle Songs auf „Psychogenocide“ gemeinsam haben, ist ihre Länge: Eigentlich alle sind mindestens vier Minuten lang. Braucht eure Musik so lange, um sich zu entwickeln?
Barney: Alle Songs hängen miteinander zusammen, behandeln aber unterschiedliche Themen. Wenn wir Musik schreiben, achten wir nicht darauf, dass er eine bestimmte Länge hat. Wir wissen meist, wann genug in einem Song enthalten ist, und schreiben nicht immer weiter, nur um damit anzugeben, wie viele Riffs wir drin haben können. Es geht eher um den Flow oder die Stimmung. Egal was uns einfällt, wir versuchen immer, den Songwritingprozess und die vermittelte Message natürlich und authentisch zu halten, damit der Song seine Identität nicht verliert.

„Anemic Assurgency“ beginnt mit einigen ziemlich orientalisch klingenden Gitarren. Habt ihr jemals daran gedacht, solche Elemente mehr in Eure Musik einzubauen?
Rami: Nein, nicht wirklich. Wir haben es nur gemacht, weil das Instrument „Oud“ perfekt ist, um solche düsteren Melodien wie im Intro zu spielen. Mein guter Freund Ramy Aziziah hat das Oud gespielt. Wir haben zusammen daran gearbeitet, um sicherzustellen, dass es packend, aber gleichzeitig altmodisch und orientalisch klingt.
Er hat verschiedene Techniken und Tonleitern auf dem Stück benutzt – wir sind sehr stolz darauf. Wir haben das Instrument zum größten Teil nur ins Intro integriert, und nicht in die anderen Lieder, weil wir wirklich nicht so viel experimentieren wollen.

Habt ihr jemals Probleme in Dubai bekommen wegen der Musik, die ihr macht? Haben euch etwa Leute konfrontiert, weil sie eure Musik anstößig finden?
Barney: Nie. Wir kommen alle aus Familien, die eine sehr tief verwurzelte Kultur und Tradition haben, und deswegen achten wir immer darauf, niemanden oder niemandes Glauben zu beleidigen, sondern ihn zu respektieren. Was wir mit NERVECELL machen, ist pure Kunst. Unsere Texte kann man auf alles in der Welt beziehen. Letztendlich sind wir genauso gebildet (oder sogar mehr) wie alle anderen Menschen in Dubai, also selbst wenn uns jemand Ärger macht, macht uns das nichts aus, dann schlagen wir einfach zurück.

Wie ist die Kooperation mit Lifeforce Records entstanden?
Rami: Wir waren mit Lifeforce vor unserer europäischen Festival Tour im Jahr 2009 in Kontakt, und sie waren daran interessiert, NERVECELL zu signen. Im selben Jahr haben wir auf dem With Full Force in Deutschland gespielt und haben dort Lifeforce getroffen. Unsere Management, das uns zu den Festivals begleitet hatte, war auch dabei, und so haben wir direkt nach diesem Festival den Deal unterschrieben.

Habt ihr schonmal mit anderen Bands von Lifeforce getourt? Sie haben ein paar, die in etwa die gleiche Musik machen (z.B. Hackneyed oder The Last Felony).Barney: Es ist nicht möglich, weil es ein so kleines Land ist. Wir haben einmal versucht, eine Tour in Dubai und den Nachbarstaaten zu organisieren(Oman, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar) – aber es ist nicht sicher, so etwas zu tun. Und was die Temperaturen angeht: Ja, die können einen umbringen, wenn man lange genug draußen ist, vor allem in den Sommermonaten Juni und Juli.

Ihr werdet diesen August auf dem Summer Breeze Festival in Dinkelsbühl spielen. Ist es das erste Mal, dass ihr dort seid und was erwartet ihr von Deutschlands zweitgrößtem Metalfestival?
Rami: Ja, es ist das erste Mal, das wir dort sind. Aber natürlich haben wir schon viele Male zuvor in Deutschland gespielt. Wir sind sehr aufgeregt, dass wir bald auf einem der größten Festivals in Deutschland spielen dürfen. Wir haben darüber schon viel Positives gehört, und freuen uns darauf, vor unseren deutschen Fans zu spielen, und natürlich neue Anhänger für uns zu gewinnen.

Gibt es einen ort in Europa, an dem ihr gerne spielen würdet, und an dem ihr noch nie zuvor wart?
Barney: Ich würde sagen Schweden. Wir sind bisher nur bis Dänemark gekommen, das war auf unserer Tour mit Suffocation letztes Jahr.

Okay, wir sind fast durch mit dem Interview. Es bleibt nur noch das traditionelle Metal1-Brainstorming: Ich nenne euch ein paar Begriffe und ihr sagt mir, was euch dazu einfällt:

Marihuana:
Rami: Sag nein zu Drogen!
Barney: Sag ja zu Bob Marley!
Wüste:
Rami: Einer meiner Lieblingsorte, wenn die Sonne untergeht.
Barney: Großartig, um zu campen.

Fußball-WM in Katar:
Rami: Ich bin glücklich zu wissen, dass ein arabisches Land die größte Meisterschaft der Welt ausrichtet.
Barney: Es wird sicher furchtbar zu sehen, wie ganz plötzlich ganz viele Heuchler ankommen und so tun als würden sie sich für Fußball interessieren.

Treibhauseffekt:
Rami: Wenn es eine Chance gibt, ihn zu stoppen, lasst es uns tun, bevor es zu spät ist.
Barney: Den Leuten muss klar gemacht werden, dass sie aktiver werden müssen, damit etwas passiert.

Metal1.info:
Rami: Großartige Metaller.
Barney: Metal as fuck, und dazu auch noch Deutsch – da kann nichts schiefgehen.

Okay, das war es von mir. Danke für das Interview, und wenn ihr unseren Lesern noch etwas mitteilen möchtet, könnt ihr es jetzt tun.
Rami: „Psychogenocide“ ist in ganz Europa über Lifeforce draußen. Hört mal rein, und sagt uns, was ihr davon haltet. Wir werden auf dem Summer Breeze 2011 und beim Rock Im Betonwerk Festival in Deutschland spielen, also hoffen wir, euch alle dort zu treffen. Gruß aus dem mittleren Osten!
Barney: Danke für deine Zeit und deine Unterstützung, wir sehen uns auf Tour im August 2011.

Publiziert am von Pascal Stieler

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