Zehn Jahre SCARIOT heißt es im Jahr 2007. In unseren Gefilden ist die norwegische Gruppierung relativ unbekannt, auch wenn in diesen Tagen das vierte Album „Momentum Shift“ europaweit erscheint. In ihrer Heimat ist die Scheibe schon seit Frühling zu haben, jetzt setzen die Skandinavier auch zum Übergriff auf den Rest des Kontinentes an. Dass die Arbeiten daran ganze drei Jahre in Anspruch nehmen würden, hätte Daniel Olaisen – Gitarrist, Mastermind und einziges dauerhaftes Mitglied – nicht vermutet. „Es hat wirklich lange gedauert, bis es fertig war, aber hier ist es nun endlich! Die Reaktionen der Presse sind gut und sowohl alte als auch neue Fans schätzen es. Nachdem das alte Line-Up auseinander gebrochen ist, habe ich die Songs relativ schnell fertig gestellt, es war also auch schon alles fertig, als die neuen Mitglieder dazu kamen. Ich habe schon immer den Großteil der Musik geschrieben und auch wenn ich die klassische Band-Situation bevorzuge, ist es cool und interessant mit verschiedenen Leuten zu arbeiten! Deswegen ist es mir auch wichtig, beim Produzieren, Mischen und allen Schritten bei der Fertigstellung des Album dabei zu sein.“
Musikalisch bewegt sich seine Band im Bereich des progressiven Metal mit Thrash-Einflüssen (oder Thrash mit Progressive Metal-Einflüssen – wie man es sehen mag), wohl am ehesten in einer Kategorie mit Nevermore und Mercenary anzusiedeln. Olaisen sieht darin wohl kein Problem: „Ich bin ein Fan beider Bands, vor allem Nevermore ist eine meiner Lieblingsbands überhaupt! Ich mag die meisten Stilrichtungen des Metal, ich bringe als verschiedene Elemente in SCARIOT ein.“ Seine Lieblingsband aber würde man beim Hören von „Momentum Shift“ nicht unbedingt als erstes vermuten. „Meine absoluten Favoriten sind Death! Deswegen habe ich auch „Symbolic“ als Coverversion eingespielt, ich kenne das Lied seit vielen Jahren und es war an der Zeit, es selbst aufzunehmen! Ich wollte auch einen Song mit extremen Vocals covern und diesem dann klaren Gesang verpassen. Ich finde es sehr gelungen und ich denke, der Soloteil ist in unserer Version noch besser…“
Selbstbewusstsein ist gut, Fortschritt noch besser, und von beiden hat Olaisen genug. „Dieses mal haben wir mehr Thrash Metal als sonst mit eingebracht. Die Melodien waren schon immer wichtig bei uns, wir führen aber eben auch immer verschiedene Seiten in die Musk ein und entwickeln uns weiter. Das Coverartwork zeigt ebenfalls ein Vorwärtskommen, hin zu etwas Größerem. Die Songs und Lyrics stehen aber für sich selbst, sie drehen sich um meine misanthropische Sicht der Menschheit und all die äußerlichen Einflüsse, die einen Menschen vom Beginn seines Lebens an formen.“
SCARIOT haben aber leider ein kleines Problem an der Front: Jedes neue Album brachte auch einen neuen Sänger, seit dem letzten Album „The Strange To Numbers“ (2003) hat sich, bis auf Olaisen natürlich, sogar das komplette Line-Up geändert. „Das ist nichts neues bei uns, auf jedem SCARIOT-Album gab es ein anderes Line-Up und ich bin sowieso der einzige, der noch von Anfang an dabei ist. Wenn wir alle Demos und Alben zusammenzählen, ist Øyvind Hægeland nun sogar schon der sechste Sänger und die sind hier wirklich äußerst schwer zu finden. Ich weiß, dass es den Sound der Band immer wieder ändert, wenn ein neuer Sänger dabei ist, aber das war eben schon immer so und damit muss ich wohl leben…“
Der letzte Sänger ist dabei kein Unbekannter, 2003 aber wusste mit seinem Namen noch kaum jemand etwas anzufangen: Oddleif Stensland, heutiger Sänger der erfolgreichen Progressive Metaller von Communic. Warum SCARIOT nie den Erfolg und die Bekanntheit hatten, der Communic schon nach wenigen Jahren vorzeigen können, weiß Olaisen genau. „Ganz einfach deswegen, weil wir bei keinem großen Label sind und nie eine Europa-Tournee gespielt haben. Uns gibt es nun seit 1997 und wir waren immer eine tolle Band. Ich erwarte nicht, dass wir diesmal einen Durchbruch schaffen werden, aber zumindest können wir auf einige Killeralben zurückblicken…“ Den neuen Mann am Mikro kennt man derweil bereits von Arcturus und auch die beiden anderen neuen Mitglieder haben bereits einen guten Namen in der Szene: Asgeir Mickelson setzte sich unter anderem für Borknagar, Vintersorg und Ihsahn ans Schlagzeug und Steve DiGiorgio (Death, Testament, Dreagonlord u.v.m.) ist sowieso die Bass-Hure Nummer 1. Besteht da nicht die Gefahr, SCARIOT könnte als irgendeine weitere All-Star-Band vorverurteilt werden? „Auf diese Weise habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Wie schon gesagt, SCARIOT gibt es nun schon seit zehn Jahren, wir sind also definitiv keine Newcomer, die ein paar bekannte Musiker zusammenkratzen, um ein Album aufzunehmen.“ Und die Zusammensetzung des neuen Line-Ups kommt auch nicht von ungefähr. „Asgeir spielt ja ebenso wie Øyvind auch bei Spiral Architect, so kamen wir dann zusammen. Øyvind ist auch der einzige Sänger, der meiner Meinung nach die bisherigen noch übertreffen konnte.“
Mit Livekonzerten schaut es in Zukunft wohl schlecht aus, sowohl Steve DiGiorgio und Asgeir Mickelson wären vielbeschäftigte Männer und Øyvind Hægeland habe kein Interesse mehr, noch mal auf Tour zu gehen (was wohl einer der Gründe der kürzlichen Arcturus-Auflösung ist). Auf eine DVD zum Zehnjährigen braucht man wohl auch nicht zu warten. „Das wäre großartig, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass und wie das klappen sollte. Ich habe einige Live-Tapes von früher, aber wir müssten zumindest einen Gig mit dem neuen Line-Up und dem neuen Album spielen, ich denke also, das wäre recht kompliziert…“ Wie alle anderen neuen Mitglieder hat auch Daniel Olaisen selbst noch einige weitere Bands am Start, er ist außerdem noch bei Blood Red Throne und Zerozonic. „Bis vor einigen Jahren gab es auch noch Trioxin, jetzt aber konzentriere ich mich vor allem auf Blood Red Throne. Ich bin Death Metaller seit 1992, Blood Red Throne bedeutet mir also selbstverständlich sehr viel, es kommt auch bald ein neues Album und wir werden wieder auf Tour gehen. Ich stehe auch total auf Pantera und ihren Stil, aus diesem Grund habe ich auch noch Zerozonic!“
SCARIOT ist bei all den Bands natürlich nicht zu vernachlässigen – „Momentum Shift“ ist es wert, angetestet zu werden!