Interview mit Agnete Kirkevaag von Madder Mortem

Mit „Eight Ways“ lieferten die Norweger von MADDER MORTEM vor gut einem Jahr den schöpferischen Höhepunkt ihrer noch lange nicht am Ende angelangten Karriere ab und nun gab es mit der EP „Where Dream & Day Collide“ noch einen kleinen Nachtisch. Über den Werdegang der Band, das Video zum Titelsong der EP und eine mögliche Teilnahme am Eurovision Song Contest wurde die Sängerin Agnete M. Kirkevaag im Metal1.Interview ausgefragt.

English original…

Hallo, wie geht es dir?
Hey, mir geht es gut – es fühlt sich so langsam wieder nach Sommer an!

Eure Musik ist schwer zu kategorisieren, Progressive Metal passt nicht so recht, Dark Metal inzwischen auch nicht mehr. Würdet ihr den Begriff „Avantgarde Metal“ akzeptieren oder wie würdest du eure Musik beschreiben?
Nunja, dem Cambridge Online-Wörterbuch zufolge steht „Avantgarde“ für „(die Arbeit von) Malern, Autoren, Musikern und anderen Künstlern, deren Ideen, Stil und Methoden sehr eigentümlich oder modern erscheinen im Vergleich zur Zeit in der sie leben“, und das hört sich natürlich sehr schmeichelnd an. Aber für mich hört sich das so an als würde der Begriff „Avantgarde-Metal“ einfach nur implizieren, dass man komische Musik produziert nur um in diese Schublade gesteckt zu werden. Diese Intention haben wir aber natürlich überhaupt nicht. Wir versuchen einfach nur gute Songs zu schreiben, die uns auch selbst gefallen. Ich mag unsere Musik auch nicht gerne einordnen müssen – es ist doch viel einfacher, wenn man selbst reinhört und es dann nennt wie man möchte, hehe. Wir haben es auch schonmal „brutalen Pop“ genannt, aber das verwirrt die Leute dann doch zu sehr.

Euch gibt es nun ja schon seit 17 Jahren, auch wenn einige Bandmitglieder erst später zugestossen sind. Wie alt wart ihr als ihr mit Musik machen angefangen habt? Dachtet ihr jemals, dass ihr den Punkt erreichen würdet, an dem ihr euch heute befindet?
Ich glaube ich habe mit ca. 15-16 Jahren angefangen selbst zu musizieren, ein wenig mit Klavier und etwas in Richtung Songwriter. Aber mit Madder Mortem haben wir unsere eigenen Songs produziert als wir uns 1993 zusammengefunden haben. Natürlich gab es immer die Vorstellung irgendwann eigene Alben veröffentlichen zu können, mit 16 Jahren scheint halt nichts unmöglich, hehe. Ich denke also wir hatten schon den Plan mal soweit zu kommen wie wir heutzutage sind. Ein wenig finanzieller Erfolg wäre auch nicht schlecht gewesen, aber viel wichtiger war die Möglichkeit Alben aufzunehmen und Konzerte zu geben.

War es schwierig ein Laben zu finden, dass euch unter seine Fittiche nimmt? Euer erstes Album wurde von Misanthropy Records veröffentlicht, das kurz danach dicht machen musste. War diese Zusammenarbeit ein negatives Erlebnis für euch?
Nein, so wirklich schwierig war es nicht – wir haben die MCD „Misty Sleep“ aufgenommen und sie an verschiedene Labels geschickt und Misanthropy haben uns ziemlich kurz darauf unter Vertrag nehmen wollen. Im Vergleich zum Aufwand von anderen Bands war das für uns ein echter Spaziergang. Wir hatten viel Glück und realisierten damals gar nicht wieviel Glück wir hatten. Es war zwar Pech, dass Misanthropy nicht lange danach zumachen mussten, aber abgesehen davon gab es keine Probleme mit dem Label und vier Alben später bin ich immer noch dankbar für die Möglichkeit die man uns gab.

„Mercury“ ist nicht mehr käuflich erwerbbar. Denkt ihr, dass es mal einen Re-Release geben könnte oder ist das Thema durch?
Wir haben schon häufig darüber gesprochen und würden es sehr begrüßen, aber noch steht nichts konkretes fest. Eine Idee die wir haben, die aber Zeit und Geld beansprucht, ist „Mercury“ zu remastern und dann einige Songs in veränderter Form neu aufzunehmen, sozusagen um die Grundideen beizubehalten, aber ihnen den Sound von Madder Mortem anno 2010 einzuverleiben. Ein wenig wie beim Re-Release des „Deadlands-„Album, wo wir das ja bereits am Titelstück ausprobiert haben, aber in diesem Fall eben für mehrere Songs. Das würde sicher Spass machen und sich gut anhören, vor allem auch da der Sound von „Mercury“ so abgedreht ist. Ich mag es zwar, aber es hört sich halt echt komisch an!

Vor gut einem Jahr wurde „Eight Ways“ veröffentlicht. Hat sich eure Popularität seitdem merkbar verändert? Hört ihr euch euer Album manchmal noch an oder seid ihr schon mitten in den Arbeiten zum nächsten Werk?
Ich weiss nicht wie es um unsere Popularität steht, da ich sehr mit Schule und anderen Dingen beschäftigt bin, aber ausgehend von den Reviews scheinen wir nun eine grössere Menge an Leuten zu erreichen, was wirklich cool ist. Ich höre mir das Album gelegentlich noch an, aber das kommende Werk ist schon auf einem guten Weg, es sind schätzungsweise 3-4 mehr oder weniger fertige Songs und eine ganze Menge Ideen für weitere Stücke. Wir wollen die Wartezeit zwischen den Alben nicht zu gross werden lassen, aber es wird immer schwieriger die beanspruchte Zeit für Privates und die Musik im Gleichgewicht zu halten, deswegen wird es immer etwas länger dauern, verglichen mit der Zeit als man 18 und noch in der Schule war.

Ich mag Bands, die sich mit jeder Veröffentlichung weiterentwickeln. Im Vergleich zum Vorgänger „Desiderata“ wirkt „Eight Ways“ wie ein riesiger musikalischer Schritt nach vorne – auch wenn ich „Desiderata“ wohlgemerkt immer noch sehr mag. Ist dieser Fortschritt in Abwechslungsreichtum und Dynamik der konstanten Weiterentwicklung eurer musikalischen Fähigkeiten und auch grösser werdenden Erfahrung geschuldet? Gibt es noch musikalische Grenzen, die ihr nicht überschreiten könntet?
Ja, natürlich spielt das eine grosse Rolle. Je mehr man lernt, desto mehr Möglichkeiten öffnen sich für einen. Aber ich denke der mentale Reifeprozess ist mindestens genauso, wenn nicht sogar wichtiger, als die technischen Fähigkeiten. Wir probieren mehr aus, entdecken neue Genres und Ideen, und das gibt uns neue Wege uns auszudrücken. Ich denke nicht, dass es noch musikalische Grenzen gibt, die wir selbst nicht überschreiten könnten – es ist halt eher die Frage des Wollens, wenn uns etwas nicht gefällt, oder eine Kosten- und Zeitfrage, wenn es um Sachen wie ein ganzes Orchester oder einen professionellen Gong-Spieler geht, wo wir Grenzen haben.

Ich war sehr angetan vom Artwork für „Eight Ways“, gerade in der Digipack-Version sieht es grossartig aus! Was genau sollen diese maschinenartigen Gebilde darstellen? Könnten sie auch auf zukünftigen Veröffentlichungen vorkommen, als eine Art Trademark vielleicht?
Vielen Dank (besonders im Namen von Christian)! Diese Apparate sind eine Art von Transporter/Lenker/Wegweiser, ich denke man kriegt am Besten eine Idee von ihrem Zweck, wenn man sich das Video zu „Where Dream & Day Collide“ ansieht, dort werden sie im Kontext verwendet. Wie ich uns und Christian kenne werden sie wohl nicht mehr auf weiteren Veröffentlichungen auftauchen, höchstens im Hintergrund als kleiner Hinweis auf ein vorheriges Album.

Christian Ruud war wieder einmal für das Artwork verantwortlich, seit 1999 ist er schon kein aktives Mitglied in der Band mehr. Reizt es ihn manchmal wieder bei euch einzusteigen oder warum spielt er nicht mehr mit, wenn er doch weiterhin noch in gewisser Weise in euer Schaffen involviert ist?
Ich denke nicht, dass er zurückkommen möchte – die Musik die er jetzt machen würde unterscheidet sich doch schon etwas von unserer, ausserdem hat er genügend mit Arbeit und der Artwork-Gestaltung für uns zu tun. Er und Sigurd (Schlagzeuger auf „Mercury“) sind damals ausgestiegen, weil sie nach Trondheim gezogen sind und das sind immerhin acht Stunden Entfernung. Es gab also nie Differenzen. Es ist ein Privileg mit jemanden zusammenzuarbeiten, den man so gut kennt und der auch versteht, was wir tun, und nicht zu vergessen der bereit ist soviel Zeit und Energie darin zu investieren um unsere Musik passend einzukleiden. Er ist generell ein sehr guter Freund, wir begegnen uns auch abseits der Musik häufig um abzuhängen. Er ist sozusagen die visuelle Kraft hinter Madder Mortem.

Lass uns über die neue EP sprechen: Sind die neuen Tracks älteres Material, das einfach nicht auf „Eight Ways“ gepasst hätte oder wurden die Stücke exklusiv für die EP geschrieben?
Nachdem wir „Eight Ways“ aufgenommen haben, spielten wir mit diesen Ideen eine Weile rum und als sich die Möglichkeit einer EP ergab dachten wir es wäre cool die Ideen in Songs umzuwandeln und sie für die EP aufzunehmen, da sie etwas exzentrisch klingen und der gemeinsame Nenner der Stücke und „Where Dream & Day Collide“ selbst „Spass mit Genres“ heisst. Sie waren also ausschliesslich für die EP aufgenommen worden, ja. Wir sind die nicht die Art von Band, die viel überschüssiges Material übrig hat, wir arbeiten entweder an einer Idee solange bis es sich richtig anfühlt oder verwerfen sie lange bevor sie zu einem Song werden könnte.

Das animierte Video zu „Where Dream & Day Collide“ ist sehr interessant geworden. Wie sehr wart ihr in der Produktion involviert? Hat es viel gekostet?
Das Video ist komplett Christian zuzuschreiben, er und Kim Holm (beide bei Toxic, das Unternehmen wo Christian arbeitet) sind die Regisseure. Wir waren also nicht sehr in der Produktion involviert, zum Einen natürlich weil wir uns mit Animationen nicht auskennen, aber auch weil wir Christian da freie Hand lassen wollten. Wir dachten uns wir bleiben bei dem was wir gut können und überlassen das Visuelle den Profis. Aber ich habe mit Christian viel über den Song und die Lyrics gesprochen, bevor er angefangen hat und vieles im Video ist eine Verarbeitung der Ideen des Cover-Artworks, wir wussten also das wir es mögen würden. Und da Toxic so freundlich war es als kostenloses Projekt laufen zu lassen und Christian sehr viel seiner begrenzten Zeit dafür geopfert hat, war es unglaublich günstig – wir hätten das Ganze niemals realisieren können, wenn wir die Arbeitsstunden dafür bezahlen hätten müssen.

Der Titelsong der EP musste ein wenig gekürzt werden für die Video-Version. Ist das eine Schattenseite des Versuchs ein grösseres Publikum zu erreichen, mit der ihr leben könnt?
Ich denke wir hätten das nie getan um ein grösseres Publikum zu erreichen, die Songs die wir aufnehmen sind so wie wir sie wollen. Der Grund für die Beschneidung war einfach der Aufwand für das Video. Wir hatten nicht das Gefühl, dass der Song durch die Kürzung Schaden genommen hat, während gleichzeitig der Aufwand für Christian und Kim dafür ein Video zu erstellen drastich reduziert wurde. Es wäre wohl nicht im Bereich des Möglichen gewesen für das komplette Stück ein Video zu machen, deswegen war es ok es zu kürzen um diese wirklich coole visuelle Idee umsetzen zu können.

Ein paar skandinavische Metal-Bands haben bereits versucht die ganz grosse Popularität zu erreichen, indem sie am Eurovision Song Contest bzw. der Qualifikation dafür teilgenommen haben. Denkt ihr dass ihr bei dieser Veranstaltung Erfolg haben könntet mit euren swingendem Sound oder würdet ihr euch strikt weigern daran teilzunehmen?
Haha, gute Frage! Ich glaube zwar nicht dass wir sowas jemals machen würden, aber sag niemals nie. Ich glaube wir sind dafür zu abgedreht und uns fehlt der Glamour und Glitter für diese Show. Es wäre aber sicherlich eine spassige Angelegenheit! Federn und Pailetten, Tänzer und dieser ganze Kram, wie im Zirkus. Und wer weiss, vielleicht würden wir das Ding gewinnen und dann könnten sich die norwegischen Bürger ein weiteres Jahr darüber aufregen, wieviel es die Fernsehsender kostet das Finale auszutragen…

Es ist eure erste EP, die man im Handel kaufen kann. Geniesst ihr die neuen Möglichkeiten, die sich unter dem Label Peaceville bieten? Ist der Arbeitsaufwand seit dem Labelwechsel grösser geworden?
Ja, es war natürlich toll, dass sie uns das angeboten haben. Ich werde etwas nostalgisch, wenn ich an die Paradise Lost und My Dying Bride EPs die ich so liebe denke, das ist also eine Peaceville Tradition, der wir uns gerne anschliessen. Sie behandeln uns sehr gut bislang und wir fühlen uns hier heimischer als es bei Century Media der Fall war.

Die Festivalsaison steht an und ich freue mich euch beim Brutal Assault sehen zu dürfen. Was ist euch lieber: Festivals oder Konzerte? Gibt es einen Festivalauftritt, an den ihr euch gerne zurückerinnert?
Beide haben ihre Reize. Auf Festivals gibt es eine grössere Zuschauermenge und die Organisation ist meist besser, und es ist natürlich cool auch andere Bands zu treffen. Andrerseites spielen wir auch gerne mal 1,5-2 Stunden Settings und das ist nur bei normalen Gigs möglich, ausserdem gehört das Publikum uns dort ganz alleine. Die Mischung macht es also! Ich denke der beste Festivalauftritt den wir hatten war das letzte Mal als wir beim Brutal Assault auftraten, von daher freue ich mich auch sehr darauf dorthin zurückzukehren! Das Publikum war grossartig, die Organisation ebenfalls und das Festivalgelände ist auch toll, ich bin mir also sicher es wird wieder viel Spass machen.

Ok, bevor wir das Interview beenden gibt es noch ein wenig Brainstorming. Ich geb dir ein paar Begriffe und du schreibst kurz was du darüber denkst:

Oslo: Schrecklich im Winter, sehr teuer, hat aber auch gute Seiten.
Eyjafjallajökull: Ich warte schon darauf, dass Katla hochgeht… das wäre ein Anblick! Und es zeigt uns wie wenig Kontrolle wir doch über die Natur haben, wenn sie ihr eigenes Ding macht. Wir brauchen etwas, was unsere Perspektive gerade rückt. So ein bisschen wie der Kontakt zu einer superintelligenten ausserdischen Lebensform – das würde uns unsere Überheblichkeit austreiben.
Liebe: Ist nichts für schwache Herzen. Aber sonst lässt sich gut Songs darüber schreiben.
Burzum: Ich HASSE seine politischen Ansichten, weswegen es nervt, dass er so aussergewöhnlich gute Musik macht. Es ist die reine Monotonie, sehr effizient und hypnotisch.
Metal1.info:Eine sehr aufwendige Seite! Hätte ich doch bloss mal meine Deutschkenntnisse die ich mal hatte aufrecht erhalten… jetzt muss ich meist raten was etwas bedeutet.

Vielen Dank für die Geduld all meine Fragen zu beantworten und ich wünsche dir/euch nur das Beste für die Zukunft! Die letzten Worte gehören dir:
Schaut euch alle das Video zu „Where Dream & Day Collide“ an! Wir finden es grossartig und die Personen, die es produziert haben, verdienen alle Aufmerksamkeit die sie kriegen können!

Geschrieben am von Metal1.info

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