Interview mit Flo von Six Reasons To Kill

Mit „Architects Of Perfection“ hat die Koblenzer Core-Formation SIX REASONS TO KILL ein echtes Ausrufezeichen im noch jungen Jahr 2011 gesetzt: Auf ihrem jüngsten Album kombinieren sie die Härte und Geschwindigkeit modernen Death Metals mit eingängigen Hardcore-Elementen, und vergessen dabei nie, durch Melodien Akzente zu setzen. Schlagzeuger Florian stand uns im Interview Rede und Antwort, und verriet einiges zu den Plänen von SIX REASONS TO KILL im neuen Jahr.

Hi Jungs. Wie geht’s euch zur Zeit?
Sehr gut! Uns erreichen im Augenblick wirklich überschwängliche Reaktionen auf das Album. Das ist natürlich super. Zwar bedeuten die vielen Promotion-Maßnahmen auch viel Arbeit – aber das macht sich ja später auch bezahlt.

Euer neues Album „Architects Of Perfection“ ist eine echte Granate geworden. Wie zufrieden seid ihr damit?
Erstmal Danke fürs Kompliment. Wir selbst sind auch wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Es ist genau das dabei herausgekommen, was wir uns vorgestellt haben.

Der Albumtitel zeugt nicht gerade von fehlendem Selbstbewusstsein. Wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Der Titel ist nicht programmatisch für die Band. Mir ist schon klar, dass man das auf die Band projeziert, was auf dem Album steht. Aber es geht eigentlich um Werte, Normen und Moral. Die Frage nach gut und schlecht, die eigentlich jeden beschäftigt und das Streben nach Perfektion werden im Titel thematisiert. Jeder ist irgendwie ein „Architect Of Perfection“, ein Schöpfer seines eigenen Glücks. „Perfection“ steht für Normen, für Werte oder für Ideale. Jeder lebt ja nach bestimmten Normen und Idealvorstellungen. Das ist nicht schlimm – aber man sollte sich darüber bewusst sein, dass Normen nicht grundsätzlich immer gut sind. Sie schließen meistens auf der anderen Seite auch jemanden aus. Denken wir mal an das dritte Reich: Damals gab es bestimmte Wertvorstellungen, die bestimmte Glaubensgemeinschaften diskriminiert haben. Ganz klar: Die Nazis hatten tödliche Wertvorstellungen, was die Judenfrage anbelangt.

Ihr habt zu dem Song „My Bitterness“ ein Video gedreht. Könnt ihr kurz erklären, worum es in dem Lied und dem Video geht?
Es geht darum, dass mancher sich einfach selbst im Weg steht. Die gespielten Szenen im Video zeigen Momente des Scheiterns. Das klingt sehr negativ, hat aber auch eine positive Message in sich. Immerhin ist Scheitern ja auch Fortschritt. Wer immer nur gewinnt, entwickelt sich nicht. Im Text kommt aber eher die Perspektive eines Gescheiterten zur Geltung, der sich im Streben nach Idealen, nach Perfektion, selbst im Weg steht. Nach dem Scheitern steht er vor dem nichts. Man könnte auch eine Aufforderung darin sehen: Gib dich nicht selbst für ein einziges Ideal auf, sondern Blicke dahinter. Nicht alles was glänzt, ist wertvoll.

Ich denke, „Architects Of Perfection“ ist wahnsinnig hart ausgefallen. Was hat euch dazu bewegt, in der Hinsicht noch einen Schritt weiter zu gehen?
Wir hatten einfach Spaß daran, ein heftiges Brett aufs Band zu zimmern, hehe. Aber ich finde das Attribut “hart” allein reicht nicht aus, um die Qualitäten des Albums zu beschreiben. Uns ist auch wichtig, dass so ein Album abwechslungsreich ist und dem Käufer und Hörer was bietet.

Trotzdem sind auf dem Album häufiger Pianos, sowie Akustikgitarren und Streicher zu hören. Plant Ihr, solche Elemente in Zukunft öfter in Eure Musik zu integrieren?
Ja klar, das lockert das ganze Geballer ja auch etwas auf und bietet dem Hörer einen Ruhepol. Im Kontrast kommen die Extreme außerdem besser zur Geltung. Ich persönlich finde es ermüdend, wenn ein Album 50 Minuten lang durchballert. Ich hoffe, dass wir diese Erscheinung beim Hören unseres Albums nicht hervorrufen.

Was hat denn das Cover zu bedeuten? Etwa ein Seitenhieb auf den Schönheitswahn in der Gesellschaft? Oder wolltet ihr einfach nur ein möglichst furchterregendes Wesen auf dem Cover haben?
Beides – Du hast es sehr gut erkannt. Es geht wirklich um den Schönheitswahn. Der ist ja auch eine Form von Perfektionismus, dem wir nacheifern. In solchem Handeln spiegelt sich ja auch eine gewisse Dekadenz wieder. Wir eifern massenmedial geprägten Phänomenen nach. Gewisse Normen sollten einfach mal hinterfragt werden. Und sind wir doch mal ehrlich: Perfektion ist ein Superlativ. „Nobodys perfect“. Aber offenbar will die Welt nobel zugrunde gehen.

Wer war für das Design verantwortlich?
Die ursprüngliche Idee kam aus unseren Reihen. Loc, unser Gitarrist, kennt die beiden und hatte sich mit Tony Tome zusammengesetzt und das Thema besprochen. Dabei haben sie die Idee zu dem Artwork entwickelt. Es soll ein bisschen die Dekadenz zum Ausdruck bringen, mit der Menschen einer Perfektion nacheifern. Es zeigt ja ein zum Zombie mutiertes Model. Schönheit oder Schönheitswahn ist ja ein streben nach Perfektion, was man sich nur leisten kann, wenn man sonst keine Probleme hat. Aber wer ist schon perfekt?

Seit Dezember, also kurz vor der Veröffentlichung des jetzigen Albums, habt ihr einen Vertrag bei Massacre unterschrieben. Wie kam das so kurzfristig? Ging das von euch aus, oder hat Massacre euch kontaktiert?
Wir hatten unseren Deal mit Bastardized erfüllt und so lag es nahe, sich nach einem neuen Partner umzusehen. Wir haben uns dann bei ein paar Labels beworben – und Massacre hatten offenbar gefallen an dem Album gefunden. Massacre bedeutet für uns noch mal einen großen Schritt nach vorne. Sie öffnen uns die Türen in bestimmte Bereiche. Sie haben ein großes weltweites Vertriebsnetz und intensive Promokontakte, von denen wir profitieren. Außerdem sind das alles total nette und umgängliche Jungs, deshalb macht die Zusammenarbeit sehr viel Spaß.

Die Produktion von „Architects Of Perfection“ ist echt amtlich geworden. Hat Euch dabei das Budget des größeren Labels Massacre geholfen, bzw. hattet ihr mehr Kapazitäten, was das Recording anbelangt?
Nö, wir hatten ja schon vor dem Deal aufgenommen. Es ist die dritte Produktion mit unserem produzenten Kristian Kohlmannslehner. Nach jeder Zusammenarbeit war das Ergebnis eine Steigerung zu vorher. Außerdem sind wir nach drei Alben mittlerweile sehr gut aufeinander eingearbeitet. Es erleichtert die Arbeit schon erheblich, wenn man weis, wie der Produktionsprozess ablaufen wird und man sich gezielt darauf vorbereiten kann. Das ermöglicht einem auch, sich mehr auf die gesetzten Ziele zu konzentrieren und sich nicht auf dem Weg dahin an Kleinigkeiten aufzuhängen. Außerdem ist der Kohle ein äußerst angenehmer und stressfreier Mensch, der eine sehr entspannte Arbeitsatmosphäre zu schaffen in der Lage ist. Ich denke, dass sind alles Gründe, die sich auch im Sound bemerkbar machen.

Das war jetzt euer zweites Album mit Eurem neuen Sänger, der erst seit „Another Horizon“ dabei ist, soweit ich weiß. War es diesmal beim Songwriting von Vorteil, dass Ihr Euch schon besser kennt?
Eigentlich ist es das erste Album mit Lars. Und er ist auch erst sechs Wochen vor der Aufnahme bei uns eingestiegen. Insofern ist es natürlich erfreulich, wenn der Eindruck entsteht, als seien wir schon lange in diesem Lineup unterwegs. Grundsätzlich hast Du natürlich recht: Es ist schon von Vorteil, wenn man weiss, wie der andere Tickt. Das ist das gleiche, Prinzip, wie ich es zuvor bei deiner Frage zu den Aufnahmen geschildert habe.

SIX REASONS TO KILL existiert seit 2000. Ich kenne keine andere Band aus eurem Sektor, die bereits so lange aktiv ist. Damals gab es Metalcore auch noch nicht wirklich als Musikrichtung. Sie war da ja gerade erst im Kommen. Wie beurteilt ihr die Entwicklung der Szene in den letzten 10 Jahren? Was wird sich in den nächsten Jahren Eurer Ansicht nach im Genre tun?
Also die Szene hat sich natürlich verändert. Sie kam aus dem Untergrund, ist stark expandiert und dann hat sie sich wieder zusammengezogen. Viele der Bands aus diesen Tagen gibts heute nicht mehr. Viele haben sich aufgelöst oder gestehen uns, dass sie nur noch wenig Lust haben. Aber es gibt auch Leute mit langem Atem. Die haben es auch zu was gebracht, wenn man auf Bands wie Caliban, Neaera oder Heaven Shall Burn blickt. In den letzten Jahren ist die Musik denke ich durch reichlich Death Metal angereichert worden. Vielleicht auch, um einen Kontrapunkt zu vielen eher soften Tendenzen in der Musik zu setzen. Vielleicht geht es demnächst wieder in eine andere Richtung. Vielleicht wird der Core-Bestandteil bald von einigen jungen Bands mehr in den Vordergrund gestellt? Ich habe leider keine Glaskugel, die mir eine exakte Antwort über die Zukunft geben kann.

Aus dem Metallagern gibt es in meinen Augen immer noch viele Leute, die Metal- oder Deathcore-Bands nur Missbilligung entgegen bringen beziehungsweise von vornherein verurteilen. Habt Ihr diesbezüglich schonmal negative Erfahrungen gemacht, oder wird Euch häufiger von Leuten vorgeworfen, Ihr wärt „untrue“ oder Ähnliches?
Ja, sowas solls ja geben. Aber ich persönlich habe bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Vielleicht sehen wir nicht wie Blind Guardian oder Hammerfall aus – tragen also weder Leder noch Nieten – aber wenn man die Musik hört, dann verstehen die meisten, was abgeht. Und darauf kommts ja an, nicht auf Äußerlichkeiten. Wir selbst haben jedenfalls keine Scheuklappen oder Berührungsängste mit der Metalszene.

In der Hardcore-Szene gilt es momentan als besonders „in“ , straight edge oder vegan oder beides zu sein. Habt Ihr damit auch etwas am Hut? Oder lässt Euch das vollkommen kalt?
Nee, bei uns kommt nur Fleisch auf den Tisch, hehe.

Geht ihr bald mal wieder für längere Zeit auf Tour?
Ja, wir sind im Gespräch mit Agenturen und Bookern und haben dieses Jahr einiges geplant. Man darf gespannt sein. Neben den Touren wird es aber auch viele Einzelne Shows und Festivalauftritte geben. Es soll sich keiner über mangelnde Präsenz beschweren.

Habt Ihr besondere Pläne für die Zukunft von SIX REASONS TO KILL?
Naja, wir machen halt so weiter wie es läuft. Dieses Jahr wollen wir auf jeden Fall viel touren. Möglicherweise soll es auch mal weiter weg gehen, aber dazu kann ich jetzt noch nix sagen, weil es dazu bislang keine konkreten Pläne gibt.

In was für Berufen seid ihr eigentlich, neben der Musik, tätig?
Och alles mögliche. Der Sänger ist Auszubildender im kaufmännischen Bereich. Marco arbeitet bei einer Bank, Loc ist Außendienstler bei einem Energieversorger, Matzi ist in der Medienbranche und ich bin freier Hörfunk- und Fernsehjournalist bei einer großen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.

Was ist für jeden Einzelnen von Euch das Beste beim Touren? Das Gemeinschaftsgefühl untereinander, und mit anderen Bands? Die Atmosphäre?
Alles zusammen. Schön ist, dass man rumkommt und die Welt kennenlernt. Außerdem lernt man sehr viele neue Menschen kennen und es ist sehr angenehm, jeden Abend kreative Arbeit leisten zu können. Wir genießen das sehr. Nach einer Woche hat man die Songs so derart verinnerlicht, dass man sie auch im Schlaf spielen könnte. Das macht selbstbewusst, hehe.

Dieses Jahr werden in fünf Bundesländern Landtagswahlen stattfinden, unter Anderem in Rheinland-Pfalz, wo Ihr beheimatet seid. Was erwartet Ihr Euch davon?
Also da ich in Nordrhein-Westfalen wohne, betrifft mich das nicht wirklich. Wir haben letztes Jahr gewählt und den Rüttgers vom Thron gestoßen. Mit positiven Folgen vor allem für jüngere Menschen. Immerhin sollen dieses Jahr die Studiengebühren fallen. Und die Politik von Umweltminister Remmel im Dioxin-Skandal finde ich persönlich sehr verantwortungsvoll und weitsichtig. Solche Politik gönne ich den Rheinland-Pfälzern natürlich auch.

Auch sonst passiert momentan in Europa politisch eine Menge. Man schaue nur mal rüber nach Weißrussland, wo quasi eine Diktatur herrscht, oder nach Ungarn, wo kürzlich ein sehr repressives Mediengesetz verabschiedet wurde. Machen Euch solche Entwicklungen im Hinblick auf Europa Sorge, unter Anderem im Hinblick darauf, wie machtlos und untätig die EU ist?
Ja, aber das Problem ist doch auch, dass viele Menschen sich nicht dafür interessieren. Oder besser: Die Menschen wissen zu wenig über die Europapolitik und deren Möglichkeiten. Wenn man sich die Wahlbeteiligungen bei den Europaratwahlen ansieht, dann merkt man, dass die Menschen das Europa-Ding noch garnicht wirklich auf dem Schirm haben. Hier sind meines Erachtens auch die Medien mehr gefordert, darüber aufzuklären. Ebenso natürlich auch über Entscheidungen wie etwa das ungarische Mediengesetz. Ist doch der Hammer, dass der Typ im Moment auch noch den Europarat anführt. Und die haben das ja auch kritisiert.

Wie ist allgemein Eure Ansicht zum – vermeintlichen – Klimawandel? Vor Allem als Mensch aus ländlicheren Regionen macht man sich darüber ja eher Gedanken. Was haltet Ihr von Innovationen wie Biodiesel und Hybrid-Autos, die ja, wie sich inzwischen mehr und mehr herausstellt, der Umwelt insgesamt deutlich weniger nutzen als bisher gedacht?
Ich denke wir erleben im Moment eine Zeit, die schon ahnen lässt, was auf uns zukommen könnte. Wenn man an das vergangene Jahr denkt und die Umweltkatastrophen in Parkistan oder Australien sieht, dann sollte man schon auch über seine eigene Verantwortung gegenüber der Umwelt nachdenken. Es gibt natürlich Menschen, die nur wenig Chancen haben, sich zum Beispiel mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu begeben, weil es etwa auf dem Land nur ein schlechtes ÖPNV-Angebot gibt. Da muss die Politik mehr Möglichkeiten schaffen und auch nachhaltiger werden. Da darf der Zenith nicht immer nur am Ende der Legislaturperiode gesehen werden. Dazu gehört auch, die Atomkraft endlich abzuschaffen und die erneuerbaren Energien weiter zu fördern.

Sylvester ist zwar gerade erst rum, aber eigentlich ist es schon zu spät zu fragen. Ich tus trotzdem. Eure guten Vorsätze für das Jahr 2011?
Wir wollen unser Album soviel wie möglich promoten. Das allein reicht als Aufgabe für dieses Jahr. Naja, vielleicht werden wir uns auch noch auf ein paar neue Songs stürzen, die zu schreiben sein werden.

Abschließend was ganz Anderes: Wer wird Deutscher Meister 2011?
Keine Frage: Borussia Dortmund! Da ist auch jede Statistik und Tabellenplatzierung auf meiner Seite. Auch wenn das Spiel gegen Schalke jetzt Torlos ausgegangen ist – die werden ihre Platzierung schon erhalten. Klopp hat die Mannschaft ja gut aufgebaut in den letzten Jahren und ich finde die Spiele wirklich immer wieder einen Genuss.

Dann bedanke ich mich schonmal bei Euch für das Interview. Gerne würde ich es mit dem traditionellen metal1-Brainstorming abschließen. Ich nenne Euch verschiedene Begriffe, und Ihr müsst mir sagen, was Euch dazu einfällt.

Barack Obama: Amerikas Hoffnung und notwendiger Nachfolger nach der Albtraum-Politik von George W. Bush.
Handkäs‘ mit Musik: Kommt drauf an, welche Musik…
Karneval: Kaspertheater.
Die A3: Stau, Berge, Regen.
Dioxin-Skandal: Sauerei!
SIX REASONS TO KILL in 10 Jahren: Hoffentlich bekannt für solides Handwerk und gute Musik.
Sparpaket: Toll, wenn es an der richtigen Stelle ansetzt: Stuttgart 21 einsparen, dafür lieber Bundesweit und nachhaltig Strukturen stärken.
metal1.info: Neugierig!

Danke Euch, das war’s auch schon. Wenn Ihr noch etwas loswerden möchtet, habt Ihr jetzt die Gelegenheit dazu!
Danke für dein Interesse und die Möglichkeit, hier zu Wort zu kommen. Den Lesern möchte ich unser neues Album ans Herz legen. Außerdem kann man Freund mit uns werden: Auf www.facebook.com/sixreasonstokill oder www.myspace.com/sixreasonstokill.

Publiziert am von Pascal Stieler

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