Erbsenzählerei, Umweltverschmutzung und Planungen bis zum nächsten Abend sind die zentralen Themen, mit denen sich ein britischer Ausnahmemusiker und ein deutscher Redakteur die Zeit vertreiben. Was genau Mick Moss zu ANTIMATTERs neuem Superlativ-Werk „Leaving Eden“ zu sagen hatte, kann der geneigte Leser dem folgenden Interview entnehmen.
Hi Mick, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Metal1.info-Interview nimmst. Wie geht es Dir?
Es geht ganz gut, allerdings habe ich einige Probleme mit der Schulter, da ich vor sechs Wochen einen Unfall hatte und das geht mir so langsam ziemlich auf die Nerven.
Du hast gerade das vierte ANTIMATTER-Album “Leaving Eden” rausgebracht. Bist Du sehr zufrieden damit oder gibt es doch einige Dinge, die Du gerne besser gemacht hättest?
Ich bin sehr zufrieden damit. Ich arbeite mir bei einem Projekt immer den Arsch ab, bis ich trotz aller Erbsenzählerei nichts mehr finde, was mich wirklich stört. Wenn ich an dem Punkt angelangt bin, ist es meistens Zeit, die Sache einfach laufen zu lassen.
Ich muss sagen, dass “Leaving Eden” großartig geworden ist. Was für Reaktionen hast Du bisher von Fans und Presse bekommen?
Naja, eine Menge Leute erzählen mir, dass sie der Meinung sind, dass es das beste Album von ANTIMATTER bislang ist. Natürlich ist das sehr schön zu hören, gerade von meinem Standpunkt aus.
Im Falle von ANTIMATTER waren Songwriting und Produktion immer etwas Besonderes. Ist die Arbeit für Dich jetzt leichter, da Du alles alleine machst?
Es ist nicht leichter oder schwerer, ich bringe immer noch soviel Herzblut in das Schreiben und Arrangieren der Songs, wie ich es schon immer tat. Ich gehe aber immer sicher, dass ich mich nicht in irgendeinem Schema verzettele, einen Masterplan, wie ich die Arbeit leichter gestalten kann, gibt es also nicht. ???
Glaubst Du, dass sich ANTIMATTERS Musik sehr verändert hat, seit Duncan die Band verlassen hast? Ich finde, es ist immer noch ANTIMATTER, ganz klar, aber auch nichzt vergleichbar mit den früheren Alben.
Ja, es hat sich einiges geändert, aber dann auch wieder nicht. Die Musik hat sich geändert, aber ich glaube, dass liegt daran, dass Dir die Leute immer einen Stempel verpassen und der Alte gilt jetzt eben nicht mehr. Insgesamt ist die Ausrichtung von ANTIMATTER aber immer noch die Gleiche, düstere, dunkle Musik mit introspektiven Texten.
War es Deine Absicht, ein “härteres” Album zu schreiben oder war das ein ganz natürlicher Prozess?
Als wir “Planetary Confinement” (das dritte Album) schrieben, habe ich alle härteren Titel, die ich geschrieben hatte, erst einmal auf Eis gelegt. Als es dann daran ging, „Leaving Eden“ zu schreiben, gab es natürlich einen ordentlichen Batzen an altem Material, den ich nutzen konnte. Außerdem wollte ich auf keinen Fall wieder ein akustisches Album machen, ganz einfach deshalb, weil die Kritiken für „Planetary Confinement“ sehr gut waren. Die Musik war halt da und es gab keine eigentlich keine Möglichkeit, außer jeden Song so aufzunehmen, wie er geschrieben worden war.
Das ganze Album ist voller genialer Lieder, aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich “Ghosts”, “The Freak Show” und “Leaving Eden” mal hervorheben. Welche Lieder haben eine spezielle Bedeutung für Dich?
Sie sind alle sehr persönlich; ich glaube, da gibt es keine Texte, die persönlicher oder weniger persönlich als die anderen sind. Ich habe mein ganzes Herzblut in diese Texte gelegt und sie helfen mir auf der anderen Seite, mich selber zu definieren. Sie zeigen mir, welchen Platz ich in der Welt inne hatte, als ich sie schrieb. Manche Dinge haben sich seit dem geändert, manche aber auch nicht.
Das Cover ist auf der einen Seite zwar recht einfach gehalten, auf der anderen Seite ist es aber wunderschön. Sage doch bitte ein oder zwei Worte dazu.
Ja, ich finde auch, dass es eine tolle Idee für ein Cover ist. Es ist von Adrian Owen, der auch schon bei „Lights Out“ (das zweite Album, Anm. d. Verf.) für uns gearbeitet hat. Ich habe eine Menge interessanter Theorien gehört, was das Cover symbiolisieren könnte. Bislang hat aber erst eine Person richtig gelegen!
Gibt es ein bestimmtes lyrisches Konzept auf “Leaving Eden”?
Sicher, alles auf dem Album dreht sich um den Verlust von Dingen, die uns Geborgenheit schenken. Der Verlust von Vertrauen, Frieden, Freundschaften, Beziehungen etc. Schon der Verlust eines dieser Dinge ist schlimm genug, ich habe das Meiste davon auf einmal verloren. In dieser Zeit meines Lebens hatte ich die meisten Ideen für Texte und habe sowohl fast „Leaving Eden“ komplett als auch meine Songs von „Planetary Confinement“ (die Arbeit an diesem Album war streng aufgeteilt, Mick Moss schrieb seine Songs für sich, ebenso tat es Duncan Patterson, damals noch Bandmitglied, Anm. d. Verf.) geschrieben.
Soll der Titelsong in Verbindung mit dem Artwork eine Kritik an Umweltverschmutzung darstellen? Ist der Planet Erde in großer Gefahr?
Die Erde ist möglicherweise wirklich in Gefahr, aber das ist nicht das, was das Artwork ausdrücken soll. Mach Dir aber keine Sorgen, eine Menge Menschen haben das Bild dahingehend falsch interpretiert, dass sie dahinter ein Statement gegen die globale Erwärmung vermutet haben. Ich glaube, das liegt daran, weil das Bewusstsein oder die Empfänglichkeit für dieses Thema nie so groß war, wie heute.
Themawechsel: planst Du Live-Aktivitäten in den nächsten Monaten?
Im Moment bin ich dabei, ein paar Akustik-Konzerte zu geben, wie immer halt. Als Support habe ich Leafblade dabei. Pete von Leafblade hilft mir bei den Konzerten immer mit einigen Backing-Vocals aus, was ich sehr gut finde. Ich liebe es, jemanden auf der Bühne für eine zweite Stimme dabei zu haben und Pete passt da einfach perfekt hin. Für Ende August sind einige Termine im Baltikum und in Budapest, Ungarn, geplant. Möglicherweise geht es auch noch nach Griechenland, Portugal und Polen, mal sehen.
Wer an Live-Terminen interessiert ist, sollte einfach bei myspace.com/antimatterband vorbeischauen, dort poste ich regelmäßig anstehende Konzerte und andere Infos.
Was ist Deine Meinung zum Internet? Für eine nicht so massentaugliche Band wie ANTIMATTER ist es zwar eine gute Möglichkeit für Promotion, illegale Downloads könnten der Band aber doch auch sehr schaden.
Ende 2002 habe ich mal eine EP ins Internet gesetzt, wo einiges Zeug aus dem Proberaum von Danny und mir drauf war. Wir hatten Songs geprobt, die wir auf der anstehenden Tour spielen wollten. Das lief ganz gut und ich dachte mir, wenn wir mehr Material zusammen haben, können wir vielleicht ein komplettes Album nur über das Netz herausgeben. Ich habe dann auch ein Live-Video zusammengeschnitten. Wir hätten damit leicht etwas Geld verdienen können, wenn wir daraus eine CD/DVD als limitierte Edition gemacht hätten, aber wir haben uns dann doch dagegen entschieden.
Ich denke, dass Internet hat einen unschätzbaren Wert. Es behindert Bands in keiner Weise, da es immer Leute geben wird, die eine CD oder DVD auch wirklich in den Händen halten wollen, „Hard-Copy-Purists“, sozusagen. ???
Magst Du eigentlich Duncans neues Projekt „Ion“?
Ich denke, das Album (Madre, Protegenos) ist großartig, es fasst Duncans musikalisches Können einfach zusammen. Bei „Saviour“ und „Lights Out“ habe ich Duncans Songs gar nicht gehört, bevor wir ins Studio gegangen sind. Ich habe dann die Lieder in ihrer Entstehungsphase beim Aufnehmen gehört, immer ein Stückchen mehr, wie es halt dauert, einen Song aufzunehmen. Als sie dann fertig waren, fehlte mir natürlich total das Feeling für den fertigen Song, weil ich die Einzelteile ja schon so oft gehört hatte. Bei „Planetary Confinement“ und seinem neuen Projekt hingegen konnte ich mich zurücklehnen und ein fertiges Stück Musik genießen, ein Umstand, den es nicht mehr gab, seit er mir Mitte der 90er Jahre die Stücke zu „Alternative 4“ (letztes Album von Anathema, auf dem Duncan Patterson noch mitgewirkt hat, Anm. d. Verf.) gezeigt hat.
Was für eine Art Musik hörst Du eigentlich dieser Tage so? Ist es noch immer eine Inspiration für Dich? (wenn ja: warum, wenn nein: was für Inspirationen hast Du sonst)
Ich höre eigentlich alles, was zu meiner Stimmung passt. Playlists auf meinem Computer sehen oft sehr durcheinander gewürfelt aus, das kann von 80er Pop über Thrash Metal bis hin zu Jazz gehen. Sicher, jede Art von Musik, die ich mir anhöre, beeinflusst mich auf die eine oder andere Weise bis zu dem Punkt, wo ich irgendwelche Scheiße höre und sage „So einen Song werde ich niemals schreiben!“ Haha, Einflüsse gibt es wirklich mehr als genug.
So, zum Schluss würde ich Dich gerne nach ANTIMATTERs Zukunftsplänen fragen.
Ich werde niemals, und das habe ich immer gesagt, irgendwelche weitreichenden Pläne schmieden, zumindest, was ANTIMATTER angeht. Eins nach dem anderen gewissermaßen. Ich werde auch nicht so überheblich sein und sagen, dass ich jetzt auf jeden Fall immer auf diesem Level bleiben werde. Es ist zwecklos zu sagen, dass ich jetzt dies und dann das tue und 2010 das fünfzigste Album veröffentlicht haben werden usw., denn ich bin ja auch nur ein Mensch. Ich kann einfach keine großen Pläne für die Zukunft schmieden, immer schön einen Schritt nach dem anderen tun und vor allem in meinem eigenen Tempo. Wenn ich genug Songs für ein neues Album zusammen habe, die es auch wert sind, auf CD zu kommen, werde ich schon Mittel und Wege finden, die Lieder auch aufzunehmen.
Gut, ich kann Dich natürlich nicht gehen lassen, ohne dass Du das berühmte “Metal1.info-Wortspiel” beantwortet hättest. Sage doch schnell Deine ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen!
William Shakespeare:
Ich habe nie etwas von dem, was “Der Barde” geschrieben, gelesen, ich war nicht mal im entferntesten daran interessiert. Ich kann es immer noch nicht verstehen, dass seine Texte, die nicht nur total aus der Mode sondern auch noch verwirrend verschlüsselt sind, immer noch auf dem Lehrplan der Schule stehen (das wird sich so mancher Schüler bei dem einen oder anderen deutschen Autor hierzulande wohl auch denken ;-), Anm. d. Verf.)
Fish And Chips:
Verdammt geile Erfindung. Ein absolut traditionsreicher englischer Fettmacher, was würden wir nur ohne tun? Was wäre englischer als Fish And Chips? Wie ich schon sagte, eine tolle Erfindung!
Snooker:
Scheißendlangweilig, obwohl ich es mir als Kind schon sehr häufig angesehen habe. Heute finde ich es scheiße.
Wetter:
Jetzt gerade regnet es. (in Großbritannien??? Unglaublich ;-) Anm. d. Verf.)
Urlaub 2007:
Ein guter Freund heiratet dieses Jahr in Portugal und wir werden alle bei der Hochzeit dabei sein. Er ist der erste aus unserer Truppe, der den Bund fürs Leben schließt, was schon eigenartig ist, denn wir sind schließlich schon alle über 30. Heiraten ist in unserer Generation wohl ziemlich out.
Mick, ich möchte Dir vielmals und herzlich danken dafür, dass Du dieses Interview für uns beantwortet hast. Die letzten Worte gehören natürlich Dir.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die ANTIMATTER über all die Jahre unterstützt haben. Das ist ein großer Antrieb für mich, Cheers!