Mit „Fallen Angel’s Dominion“ haben die Münchner THULCANDRA ein wirklich beachtliches Album abgeliefert – lediglich die Tatsache, dass gut und gerne 80% der Credits dafür eigentlich auf direktem Wege nach Schweden, genauer an die Familie von Dissection-Gründer Jon Nödtveidt weitergeleitet werden müssten, sorgte zumindest bei mir für eine gewisse Ratlosigkeit.
Was Bandkopf Steffen Kummerer zu diesem Thema und allem weiteren, was Album und Band anbelangt, zu sagen hat, könnt ihr im Folgenden nachlesen:
Im Moment stehen viele Projekte an, die fertiggestellt werden wollen und Dinge neben der Musik wie Jobs, Universität und soziale Beziehungen muss man irgendwie unter einen Hut bekommen. Es ist immer viel zu tun da man von der Musik allein nur schwer leben kann und auf andere Projekte neben den eigentlichen Bands angewiesen ist.
Du bist zwar noch anderweitig aktiv und „Fallen Angel’s Dominion“ ist nicht dein erstes Album überhaupt, aber immerhin das Fulllenght-Debüt von THULCANDRA. Wie fühlt es sich an, endlich das erste Album dieses Projektes in Händen zu halten?
Es ist schön zu sehen dass nach fast sieben Jahren endlich ein full lenght Album realisiert werden konnte. Nachdem unser damaliger Gitarrist für sich entschied nicht mehr unter uns zu weilen, lag die Band für einige Jahre auf Eis und der Fokus wurde auf Obscura verlegt mit der zu dieser Zeit langsam aber sicher etwas Aufmerksamkeit im Underground und hier und da auch darüber hinaus verzeichnet werden konnte. Die ersten Touren standen an und Thulcandra war vorerst nur ein schlafendes Projekt.
Wenn ich nicht irre, sind drei von euch sind ja noch bei Helfahrt aktiv, euer Drummer nur als Sessionmusiker dabei. Würdest du THULCANDRA eher als Band oder als Projekt einstufen? Probt ihr beispielsweise regelmäßig, oder schreibt ihr „nur“ Songs?
Das ist falsch. Die beiden Zwillinge, Tobias und Sebastian Ludwig spielen bei der Münchner Pagan/Black Metal Band Helfahrt. Ich selbst bin bei Obscura als Gitarrist und Sänger aktiv was durch den massiven Tourzyklus nur wenig Zeit für Thulcandra zulässt. Dennoch sehen wir das ganze als Band und definitiv nicht als Projekt an. Regelmäßige Proben sind nicht möglich da jeder anderweitig beschäftigt ist, sei es mit Touren oder arbeiten und oder studieren. Wir schreiben Songs und proben dann und wann, wenn es die Zeit zulässt und treffen uns dazu in München.
Wie entstehen die Songs bei euch? Einzelarbeit, oder haben die anderen da auch „was mitzureden“?
>Jeder ist gleichberechtigt was das Songwriting betrifft und jeder kann einbringen was er möchte. Bei ‚Fallen Angel’s Dominion‘ wurde ein Großteil noch im alten Lineup komponiert und nur ein paar Songs entstanden mit den Zwillingen im Kollektiv. Mit der kommenden Scheibe möchten wir jedoch mehr gemeinsam an den Songs arbeiten um auch einen stärkeren eigenen Touch zu entwickeln.
Habt ihr Pläne, die Musik auch live umzusetzen?
Wir haben bereits auf dem Metalfest in Dessau 2010 gespielt und sind für das Helion Festival als auch das Bavarian Battle Festival seit ein paar Monaten bestätigt. Es treffen auch immer wieder Anfragen für verschiedene Tourneen im In- und Ausland ein, doch sondieren wir derzeit noch welche Option die beste sein wird. Mehr wird dazu in Kürze bekannt gegeben.
Ich hab mir bei der Bewertung des Albums extrem schwer getan, beziehungsweise habe am Ende sogar auf eine Punktwertung verzichtet. Kannst du dir vorstellen, warum?
Nein.
Nun, dann helfe ich etwas auf die Sprünge: Es war die immer, wenn es um eure Band geht, angesprochene Parallele zu Dissection (und in geringerem Maße Sacramentum). Nun ist es ja so, dass ihr euch dermaßen offensichtlich an diesen Bands orientiert, um nicht zu sagen diesen nacheifert, dass es ja alles andere als subtil ist: „Angel“-Songtitel, ein Artwork von Necrolord, Songs, die auch auf einem Album, das Dissection zwischen „The Somberlain“ und „Storm Of The Lights Bane“ aufgenommen und dann in einer Schublade haben verschwinden lassen und als wink mit dem Zaunpfahl dann noch ein Dissection-Coversong…
Von Zufall kann hier also keine Rede sein, auch nicht von „Inspiration“.
Könnte man „Fallen Angel’s Dominion“ als Tribute-Album bezeichnen?
‚Fallen Angel’s Dominion‘ wurde als Hommage an die Neunziger und im speziellem Dissection und Unanimated komponiert und geschrieben. Im Infoschreiben zur Platte ist auch aufgeführt dass die gesamte Band nur aus diesem Grund geschaffen wurde. Die Kritik gebe ich gern zurück; warum wurde die letzte Suicidal Angels Platte bei Metal1.info bewertet? Mit den gleichen Kriterien betrachtet ist deren Platte ein Rip-Off von Kreator und Slayer und auch das Coverartwork ist von Repka entworfen, das gleiche gilt für Legions Of The Damned und geschätzte 1000 weitere Retrokapellen die Slayer, Kreator, Cannibal Corpse, Darkthrone etc. nacheifern. Jede dieser Bands hat seine Berechtigung weil es einfach Spaß macht die Musik zu spielen die man gerne hört.
Ich kann mich nicht erinnern, das negativ vorbelastete Wort „Rip-Off“ benutzt zu haben… aber gut, lass es mich anders formulieren:
Könnte man euch also als eine Art „Tribute-Band“ beschreiben, die Material im Sinne dieser Bands schreibt oder trifft das eure Selbsteinschätzung garnicht?
Thulcandra ist definitiv eine Tribute Band, nicht zwanghaft nur auf Dissection bezogen, eher auf die ganze dunkle 90er Szene wie Dissection, Unanimated, Abigor, Eucharist und wie sie alle heissen. Wir wollen gar nicht originell sein, den Anspruch haben wir mit unseren anderen Bands Obscura, Dark Fortress & Helfahrt.
Wer sich so offensichtlich bei anderen Bands bedient, nimmt ja auch immer in Kauf, als billiges Plagiat abgestempelt zu werden – passiert euch das oft und wenn ja, wie geht ihr damit um?
Nein, das passiert so gut wie nie, da der Großteil der Leute unsere Intention verstanden hat und den Tributfaktor erkennt oder sich alternativ eine Zusammenfassung unserer History durchliest.
Auch wenn es auf dich bei den letzten Fragen vielleicht nicht den Eindruck gemacht hat: Ich persönlich habe einen großen Respekt vor eurer Arbeit. Das Album ist wirklich als solches gesehen, große Klasse, und sowohl von der Songwriterischen- als auch der musikalisch/technischen Standpunkt her betrachtet großes Kino… ich meine: Viele Bands sind schon mit Dissection verglichen worden, aber bisher ist mir keine untergekommen, die an diesem Vergleich nicht hoffnungslos gescheitert wäre – anders bei euch, könnte man doch so manchen Song eures Albums ohne Probleme Dissection in die Schuhe schieben…
Trotzdem: Wenn ich im Plattenladen stehe, und vor mir im CD-Regal „Fallen Angel’s Dominion“ und „Storm Of The Lights Bane“ sehe – wie würdest mich davon überzeugen, eure CD zu kaufen und nicht den Klassiker?
Da gibt es nur ein Argument ‚Fallen Angel’s Dominion‘ zu kaufen: Du besitzt bereits ‚Storms Of The Light’s Bane‘.
An manchen Stellen hält man es ja fast nicht für Möglich, dass die Songs nicht von Dissection sind – von den Akkordbrechungen über die Riffaufteilung bis hin zu den Gesamtarrangements habt ihr euch ja wirklich viel Mühe gegeben, den Stil dieser Band am Leben zu erhalten. Was war eure Motivation, mit der Band diesen Pfad einzuschlagen, und war es schwer für euch, euch in diesen Stil hineinzuarbeiten?
Wir möchten dem Stil der alten 90er Tribut zollen und sind große Fans der alten Bands die wir seit mehr als 10 Jahren hören und supporten, wo es nur geht. Wir wissen, wie es zu klingen hat und arbeiten so lange an einem Stück bis es von uns allen abgenickt wird. Da ist es nicht schwer sich in den Stil einarbeiten zu müssen, das war faktisch nicht nötig.
Wie haben die Labels, Fans und Magazine auf eure CD reagiert? Bekommt ihr mehr positives oder negatives Feedback auf euer Schaffen?
Wir haben einen Deal bei Napalm Records erhalten ohne uns beworben zu haben, auf unserer Homepage besteht eine ellenlange Liste von guten Wertungen bis hin zu Bestnoten.
Wie seht ihr eure Zukunft? Wollt ihr weiter im Kielwasser von Dissection schwimmen, oder werdet ihr versuchen, diesen weiterzuentwicken? Oder geht es vielleicht auf dem nächsten Album (so denn überhaupt eines in Planung ist,) in eine ganz andere Richtung?
Wir haben bereits das Songwriting für die kommende Platte aufgenommen und arbeiten an einer Vorproduktion für mehrere Songs. Die Richtung wird definitiv beibehalten, jedoch werden wir die Stücke etwas epischer gestalten und mehr Layer verwenden um die Kompositionsdichte noch weiter zu erhöhen.
Was wird sich bei THULCANDRA bis zum nächsten Album ändern und was ganz sicher gleich bleiben?
Das Woodshed Studio ist bereits wieder gebucht worden und wir möchten auch wieder mit Kristian Wahlin zusammenarbeiten. Stilistisch bleibt alles mehr oder weniger beim alten. Wir machen das mittlerweile seit sieben Jahre, warum sollten wir unseren Stil als Tributband ändern? Dann wäre es ja keine Tributband mehr.
Wie viel Einfluss hattet ihr auf das Cover? Konntet ihr das Motiv im Detail mitbestimmen, oder kann man froh sein, wenn Necrolord einem ein Cover malt und nimmt, was man bekommt, oder ist das Cover garnicht für euch gemalt, sondern quasi aus einem „Katalog“ fertiger Artworkentwürfe?
Kristian Wahlin hat keinen ‚Katalog‘ oder etwas dergleichen. Er arbeitet nur mit Künstlern die ihm persönlich gefallen. Er hat mitte 2009 eine Vorproduktion von einigen Songs erhalten und war der Meinung die Songs hätten auch 1994 erscheinen können was uns nur bestätigte. Abgesehen von kleinen Vorgaben haben wir Kristian freie Hand gelassen was das Artwork betrifft, er arbeitet viele Monate an einem einzigen Bild und ist sein größter Kritiker. Er würde niemals ein halbgares Artwork abliefern mit dem er selbst nicht zu einhundert Prozent zufrieden ist.
Noch eine ganz pragmatische Frage: Was zahlt man für ein Cover von Necrolord, beziehungsweise wie habt ihr ihn dazu gebracht, ein Cover für euch zu malen?Hat eure musikalische Verwandschaft zu Dissection hier eine Rolle gespielt, oder ist ihm die Musik egal, solange die Bezahlung stimmt?
Vor etwas über einem Jahr war meine andere Band mit Evocation aus Schweden auf einer Europa Tournee und der direkte Kontakt wurde über deren Gitarristen hergestellt. Letztendlich haben wir Kristian einfach gefragt und er hat zugesagt nachdem er eine Vorproduktion als Inspiration gehört hat. Für ein Artwork und den Preis muss man mit ihm in Kontakt treten.
Nachdem ihr offensichtlich eine sehr enge persönliche Beziehung zu Dissection habt: Was hast du gedacht, als der Freitod von Jon Nödtveidt bekannt wurde und wie stehst du allgemein zu der mit Dissection untrennbar verbundenen Religion der satanistischen Verbindung MLO?
Konkret gesagt habe ich, abgesehen von einem gemeinsamen Frühstück und einer Tür, die ich ihm vor ein paar Jahren versehentlich in der Rücken geworfen habe, keine persönliche Beziehung. Etwas wie die MLO ist kompletter Bullshit, wenn man es auf den Punkt bringt. Wer sich auch nur ansatzweise mit der Materie auseinandersetzt ,weiß, dass eine organisierte Religion rein gar nichts mit satanischen Werten zu tun hat. Im Prinzip ist eine Horde betrunkener Punks satanischer als etwas wie die MLO. Unterhalte dich einfach mal mit Ihsahn oder Erik von Watain, an den Quatsch glauben die, die auf simples Marketing reinfallen. Der Suizid Jons war musikalisch schade, er war auch ein sehr höflicher Zeitgenosse muss man sagen. Ideologisch ist es einfach traurig, jemand mit Verstand einen solchen Weg gehen zu sehen, aber ich respektiere eigene Entscheidungen.
Ok, das wär dann auch schon meine letzte Frage gewesen. Ich wünsch euch weiterhin alles Gute und viel Erfolg – solange die Qualität stimmt, auch gerne weiterhin in den Fußspuren von Dissection! Wenn du noch etwas loswerden willst, hast du jetzt die Gelegenheit dazu, bevor ich das Interview gerne mit dem traditionellen Metal1.Info-Brainstorming beenden würde…
Thilo Sarrazin:
Wiesn:
Stuttgart 21:
Engel:
FC Bayern München:
Atomausstiegsausstieg:
Metal1.info:
Jon Nödtveidt:
Ich werde keine politischen Themen behandeln, das gehört nicht hierhin. Daher muss das Brainstorming leider wegfallen, sorry.
Das nenne ich mal umfassende Definition des Begriffs „Politik“… aber gut ;)
Dank dir trotzdem für das Interview und viel Erfolg mit deinen Bands!