Interview mit Mariachi Sebastian von Zero Degree

Mit der Eigenproduktion „Surreal World“ haben die thüringer ZERO DEGREE im Undergroundbereich für DIE Veröffentlichung des Jahres gesorgt. Mariachi Sebastian gibt Auskunft über Schweden, Deutschland, eine Affeninsel sowie über alles, was sonst noch so wissenswert wäre:

Hy, erstmal ein Lob für Eure Veröffentlichung von „Surreal World“, ein wirklich ordentliches Brett.
Danke! Wir freuen uns wirklich, dass dir die Platte so gut gefällt.

Auch wenn die Platte stark und Eure MySpace-Seite ordentlich frequentiert ist: so richtig bekannt seid Ihr noch nicht. Stellt Euch doch mal kurz vor!
Die Band hat ihre Wurzeln in der Schnaps- und Metalstadt Nordhausen. ZD besteht seit Ende 2006 in seiner heutigen Besetzung. Thomas ist unser Frontmann, André spielt Bass, Tobias ist an den Kesseln tätig. Pascal, Maik und ich, betätigen die Klampfen.

Ihr spielt melodischen Death Metal. Ist es ok für Euch, wenn Ihr mit Szenegrößen verglichen werdet oder besteht Ihr sehr darauf, einen ganz eigenen Stil gefunden zu haben?
Im Prinzip sind Verweise auf die Großen der Göteborger Szene, gerade In Flames und Dark Tranquillity, beabsichtigt. Diese Bands waren immer unsere Vorbilder und hatten auch ihren Anteil an der Gründung von ZD. Aus heutiger Sicht sehe ich das aber gar nicht mehr so kritisch, weil diese Bands sich auch weiterentwickelt haben und die musikalische Schnittmenge kleiner geworden ist. Trotzdem machen wir melodischen Metal, da wird man automatisch mit solchen Bands verglichen. Das ist aber okay für uns.

Wo seht Ihr 2010 noch das Faszinierende an einem Genre, dass sich nach bald 20 Jahren doch eigentlich allmählich tot gespielt haben müsste?
Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster, ich denke, dass das Genre bereits tot ist. Nur noch wenige Bands machen heute diese Art von Musik. Es ist aber eine natürliche Entwicklung, wie sie mit jedem Genre stattfindet. Was uns nach wie vor daran reizt ist, dass das genau die Musik ist, mit der wir uns am besten Ausdrücken können und die uns jegliche Freiräume lässt.

Wie seht Ihr selbst mit einigem Abstand die Platte, was sticht besonders positiv heraus, wo sind noch Schwachstellen?
Ich bin unendlich zufrieden mit der Platte. Die Songs sind vielseitig, wodurch die Platte nicht langweilig wird. Der Sound und das Artwork sind ebenfalls großartig geworden. Für mich ein rundum passables Debut. Was mir immer wieder etwas aufstößt ist die lange Produktion. Streckenweise war es schon ein Krampf sich weiter zu motivieren. Bei der nächsten Platte muss das alles zügiger vonstattengehen.

Strebt Ihr mit aller Macht in Richtung Plattenvertrag oder würdet Ihr den im Falle des Falles mitnehmen, wenn sich die Möglichkeit bietet?
Eher Zweiteres. Mit dieser Platte war es so, dass wir uns selber etwas beweisen wollten. Ein großartiges Album zu machen, ohne eine kostenaufwendige Maschinerie im Hintergrund zu befriedigen. Es ist auf jeden Fall gelungen. Ich weiß aber nicht, ob wir für den Alleingang noch einmal so viel Kraft aufbringen können. Eine Plattenfirma wäre natürlich eine sinnvolle Weiterentwicklung, da man gerade die Promotion für ein Album als Band gar nicht bewältigen kann und auch nicht die Kontakte hat. Erzwingen kann man aber nichts.

Was wäre das entscheidende Argument gegenüber einer Plattenfirma, mit dem Ihr die zahllose Konkurrenz ausstechen würdet?
Bodenständigkeit und gute Songs. Die Band zeichnet sich vor allem durch ihre Songs aus, es werden alle Egos zurück geschraubt um den bestmöglichen Song raus zu kitzeln. Wir sind ein wirklich gut funktionierendes Kollektiv.

Eure Musik verlangt einiges an technischem Können. Wie regelmäßig probt Ihr und wie wichtig ist das heimischen Üben?
Durch unsere Berufstätigkeit und das Studium, sind wir alle in Deutschland verteilt, da bleibt nur das Wochenende zum Proben. Man muss also die Zeit, die man miteinander hat gezielt nutzen und das Üben zu Hause gewinnt enorm an Bedeutung. Neue Songideen werden dann auch in Ruhe zu Hause probiert, aber am Ende muss alles im Proberaum funktionieren.

Bei Betrachtung der Songtitel könnte man auf die Idee kommen, dass da ein Konzept hinter steht. Wovon handeln die Texte?
In gewisser Weise steckt schon ein Konzept dahinter, jedoch war die Platte nicht als Konzeptalbum geplant. Surreal World beschreibt die gefühlte Unwirklichkeit des Einzelnen in der heutigen, schnelllebigen Zeit. Jeder der Songs ist eine in sich abgeschlossene Geschichte, die insgesamt zum Thema beitragen. Situationen und Schilderungen in denen sich jeder wiederentdecken kann. Dabei sind bestimmte Songs aus einer recht „filmischen“ Sicht geschrieben, man muss deren Inhalt dann metaphorisch interpretieren.

Ihr habt (erst recht für eine Eigenproduktion) eine sehr opulente Aufmachung für „Surreal World“ gewählt. Lohnt sich das in Zeiten von Downloads überhaupt noch oder ist das gerade EUER Statement gegen den Trend?
Den Trend kann man leider nicht aufhalten. Wir können aber den Leuten, die uns als Band mit dem Kauf der Platte unterstützen, etwas Besonderes bieten, deswegen kam eine gewöhnliche Plastikhülle nicht in Frage. Bis jetzt ist das Digipak durchweg positiv angekommen, die Leute freuen sich ein kleines Sammlerstück zu Hause zu haben.

Ich sprach MySpace schon an. Würdet Ihr es eher als Fluch oder Segen bezeichnen?
Sehr interessante Frage! Vor einiger Zeit war MySpace das non-plus-ultra. Man konnte an Konzerte kommen, hat viele Kontakte geknüpft und Freunde, die sich wirklich für die Musik interessiert haben, hinzugewonnen. Ich stehe diesem Web 2.0 Networks immer sehr kritisch gegenüber, aber in Hinsicht auf die Band hat mich MySpace überzeugt. Mittlerweile ist es aber zu einer unsäglichen Spamschleuder verkommen. Unter unseren 12.000 „Freunden“ findet man nicht mehr die Leute, die sich wirklich dafür interessieren und man wird mit belanglosen Dingen zugemüllt. Resümierend kann man sagen, dass uns MySpace einen guten Start ermöglicht hat, aber nun alle Möglichkeiten ausgereizt sind. Ich glaube aber nicht, dass Facebook oder vergleichbare social Networks mehr können! Nur Magazine, Fanzines und Onlinemags wie metal1.info können für uns neue Leute erreichen.

Die meisten von Euch spielen auch noch in anderen Bands. Gibt es da Wissenswertes zu berichten?
Mittlerweile spielt keiner mehr von uns in anderen Bands. Pascal und Thomas haben im Prinzip mit Gründung von ZD ihre Misfitscoverband „138“ aufgegeben, Tobi ist kurz vor der Produktion von „Endorsed by hate“, an deren Songs er noch mitwirkte, bei Maroon ausgestiegen. Maik, André und ich spielten eher in regional aktiven Bands, haben diese aber auch aufgegeben. Aber die verschiedenen musikalischen Hintergründe haben auch dazu beigetragen, was ZD heute ist.

Als Thüringer Band muss die Frage gestellt werden, ob Ihr auch so Naturfanatiker seid wie die unzähligen Pagan-Metal-Bands aus Eurem Bundesland?
Das kann ich gar nicht so vereinheitlichend beantworten. „Fanatiker“ geht sicherlich zu weit und auf die Band hat es eigentlich keinen Einfluss. Da wir alle aber eher in ländlichen Regionen aufgewachsen sind, hat uns das sehr als Menschen geprägt.

Abschließend noch ein kleiner Ausblick, was habt Ihr für die nähere Zukunft geplant?
Auf jeden Fall mehr Konzerte spielen, neue Leute erreichen und eine neue Platte machen.

Als regelmäßiger *g* Leser von Metal1.info wisst Ihr sicher, dass wir die Bands nicht ohne Wortspiel zu entlassen pflegen. Deine spontanen Gedanken zu den folgenden Begriffen:

Taschenkalender: Habe ich, bin aber zu faul etwas einzutragen.
Paprikarisotto: Sollte ich wohl mal probieren, beim nächsten Interview sage ich dir, wie es schmeckt.
Der Abstimmerer: Bitte was? ;-)
Einteiler: Habe ich keinen.
Mehrfachsteckdosen: Fehlen irgendwie immer …
Atomkraftwerklaufzeitverlängerung: Ist nicht die Zukunft.
C 64: Vor meiner Zeit, habe mit einem 386er angefangen bzw. ein Kumpel hatte einen Amiga 500, war auch geil. Monkey Island!
Metal1.info: Werde ich in Zukunft mehr lesen!

So, ich bin durch mit meinen Fragen, die letzten Worte gehören natürlich Euch!
ZD: Ich danke dir für das Interview. Allen Leuten noch ein ruhiges Jahresende, hört euch die Platte an, kommt auf die Konzerte und lasst uns den METAL zelebrieren!

Publiziert am von Jan Müller

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