Interview mit Dead Flesh Fashion

Stampfende Wohnblocks, die Hubschrauber mit Laserpointern blenden, die Vergänglichkeit als Kompliment an den Moment, Editing-Massaker und Erfahrungen die einen definieren: Die selbstbezeichneten Krach-Musiker von DEAD FLESH FASHION zogen im Interview zur neuen Scheibe „thorns“ bei der Beantwortung unserer Fragen alle Register. Aber wir setzten noch eins drauf und verlosen zusammen mit Midsummer Records 4 Alben von DEAD FLESH FASHION:

Hey Jungs, schön, dass ihr euch die Zeit für ein Interview mit Metal1.info nehmt! Wie geht es euch?
ALLE: Ganz gut soweit. Danke, dass DU Dir Zeit nimmst für uns.
Ihr seid zwar schon eine Weile in der Musikszene unterwegs, es wäre trotzdem schön, wenn ihr euch noch mal kurz vorstellen könntet.
PATRICK: Wir sind ein musikalisches Hörbuch namens DEAD FLESH FASHION, das mit lauten Trompeten von den dunklen, verwinkelten Gassen einer Stadt SEELE erzählt. Die Band gibt es seit 2006, mit dem ein oder anderen Besetzungswechsel und unser neues Album hört auf den Namen „thorns“.

Die Veröffentlichung von „thorns“ steht kurz bevor. Die Produktion eines Albums ist immer eine sehr intensive Zeit. Welche Gefühle verbindet ihr rückblickend mit den Aufnahmen?
CARSTEN: Die Zeit vom Schuften im Proberaum bis hin in die schöne Tonmeisterei um die Songs endlich alle auf Band zu kriegen war eine schweißtreibende aber auch schöne Zeit. Ich glaube jeder von uns ist stolz auf das, was er zur Platte beigetragen hat und dass wir trotz der chaotischen Zeit mit vielen Besetzungswechseln es geschafft haben, eine für uns so wichtige Platte aufzunehmen.
MILLER: Oh die Aufnahmen waren toll. Wir waren ja wieder in Oldenburg in Roles Tonmeisterei… :)Gefühle? Ja, ich hab mit \’ner Sehnenscheidenentzündung eingespielt. Das war lustig kann ich dir sagen.Die ganze Zeit mit Kühlpacks am Arm, (Verfluchter Kicker ;) wodurch ich mich mit den Takes ganz schön einschränken musste.

„Anchors“ habt ihr ja recht unkonventionell live im Proberaum aufgenommen. Wie lief das bei „thorns“ ab?
MATTES: Da muss ich dich korrigieren. „Anchors“ wurde zwar live eingespielt. Aber nicht im Proberaum sondern ebenfalls in der Tonmeisterei. Damals bekam die Platte durch die Art des Liverecordens natürlich eine ganz eigene Dynamik. Auf die wir auch nach wie vor stehen. Allerdings haben wir uns für „thorns“ dazu entschlossen wieder konventionell aufzunehmen. Worauf wir allerdings verzichtet haben sind Clicktracks, Triggersignale, Doppelungen; auch hat kein Editing-Massaker stattgefunden. Es sollte alles natürlich und homogen klingen.

Das tut es auch absolut. Mir persönlich gefällt das Album sehr gut. Habt ihr schon mehr Reaktionen bekommen?
CARSTEN: Ein paar Reaktionen auf die ersten beiden Songs, die wir hochgeladen haben waren durchaus positiv, was mich glücklich stimmt.
DIEZ: Also bis jetzt gab es noch nicht viele, da wir die Platte bis jetzt eigentlich nur guten Freunden vorgespielt haben. Aber die waren eigentlich alle recht angetan. Hoffentlich waren sie ehrlich, haha.

Und wenn wir schon beim Album sind: Was unterscheidet „thorns“ aus eurer Sicht vom Vorgänger „Anchors“?
DIEZ: „Anchors“ war wilder und chaotischer. „thorns“ hat, wie ich finde, etwas mehr Tiefe, wobei ich das Debüt, bei dem ich noch gar nicht in der Band war, damit keineswegs abwerten will. Ich habe die Platte damals geliebt und tue es heute noch. „thorns“ vermittelt einfach nur ein etwas anderes Gefühl.
MILLER: Wie schon erwähnt, haben wir eine 3/5 Neubesetzung. Stimme und Bass sind immer noch die alten. Meiner Meinung nach ist alles aufgeräumter und strukturierter. Song orientierter vielleicht.

Das Cover von „Anchors“ fand ich ja sehr gelungen. Bei „thorns“ bin ich mir noch nicht so sicher… was soll das Bild ausdrücken und wer hat es entworfen?
PATRICK: Ein Cover soll möglichst eine Stimmung kommunizieren und dem Hörer bei der Auseinandersetzung assistieren. Deshalb ist es ein wichtiges Element. Das Cover ist wie auch bei „Anchors“ von mir. Es zeigt ein düsteres, dennoch träumerisches Szenario – fast liebevoll behütet. Es gibt ein gleichberechtigtes (schwesterhaftes) Element und jeweils eines für gut und schlecht. Das Vergängliche ist allgegenwärtig und verbleibt somit als Kompliment an den Moment.

Das klingt ja regelrecht poetisch, da werde ich mich mit dem Bild wohl nochmal auseinandersetzten.
Euren Musikstil zu beschreiben finde ich recht schwierig. So richtig passen will da keine Schublade. Habt ihr selbst eine treffende Beschreibung?

DIEZ: Schwere, Atmosphäre und Heavyness, gepaart mit Chaos und Noise.
CARSTEN: Ich glaub die Beschreibung des Vaters meines ehemals besten Freundes passt sehr gut: „Krachmussick“.

Als Referenz fielen mir nach längerem überlegen die Franzosen von Celeste ein. Kennt ihr die Band und findet ihr den Vergleich passend?
MILLER: Celeste sind grandios. Aber der Vergleich ist für mich sehr weit hergeholt wenn ich ehrlich bin.Ab und zu haben wir vielleicht auch Celeste Momente, aber im großen ganzen haben die ne noch ausgeprägtere dunkle Stimmung in ihrer Musik als wir.
PATRICK: Sie sind wie eine Herde Wohnblocks, die über dich hinwegstampfen und dabei mit Laserpointern Hubschrauber blenden.

Interessanter Vergleich! Sollte ich das nächste Album besprechen, werde ich ganz frech in Guttenbergscher-Manier auf dich zurückgreifen.
Die Metal- und die Hardcore-Szene trennt manchmal Welten, trotzdem könnten sich Anhänger beider Gruppen in eurer Musik wiederfinden. Wo fühlt ihr euch mehr zugehörig?

DIEZ: Puh, schwer. Ich persönlich denke, dass es mit der Genreabgrenzung nicht so leicht ist. Es gibt da diesen riesigen Bereich harter Musik, der sich zwischen diesen Polen bewegt und irgendwo darin stecken wir selbst auch. Es gibt in beiden „Lagern“ Bands, die ich liebe, und genauso viele, die mir gar nichts geben. Von daher fällt es mir nicht leicht zu sagen, wo ich mich selbst wohler fühle, allerdings fühle ich mich dem Hardcore wohl etwas mehr verbunden.
CARSTEN: Beide Sparten haben definitiv ihre Extreme. Es gibt dennoch genau so in jedem Genre Menschen, die trotz ihrer Vorliebe zu einer bestimmten Musikrichtung offen für andere und neue Sounds sind. Ich glaube so Menschen sind wir und ich glaube auch, dass die meisten Leute, die unsere Musik mögen solche sind.

Es würde sich bei der ganzen Härte die ihr an den Tag legt anbieten auch mal ruhige, instrumentale Passagen – etwa wie in „Where The Night Goes For Orchid“ – einzubauen, um dem Hörer die Zeit zu geben sich zwischendrin mal zu erholen. Warum seid ihr so sparsam mit ruhigeren Passagen?
DIEZ: Es gibt da jetzt nicht unbedingt den Vorsatz, so wenig ruhige Parts wie möglich zu haben. Dynamik ist ja durchaus nicht verkehrt haha. Wir sehen uns aber schon als harte Band und lieben es einfach laut, so einfach ist das. Wenn dann allerdings mal ein ruhiger Part kommt, sticht der auch richtig heraus und entfaltet seine Wirkung. Vom Postcore-artigem Sound, wo die Songs immer an- und abschwellen, sind wir aber glaub ich recht weit entfernt, und das ist auch nicht der Sound, den wir wollen.
MILLER: Wenn ich mir die Platte anhöre hab ich schon das Gefühl dass da mehr instrumental Passagen drauf sind als auf „Anchors“. Gerade diese langen, schleppenden Parts wo Patrick auch mal die Schnute hält um dem Ganzen noch mehr Wirkung zu verleihen wenn es dann wieder laut wird.
PATRICK: Das sagt meine Mama auch immer „Musst du denn SO Musik machen?“, haha. Es ist halt immer eine Frage der Erzählweise. Wir verwenden den laut/leise Kontrast nicht, weil man es mal machen kann oder sollte, sondern weil es an genau der Stelle das Mittel ist, was aus uns heraus spricht. Was haben Celeste auf die Frage geantwortet? Haha.

Haha, vermutlich, dass stampfende Wohnblocks einfach Krach machen.
Verschärft wird die Heftigkeit von „thorns“ (wie schon bei „Anchors“) durch das Fehlen von Pausen zwischen den Stücken. Hat das einen speziellen Grund?

DIEZ: Ich liebe es, wenn du eine Platte hörst, wenn sie dich reinzieht und am Ende erst wieder ausspuckt. Man hört dann nicht Song XY und danach Song BLA und so weiter, sondern einfach ein langes Stück Musik, unterteilt in mehrere Kapitel. So etwas sollte ein Album idealerweise sein. Durch fehlende – oder kurze – Pausen bleibt alles im Fluss.
MATTES: Wir wollen dem Hörer zuhause ein Feeling für das vermitteln, was ihn live erwartet.

Wo seht ihr die Haupteinflüsse auf die Musik von DEAD FLESH FASHION und was hört ihr so privat?
PATRICK: Die Haupteinflüsse kommen von jedem Einzelnen in der Band. Wir funktionieren zusammen so. Die Dinge, die wir in uns tragen beeinflussen uns. Natürlich gibt es da bestimmt auch einige Bands, auf die wir uns summarisch ALLE einigen können. Dennoch hören wir viel unterschiedliche Musik und nicht nur genrefestgefahren.
CARSTEN: Ich höre eigentlich von ganz leise und zart bis hin zu laut und brachial eine ganze Palette von Bands. Für mich hat jede Band einfach eine bestimmte Note. Ich kann es nicht leiden, wenn ich ein Mixtape geschenkt bekomme und ich das Gefühl habe, es ist eine LP.

Und wenn wir schon beim Privaten sind: Da ihr von der Musik nicht leben werdet, womit verdient ihr euch die Brötchen?
ALLE: Einer arbeitet als Store Manager, der andere ist gerade dabei seine Ausbildung zum Krankenpfleger abzuschließen. Zwei studieren noch und einer arbeitet als Ingenieur. Der ganz normale Wahnsinn :)

Erzählt uns doch mal ein bisschen was zum inhaltlichen Rahmen von „thorns“. Gibt es sowas wie eine Grundaussage der Scheibe, eine Botschaft?
PATRICK: Die Stücke erzählen von unseren Dornen. Dinge, die uns beschützen, aber auch weh tun können. Erfahrungen, die einen definieren.

Eure Label Kollegen Caleya und Akela planen gerade an einer gemeinsamen Tour. Zieht es euch nicht auch auf die Bühnen?
MATTES: Oh doch! Wir wollen und werden. Eine Tour ist in Planung. Dazwischen werden wir versuchen soviel wie möglich an Wochenenden unterwegs zu sein. Denn Live zu spielen, mit deinen Freunden unterwegs zu sein, immer wieder neue Leute/Städte kennenlernen, dass ist doch das, was mit am meisten Spaß macht!
MILLER: Klar wollen wir wieder auf die Bühne zurück! Ist allerdings nicht ganz so einfach heutzutage. Also hier der Aufruf an alle die dieses Interview lesen, unsere neue Scheibe mögen und uns gern mal in ihrer Nähe sehen wollen. Sprecht eure Freunde und Veranstalter an, damit sie uns mal zu euch holen :)

Für Sommerfestivals ist eure Musik nicht wirklich geeignet, plant ihr trotzdem etwas für die Open Air Saison?
MATTES: Wir hätten gern mal auf dem Fluff Fest oder so gespielt. Bisher hat sich da einfach noch nichts ergeben. Auf dem Midsummer Festival und den Heartcoretagen durften wir ja schon mal Festivalerfahrung sammeln.
MILLER: Mal schauen, angefragt haben wir da schon bei dem einen oder anderen Open Air.Aber die sind oft schon ein Jahr im voraus voll.

Apropos Midsummer Records, wie zufrieden seid ihr bisher mit der Zusammenarbeit?
MATTES: Sehr zufrieden. Tim macht einen sehr,sehr guten Job!
CARSTEN: Es fehlt eigentlich nur noch, dass Tim uns morgens für die Arbeit unsere Nutellabrötchen schmiert!

Wenn ich richtig informiert bin, wohnt ihr in recht unterschiedlichen Städten. Wie klappt das dann mit regelmäßigen Proben, oder rauf ihr euch einfach vor Konzerten ein paar Tage zusammen?
MATTES: Es ist nicht immer einfach aufgrund der Distanz gemeinsame Probetermine zu finden. Allerdings klappt es dann doch immer regelmäßig Proben zu können.
CARSTEN: Auch wenn es manchmal eine TorTour ist, einen Probetermin zu finden, sind wir glaub ich alle stolz drauf dass wir es trotzdem immer wieder schaffen. Wenn da nur das Problem mit der Entferung wäre, dann wären wir glaube ich recht froh. Hinzu kommt noch, dass wir teilweise keinen festen Wochenablauf haben und einige von uns am Wochenende arbeiten müssen oder Dinge zuhause erledigen, sodass wir eigentlich nie nen FESTEN Probetermin haben.

Bevor wir zum Ende kommen gibt’s jetzt aber noch schnell unser traditionelles Wortspiel: Was fällt euch zu folgenden Bergriffen ein:
Ägypten: (PATRICK) Anfang
Wacken: (CARSTEN) S L A A A A A Y E R R R R !!!
Februar: (MATTES) kalt, nass, ungemütlich
AmenRa: (MILLER) Weihrauch und Dunkelheit
Metal1.info: (DIEZ) Schwermetall!

Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung der Fragen! Viel Erfolg mit dem Album, die letzten Worte gehören euch.
ALLE: Danke für\’s nachfragen und Interesse – vielleicht sieht man sich ja mal bei ner Show, es würde uns freuen ! Stay classy San Diego ;)

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